Ein Teil von mir freut sich, dass Putin seit Herbst wegen seiner Kriegspolitik im eigenen Land Widerstand erfährt. »Der Bully hat es nicht anders verdient«, frohlockt dabei etwas in mir, und ich wünsche mir, »dass der Böse bestraft« wird. Wenigstens soll er scheitern und von den Guten besiegt werden. Dabei habe ich jedoch keinen Zweifel, dass das eine Haltung ist, die Menschen opfert und mitnichten Frieden bringt und bin deshalb an diesem Punkt konsequent: Krieg ist kein Weg zum Frieden! Frieden ist der Weg. Und rufe mit Wolfgang Borchart in die erneut so sehr einen ‚guten Krieg‘ als Lösung verkündende Stimmung hinein: Sag Nein! 

Im Anarchieblog von Wilhelm finde ich ein Zitat von Willy Brandt, in dem dieser vor den »vielen Verirrungen unter dem Feldzeichen des bellum justum, des ‚gerechten Krieges’« warnte. Die sogenannte Realpolitik erkärte Brandt als irrational: »Krieg ist nicht mehr die ultima ratio, sondern die ultima irratio. Auch wenn das noch nicht allgemeine Einsicht ist: Ich begreife eine Politik für den Frieden als wahre Realpolitik dieser Epoche.«

Der ‚gerechte Krieg‘

Was ist von Friedrich Schiller’s Aussage im ‚Wilhelm Tell‘ zu halten: »Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt«? Das ist ein triftiger Einwand gegen den naiven Pazifismus. Wenn es jedoch gegen jeden Pazifismus gebraucht wird als k.o. Argument und Rechtfertigung des Verzichts auf Diplomatie, dann Gnade uns. Dann wird es keinen Frieden geben.

In unseren Medien lese ich viel über die Menschenrechtsverletzungen von russischen Soldaten in der Ukraine und von der Diktatur und fehlenden Pressefreiheit in Russland. Hier spricht Larissa Schessler, eine aus der Ukraine geflohene Menschenrechtsaktivistin, über Menschenrechtsverletzungen auf Seiten der Ukraine und über die dortige antirussische Zensur. Die heutige Ukraine nennt sie eine Diktatur, in der es keine Opposition und keine Pressefreiheit mehr gibt. Wegen ihres Einsatzes für eine Föderalisierung der Ukraine wurde sie dort angeklagt und floh daraufhin außer Landes. 

Stereotype 

Peter Zakravsky ist Politikwissenschaftler, Journalist und ein Kenner des Balkans. Hier schreibt er über die Rolle der NATO in den europäischen Kriegen (Plural!) der vergangenen Jahrzehnte und das Ersterben der westlichen Friedensbewegung. Besonders erwähnenswert finde ich den hier wörtlich wiedergegebenen Dialog zwischen Kanzler Scholz und Putin wenige Tage vor Beginn des Russland/Ukraine-Krieges. In unseren Medien wird dieser Krieg meist stereotyp »Angriffskrieg Russlands« genannt, so als sei das ein Mantra, das zu Beginn jeder Berichterstattung über diesen Konflikt aufzusagen ist. Damit wer das liest, gleich weiß, wer von den beiden Seiten dieses Konfliktes die böse ist, und dass dieser Bericht sich auf die richtige Seite stellt, die die Wahrheit berichtet. Solche Stereotype machen mich misstrauisch.

Ebenso misstraue ich inzwischen Selensky. Anfangs schien er mir noch als ein tapferer Kämpfer gegen das böse Russland. Die kleine Ukraine gegen das große Russland, das sie angegriffen hat. Nun sehe ich ihn als einen Teil des Problems, denn er will nicht aufhören, seine Soldaten zu opfern, ehe Russland besiegt ist. Die Allianz, die hinter ihm steht, ist viel größer und mächtiger als Russland, das ist ihm so zu Kopf gestiegen, dass er nun nicht mehr bereit ist zu verhandeln und Frieden zu schaffen.

Der ‚kühle Krieg‘ der Medien

Vermutlich wird mir von einigen Lesern dieses Blogs vorgeworfen werden, dass ich hier Links auf Artikel der Nachdenkseiten und des Rubikon setze, die von Zeit, Welt, FAZ, Spiegel und SZ immer mal wieder als verschwörerisch oder, etwas milder diskreditierend, als ‚umstritten‘ bezeichnet werden. Ich würde jedoch auch einem betrunkenen Penner zuhören, wenn er die Wahrheit sagt – eine Haltung, die Zengeschichten immer wieder anpreisen. Noch viel mehr einem Kind, wie in Andersens Märchen »Des Kaisers neue Kleider«. 

Für eine unbequeme Wahrheit die Überbringerin zu töten oder zu verunglimpfen ist dumm. Es sollte der Inhalt zählen, die Fakten und nicht der Kanal, durch den eine Wahrheit tönt. Der ich auch ZEIT, SZ, Spiegel und Co lese, schaue ich auf beide Seiten dieser Front und bedaure zutiefst diesen ‚kühlen Krieg‘ der Medien. Zensur, Verblendung und blinde Flächen (blnde »Flecken« wäre eine Beschönigung) gibt es auf beiden Seiten.

Noch viel mehr entsetzt mich jedoch, dass es kaum mehr eine Friedensbewegung gibt.