Viele haben mir in diesen Wochen persönlich geschrieben, dass sie meinen Newsletter vermissen und sich deshalb um mich sorgten. Das freut mich, auch wenn ich selbst den Süchten und zur Gewohnheiten werdenden Routinen nur wenig zuneige und das auch in anderen nicht fördern will – aber es gibt ja auch gute Gewohnheiten. Die Verzögerung hat mit vielem zu tun. Mit noch immer Verwaltungsarbeiten für die nun aufgelöste Connection AG – sowas dauert JAHRE –, mit meinem Umzug nach Kassel (das geht leichter) – und den Folgen meines Klinikaufenthalts im April, der mich ein paar Wochen lang kaum nachtschlafen ließ. Nun geht es wieder besser. Ich bin am neu Bestücken meines Youtubekanals (der neue, nicht der alte) und möchte dort bald (ab August?) wöchentlich ein Vidcast hinterlassen, das auch ohne Bild gut hörbar ist, als Podcast.
Du sollst nicht vergleichen
Hoffentlich spricht man bald auch mal wieder über anderes als über Corona. Hier dennoch, als Nachzügler, ein Vergleich. Eines der sprituellen Klischees lautet ja, man solle nicht vergleichen. Ich protestiere! Zum Beispiel verglich der Kolumnist Jan Fleischhauer Ende April die Corona-Epidemie mit der Hongkong-Grippe von 1968-1970. Warum sind die Politiker damals »vergleichsweise« kühl darüber hinweggegangen? Warum haben sie die Grippe als Naturereignis mehr oder weniger einfach hingenommen, obwohl dieser weltweiten Pandemie damals allein in Deutschland mehr als 40.000 Tote erlagen. Lockdown? Damals unvorstellbar. Man vertraute auf ein allmähliches Entstehen einer Herdenimmunität, was dann ja auch geschah. Allerdings unter beträchtlichen Opfern. In Zeiten von Internet und sozialen Netzwerken mit in tausend Echoblasen grassierenden Verschwörungstheorien ist solch eine Vorgehen heute undenkbar.
Aber jede Idiotie hat ihren guten Kern, so auch das Verbot des Vergleichens: Du bist einzigartig, ich bin es auch. Mich mit dir zu vergleichen – »Bin ich besser, oder bin ich schlechter als du?« – führt entweder zu Arroganz oder in die Depression. Das ist der gute Kern der Platitude von »Du sollst nicht vergleichen«. Der dumme Anteil davon ist, das Komparative zu ignorieren oder zu diskreditieren als »Sache des Kopfes« gegenüber der Güte des nicht vergleichenden Herzens. Der Vergleich ist die Grundlage aller Wissenschaften, und tabulose Wissenschaft bedeutet, alles mit allem vergleichen zu dürfen. Zum Beispiel auch den Holocaust mit anderen Schandtaten des Homo sapiens.
Die Öffentlich-Rechtlichen
Das sag noch einer, die öffentlich-rechtlichen würden nur glattgebügelten couch-konformen Seichtkram bringen. Unter meinen Lieblingsargumenten dagegen finden sich die Gert Scobel-Sendungen auf 3sat, das zum ZDF gehört. Kürzlich ging es dort um den Umgang mit Nichtwissen. Im Gespräch mit Scobel, den ich mal in meiner Zeitschrift Connection zum Thema Weisheit interviewt hatte, war auch der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen. Auch er ein kluger Querdenker, und auch er war immer wieder in Connection zu lesen. Die Sendung ist ein brillianter Diskurs über die »Infodemie« (Pörksen), die kaum fassbare Komplexität der Welt und die Unerschöpflichkeit unseres Nichtwissen. Was mir dort fehlte, ist ein Hinweis auf die kulturelle Gestaltungskraft der Narrative und das Transnarrative. Das aber, ebenso wie das Transpersonale und Transrationale – ich nenne Mystik gerne die »Reise nach Transistan« – umschreibt Scobel eloquent in einem Vortrag, in dem er sich (erschienen am 6. Juni) auf Platons Apologie des Sokrates bezieht. Da spricht er nochmal sehr dicht und überzeugend über Sokrates, Philosophie als Weisheitslehre, die weise Pythia des Orakels von Delphi, Hannah Arendt über Politik & Wahrheit und wieder über die Grenzen des Wissens.
Wie kann einer, der wie ich Wissenschaftstheorie studiert hat, die denkbar spektischste aller philosophischen Richtungen, dann 30 Jahre lang eine Zeitschrift herausgeben, in der die Hälfte der Leser an Astrologie und Homöopathie glaubt? Schwierig. Immerhin hatte ich dort nicht so eine Echokammer, wie man sie heute in den sozialen Medien gerne hat. Ich blieb und bleibe gerne zwischen den Stühlen sitzen; ich liebe das Interdisziplinäre und Integrale – und den Humor. Etwa den der NDR-Satire-Sendungen (auch das öffentlich-rechtlich), die kürzlich Angst als Allheilmittel anpriesen, für alle politischen Parteien. Da kann man doch nur (sein Nichtwissen vergessen und) begeistert zustimmen 😇
Auch viele der Satiren von ARD und ZDF begeistern mich. Zum Beispiel die von Maren Kroymann in der ARD, oder die der Anstalt des ZDF.
Weitere Links
Die von Maik Hosang initiierte Bewusstseinsstiftung i.G. sucht Symbole (Bild-, Ton-, Form- oder Wort-Symbole) für transpersonales Bewusstein, die sich keiner Tradition oder bestehenden Theorie zuordnen. Für jeden von 7 Gewinnern gibt es ein Preisgeld von 1.500 €.
Gut zum Mitlachen – insbesondere Fans der Satsangsszene, die gerne Lachen und das Lachen generell als befreiende empfinden, kommen hier auf ihre Kosten.
Psychedelische Substanzen sind ja wieder schick. Das findet inzwischen soger spiegel-online. Die manchmal sehr unkonventionelle Schweizer Zeitung NZZ geht noch einen Schritt weiter und lobt die Heilkraft von ‚Liebesdrogen‘.
Veranstaltungen mit mir
Einige meiner Seminare sind wegen Corona ausgefallen, andere wurden verschoben. Hier ist der aktuelle Stand, der sich trotz Lockerung der Einschränkungen noch ändern kann.
• Heute Abend ab 20 h bin ich in Ingrid Niemayers online Tantra-Event zu sehen, in einem Gespräch mit Saleem Riek, Iris Disse und Saranam, zum Thema Tantra und Gesellschaft.
• Am kommenden Wochenende bin ich für den Bachelor of Being im Seminarhaus Pommritz in der Oberlausitz. Ein Echt-Event mit realen Menschen, zu dem man sich am Freitag von 17-19 h auch online zuschalten kann.
• Vom 1. bis 8. Juli bin ich mit Regina Heckert im BeFree Sommertreff in Tirol. Dort probieren wir neue Praktiken der Annäherung an uns selbst und andere aus, diesmal mit 1 m Abstand, so die Vorschrift in Österreich. Wenn näher, dann mit Mundschutz. Meines Wissens gibt es dort noch Plätze für Frauen.
• Silvio Wirth musste sein offline (ich nenne den Gegensatz zu online lieber »echt«) Open-Heart-Festival aus Corona-Gründen auf online verlegen. Dort bin ich am 4. Juli vormittags ab 11 h in einer Talkrunde zu sehen und nachmittags (voraussichtlich ab 16 h) in einer Vortrag/Workshop zum Thema »Tantra als Fenster zum Himmel«.
• Das Event Himmel auf Erden, vom 5. bis 7. Juli im Gästehaus Schwanenwerder am Berliner Wannsee musste wegen Corona abgesagt werden.
• Den ursprünglich für Anfang Mai geplanten Orgasmus-Workshop mit Stefanie Rinke und mir haben wir auf 7./8. November verschoben. Standort: Berlin-Schöneberg, Preis: 135 € / 160 €.
• Den nächsten Humorworkshop mit mir gibt es in der Academy of Stage Arts am WE 21.-23. August.
• Am WE 18.-20. September findet der Workshop Beziehungsweise – wie Beziehung gelingt in der Nature Community bei Schönsee in der Oberpfalz statt. Von Fr 20 h bis So 15 h. Für Singles kostet er 180-220 €, für Paare 300-400 € ,beides nach Selbsteinschätzung und zzgl.U/Verpfl.
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„Ich blieb und bleibe gerne zwischen den Stühlen sitzen“
Das war wohl schon immer so. Welche persönlichen Wurzeln hat es, Wolf?
Lieber Wolf,
Du hast doch viel von Johannes Galli gelernt. Bist Du noch mit ihm in Kontakt? Wenn nicht, dann könnte ich mir vorstellen, dass er sich freuen würde. Er lebt in Wiesbaden.
Herzlichen Gruß in die Ferne
Alf
Lieber Alf,
ich habe zur Zeit keinen Kontakt mit Johannes, aber er bloggt noch, sehe ich grad.
Mir scheint, er ist unsterblich 😇
Lesen kann er ja nicht mehr, hören schon noch. Wenn ich mal wieder in Wiesbaden bin, besuche ich ihn!
LG
Wolf
Hallo Gerhard, das Interdisziplinäre hat mich schon immer mehr interessiert als die Disziplinen, denn in den Zwischenräumen atmet die offene Weite, die Essenz des Zen. Mittlerweile fällt es mir sogar immer schwerer, mich von sprachlichen Äußerungen faszinieren zu lassen; lieber fühle ich, was da zwischen den Zeilen oder zwischen den gesprochenen Worten atmet. Manches davon war bei mir schon als Kind so. Z.B. dass ich Sehen immer als gepixselt erfahre, dazu habe ich schon als Fünfjähriger meinen Vater befragt – er war sinnesphysiologischer Forscher – er konnte mir dazu aber keine überzeugende Antwort geben. Denn dass die Netzhaut aus Stäbchen und… Weiterlesen »
Der „Bachelor of Being“ klingt wie manche Angebote in Dänemark, an den Folkehœjskolen, in denen man und frau sich nach der Schule zu verschiedenen Themen an guten Orten aufhalten kann (wenn ich das richtig verstanden habe, als ich vor 20 Jahren mal in Dänemark gelebt habe). Schöne Idee! Meine Kinder sind noch zu weit weg, aber ich werde versuchen, euch im Blick zu behalten und sie dann hinzuschicken.
Lieber Wolf; Ja, Corona (die Krone), die schlägt dem Fass den Boden raus. Ihre öffentlich-politische Dimension und die daraus folgenden Veränderungen unser aller Verhaltensformen, all das ist schon überraschend. Dabei brauch man gar nicht bis Hongkong der späten Sechziger zurückzugehen (damals hat uns was ganz anderes interessiert: Dutschke, Adorno, Marcuse – Vietnam-Krieg, etc). Erst kürzlich, im Frühjahr 2018, stellte das Bundesamt für Statistik ein paar Monate später (nun ja, um gute Statistik zu betreiben, braucht’s seine Zeit) fest (https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/sterbefallzahlen.html): hoppla, da sind uns ja im Februar/März 2018 an einer der (fast) jährlichen Grippe-Wellen ca 25 000 mehr gestorben als dem… Weiterlesen »
@ Dorothea, ja, die Folkejoejskole sind eines der Vorbilder für unseren „Bachelor of Being“. Sie haben den skandinavischen Ländern viel Gutes gebracht (s.a. das Buch „The Nordic Secret“). Sie brauchen aber ein Update. Sie müssen moderner, zeitgemäßer und transreligiös werden. Unser Projekt ist als Prototyp gedacht. Wenn es sich bewährt, darf es sich verbreitern wenn nicht, verbessern wir es.
Lieber Sugata, freue mich, von Dir wieder zu hören. Hoffentlich geht es Dir gut nach Deiner Krankheitsphase. Hier auf La Palma ist es zur Zeit eine einigermassen entspannte Situation. Ab Juli können die Leute, die bei mir wohnen nach verlängerten Aufenthalten durch Corona wieder zurückfliegen. Im Moment gibt es auch eine neue La Palma Nach Corona Gruppe mit Namen Paz y Amor (auf Whats Up) / La Palma que queremos para mañana. Da gibt es den Aufbau eines Vecinos Red _ NachbarschaftsNetwork und gemeinsame phantasievolle Aktionen wie Medi-ins, Beteiligung an Demos auf friedlich-kreative Weise etc. Tut ganz gut. Wobei mir… Weiterlesen »