Am 2. Dezember erschien in einigen deutschsprachigen Kinos der Film »Die Zähmung der Bäume« (im Original Taming the garden). Ein georgisch/deutsch/schweizerischer Dokumentarfilm von Salomé Jashi über den Transport einiger alter Bäume in Georgien auf das Grundstück des Superreichen Bidsina Iwanischwili, der 2012/13 für 13 Monate Premierminister des Landes war.
Die ungewohnt lange verweilenden Einstellungen der Kamera wirken meditativ, beruhigend, besinnlich. So sehr entfaltet dieser Film seine entspannende Magie, dass ich dabei fast eingeschlafen bin. Wer beim Zuschauen wach bleibt, den belohnt er mit Staunen, gut durchmischt mit einer gewissen Melancholie gegenüber unserer Zivilisation, die ihrem Ende entgegen zu gehen scheint. Leben wir in Absurdistan?
Der Film bietet keine redaktionellen Erklärungen, Zahlen oder Daten. Eingeblendet als Untertitel sind nur die übersetzten Dialoge der Menschen am Straßenrand und bei den mit dem Transport der Bäume verbundenen Bauarbeiten. Bis auf die Schlussszenen kommt der Film ohne Musik aus.
Die Protagonisten dieses Films sind riesige, alte Bäume. Bewundernswert in ihrem Alter, ihrer Fülle und Pracht, stehen sie anfangs dort, wo sie schon seit vielen Generationen stehen, vielleicht seit Jahrhunderten, gut verwurzelt an ihrem angestammten Platz.
Die Menschen in diesem Film werden überwiegend als Stereotype handwerklich tätiger Männer gezeigt. In Georgien, diesem im Umbruch befindlichen (wie so viele), ehemals sozialistischen, ursprünglich zutiefst christlichen Land.
Migranten
Um die Bäume für den Transport zuzubereiten, wird ihr Wurzelwerk mit großen Maschinen von unten erfasst. Unter immens hohem Aufwand von Technik und Geld werden sie dann von Menschen und Maschinen auf den Weg gebracht zu einem anderen Standort. Ziel ist, zunächst noch unsichtbar, der künstliche Garten eines Superreichen. Nun sind diese Bäume Migranten, bewegt von obszön viel Kapital, vertrieben aus ihrer Heimat. Die sie bewegenden Menschen nehmen das Geld an, das sie dabei verdienen, sie brauchen es. Einige sind entsetzt von den Zerstörungen, die dieser Transport verursacht, andere positiv beeindruckt von der Macht und Gewalt der durch Technik und Kapital ermöglichten Veränderungen.
Wozu all der Aufwand? Der Film erklärt das nicht. Er verweist auf den Sinn dieses Projektes nur indirekt, mittels Gesprächsfetzen von Einheimischen am Rande des Transportweges. Ein Oligarch lässt diese Bäume transportieren, ein ehemaliger Präsident des Landes, er will damit seine private Vllla schmücken.
Die stillen Bilder dieses Dokumentarfilms zeigen Erde und Steine und Bäume bewegende Maschinen wie Bagger, Raupen, Kräne und Schwerlasttransporter. Sie zeigen Mensch und Maschine, Techniken des 20. Jahrhunderts angewandt im 21. Jahrhundert.
Vom Garten des Superreichen, in dem die Bäume landen, gibt es erst zum Schluss ein paar Bilder. Dort stehen diese Baumriesen nun, frisch eingepflanzt und werden bewässert. Rasenbesprenkler bewässern die Migranten an ihrem neuen Aufenthaltsort, die Wasserfontänen glitzern im Sonnenlicht. Die gefühlvolle Einstellung der Kamera lässt sogar hier Schönheit empfinden – die Schönheit einer bizarren Welt, deren Tage gezählt sind.