Der Anlass für den folgenden Dialog war Rainer Herzogs ‚Invasion‘ auf www.jetzt-tv.com, wo er dann gesperrt wurde, seine Mail an mich, die ich unter der Überschrift Unterscheiden können in meinem Blog veröffentlicht habe. Woraufhin ich auf einer Facebookseite (Edgar, weißt du noch, welche es war?) beschimpft wurde, dass ich »so einem« wie dem Rainer Herzog in meinem Blog Raum gegeben hatte. 

Daraufhin gab es zwischen Edgar Hofer, Jörg Müller und Rainer Herzog unter den Kommentaren bei »Unterscheiden können« eine Diskussion, die fand ich gar nicht schlecht. Es war mir damit dann aber auch genug, und ich habe nicht alle Links verfolgt, die mir dort angeboten wurden. Ich schlug daraufhin Edgar Hofer, den ich aus anderen Kontexten her ein bisschen kenne und sehr schätze, einen Dialog vor, den wir auf Google.docs als Chat führten. Hier ist er: 

Der Bote als Täter

Sugata: Für mich war ein wichtiger Punkt dabei, dass man den Inhalt einer Botschaft auch dann nutzen und sogar gut finden kann, wenn die Person, die ihn überbringt, ansonsten nicht so mein Typ ist. Man muss nicht den Boten töten, so wie es im alten Griechenland wohl mal der Fall war, wenn er eine schlechte Nachricht überbracht hat. 

Ein anderer Punkt war die Diffamierung von Quellen, die einem nicht ins Konzept passen, die dann als »rechtes Lager« etikettiert werden, dann darf man als politischer Gutmensch nicht darauf linken oder kommt damit in Verruf. Das ist natürlich blödsinnig, darin stimme ich dir zu.

Edgar: Ja, so ziemlich ist das meine Sicht.

Überforderung

Manchmal kommt mir bei sowas auch in den Sinn, dass wir alle überfordert sind, wenn wir den Lebensweg einer Person prüfen müssen, ehe wir ihm eine Nachricht abnehmen und in ähnlicher Weise die Vorgeschichte einer Quelle, zu welchem Lager die gerechnet wird. Beides würde ich nicht völlig von der Hand weisen, möchte es damit aber auf keinen Fall übergenau halten, sonst wird man ja verrückt. Der Dalai Lama hat sich mal fotografieren lassen mit einem Verrückten, der gerne von Buddha und Meditation sprach, aber dann in einer Tokioter U-Bahn eine Giftgasattacke initiierte (oder auslöste oder dabei mitmachte), da kann man nun das dem Dalai Lama anhängen, dass er sich mit dem Typen abgegeben hat. Aber so viel wissen von einer Person oder Quelle kann man ja gar nicht, dass man in der Hinsicht immer »sauber« bleibt. Und was ist schon »sauber« … in der Hinsicht sind wir alle schmutzig. 

»Verschwörungstheorien«

Lol. Ja. Wobei….. das Interessante in meinem Fall ist bisschen, dass ich früher auch so war. Ich hab noch vor paar Jahren sehr gegen »Verschwörungstheorien« gewettert (tu ich teils noch immer, wenn’s zu extrem wird), und hab damals ebenfalls sozusagen »das Kind mit dem Bade ausgeleert«, in dem ich alle Quellen pauschal ablehnte, die dann z.B. u.a. auch obstruse Theorien hatten. Nur zeigt sich, dass heutzutage in unserer Medienlandschaft viele Informationen es gar nicht bis in den Mainstream »schaffen« (warum auch immer) – und man immer mehr auch auf alternative Quellen angewiesen ist. Weil die sich halt »trauen«, oder auch, weil die das natürlich für die eigene Gesinnung »verwenden« – was aber die Infos selbst nicht weniger »wahr« macht. Obwohl man natürlich aufpassen muss, dass sich da dann nicht vieles vermischt oder auch »Postfaktisches« einschleicht, sozusagen. 

Das kann ich gut nachvollziehen. Auch deine Abneigung gegen die sogenannten Verschwörungstheoretiker, von denen ich einige in meinem privaten Leben aus nächster Nähe erleben konnte. Darunter auch langjährige Meditierer, bei denen ich von einer hohen persönlichen Reife ausgegangen war. Das hat mich erschüttert. Wenn man dann aber was gegen diese Verschwörungs-Paranoia sagt, wird einem unterstellt, dass man grundsätzlich glaube, dass es in der Politik keine Verschwörungen gebe – was natürlich Unsinn ist, Naivität, Blindheit. 

Sehe ich auch so. Es ist regelrecht naiv anzunehmen, es gäbe keine Verschwörungen. Gab es schon immer. 

Heute ist die Nachrichtenlage eben sehr komplex. Komplexer denn je. Wir wissen mehr denn je. Wir haben mehr Quellen denn je zu unserer Verfügung. Die Auswahl unter diesen Quellen ist wichtiger denn je geworden, auch für Journalisten, weil man ja nicht 16 Stunden am Tag nur Quellen lesen, hören und sehen kann. Dabei spielt dann, wie immer, unsere selektive Wahrnehmung eine große Rolle, vielleicht auch das mehr denn je.

Alle Seiten prüfen

Ja, für Journalisten ist das nochmal n eigenes Thema …., wobei … ich schätz den typischen Mainstreamjournalisten generell eher als »Abschreiber« ein, bzw es werden z.B. grad bei Kriegsberichten oft beliebig austauschbare Bilder und Videos verwendet, was den »Wahrheitsgehalt« schon sehr ins Extreme treibt – bzw ins Unglaubwürdige. 

Drum ists heute wohl wichtiger denn je, wirklich von allen Seiten die Informationen zu prüfen. So wie man früher verschiedene Zeitungen gelesen hat, wenn man sich wirklich informieren wollte, sind das heute halt Onlinequellen. Und gerade in Facebook ists sehr üblich, dass Leute einfach nach persönlicher Gesinnung teilen. Unabhängig davon, ob der geteilte Inhalt wahr ist oder nicht. Das »Teilen« (sharing) bei Laien entscheidet dann einfach über die eigene Gesinnung oder den eigenen Glaubenssatz, der damit bestätigt wird. 

‘Blasen’ und ‘Echoräume’

Ich kenne Facebook viel zu wenig und nutze es kaum, aber ich weiß vom Lesen und Hörensagen, dass die ‘Blasen’ und ‘Echoräume’ dort wohl noch stärker sind als anderswo. Man lässt sich gerne von Gleichgesinnten bestätigen.

Wenn du sagst, man müsse die Informationen »von allen Seiten prüfen« denke ich aber, dass das für den Normalbürger zu viel verlangt ist, und sogar für Journalisten kaum machbar. Wir müssen wählerisch sein, weil es einfach zu viel ist. Allein schon, wenn ich in ein einem normalen Supermarkt ein Shampoo einkaufen will, oder eine Zahncreme, ist mir die Auswahl zu viel. Ich will nicht unter so vielem wählen, ich habe ja auch noch anderes zu tun im Leben. Auch bei der Nachrichtenauswahl sollten wir nachsichtig sein damit, dass Menschen nicht alles prüfen können. 

Mit »Seiten« meinte ich nicht z.B. Webseiten, sondern eher politische Seiten. Also, dass man sich zumindest eine linke, eine rechte, eine mittige Informationsquelle anguckt. Oder eben, vertikal gesehen, einmal »Mainstream« und einmal »alternative Quellen«. 😉

Das mit den »Blasen in Facebook« sehe ich z.B. gar nicht so schlimm, wie es oft dargestellt wird. Früher haben Menschen, die sich nicht »neutraler« informieren wollten, halt dann nur EINE Zeitung gelesen. Das gab’s also schon immer, diese Blasen. Sie waren früher imho sogar größer als Heute. Weil man sich heute gewissen Informationen gar nicht mehr so leicht entziehen kann.

Drum denke ich, dass diese »Blasen-Argumentation« letztlich eine politische Phrase ist, meist vom Mainstream oder z.B. den Großparteien. Man will ja auch verhindern, dass bei uns sowas geschieht wie in Nordafrika (arabischer Frühling) …., und da spielte z.B. Facebook und das Internet generell eine sehr entscheidende Rolle. 

Osho als biografischer Makel

Zu deiner Bestätigung in Bezug auf das Mauern des Mainstreamjournalismus gegenüber alternativen Quellen möchte ich noch sagen, dass ich bei SZ, Spiegel oder ZEIT nie »durch die Tür« kam, vermutlich aufgrund der 13 Jahre Osho in meinem Leben. Anscheinend war das der Grund, warum ich als Quelle, als Reporter oder Journalist für die nicht infrage kam, egal wofür. Ich hatte denen mal ein Interview mit Raissa Gorbatschowa angeboten über die Beziehung zu ihrem Mann. Es heißt ja, hinter jedem großen Mann stehe eine Frau, und ich wollte »die Frau hinter ihm« befragen, von der alle wussten, dass sie großen Einfluss auf ihn hatte, und ich hatte ihre Zusage zu dem Interview mit ihr. Von SZ, Spiegel und ZEIT bekam ich nicht einmal eine höfliche Ablehnung, einfach nichts, gar nichts. Und es gibt noch andere Fälle, die ich erzählen könnte, wo man dann denken müsste, dass es da eine Verschwörung geben müsste, Nachrichten nicht reinzulassen, die dem Mainstreamweltbild widersprechen. 

Heftig!

Als Mensch, der mal in oranger Robe mit Mala um den Hals in München als Taxifahrer tätig war und infolgedessen für einiges einfach nicht in Frage kam, weiß ich, was Ausgrenzung bedeutet. Und auch: ausgegrenzt werden mit meiner Meinung, meinem Weltbild, auch mit Fakten, die aus meinem Mund oder meiner Feder kommen. 

Dumm oder böse

Trotzdem meine ich, dass die meisten Fehler, die so ein typischer Mainstreamjournalist macht, nicht daran liegen, dass er Teilnehmer einer Verschwörung ist, sondern dass er ganz normal verblendet ist, gehirngewaschen von seiner Erziehung und Ausbildung, und dass er vielleicht Angst hat, eine andere Meinung zu äußern als seine Peergroup, seine Chefs oder Auftraggeber. Einer meiner Grundsätze dabei ist: Wenn Dummheit als Erklärung ausreicht, sollte man nicht Bosheit hinter einer Tat vermuten. 

LOL – ja, das sehe ich sehr ähnlich. Es reicht die Dummheit der Menschen meist als Erklärung wirklich aus. Auch in der Politik. Bush z.B. war ja auch strohdumm, bzw wurde zumindest so dargestellt. Also vor allem vor den Ereignissen von 9/11 wurde er ja in den Medien monatelang durch den Kakao gezogen. Diese Dummheit, auch das Gesicht, als er von den Anschlägen erfuhr, das reichte mir schon aus …., da brauchte ich dann keine »Verschwörungstheorie« mehr. Manche sind sogar für solche Verschwörungen letztlich zu dumm. 🙂 

Stimmt. Bei solch einer Verschwörung muss man doch dichthalten, und wer kann das schon. Da geht es um Macht und Geld, und wir wissen doch, wie oft sich die Mächtigen dann in die Haare bekommen, wenn es um die Teilung der Beute geht. 

Absolut! Auch meine Meinung. Allein das »Dichthalten« ist bei großen Sachen praktisch ein Ding der Unmöglichkeit. Und schon gar nicht, wenn’s um Medien geht (die angeblich Dinge dann »vorher« schon gewusst hätten, usw) 

Die Sprache gestaltet unsere Meinung

Und noch ein Wort zu den Quellen, wie ich damit umgehe. Eins ist, dass ich versuche, auch andere Sprachräume zu nutzen. Dazu gehört natürlich der Englische, aber auch das Spanische und Französische. Und wenn ich mit den Mitbewohnern in meinem Haus in Niedertaufkirchen spreche, bekomme ich auch Nachrichten aus dem arabischen und persischen Sprachraum. Wie wir über etwas sprechen, mit welchem Vokabular, welchen Sprichwörtern und anderen Gemeinplätzen, prägt ja auch sehr unser Denken. Ich habe hier in Spanien El Pais als Quelle schätzen gelernt. Im Englischen nutze ich manchmal den Guardian, und ich bekomme wöchentlich The Economist, obwohl das sozusagen das ‘neoliberale Kampfblatt’ ist, das profilierteste Wochen-Medien der weltbeherrschenden Wirtschaftsordnung. Aber dann weiß ich ‘wie der Feind denke’ (*ggg*), einerseits. Andererseits ist The Economist im Faktischen wirklich stark, auch in den Quellen nicht schlecht, lässt Gegenmeinungen zu und hat z.B. kürzlich sehr positiv über die Einführung des UBI (universal basic income) in Indien berichtet. 

WOW – Bedingungsloses Grundeinkommen in Indien? 

Kann mir gut vorstellen, dass finanzorientierte Quellen doch auch gleichzeitig recht neutral berichten, weils für die ja »nur« um Geld dann geht, und da sollte die Berichterstattung »faktisch« sein, sonst verliert die eigene Klientel Geld – und dann ist die Zeitung ist weg. 🙂