Was mich zur Zeit am meisten fasziniert, ist der Blick auf die Welt, wie ihn Meriin Sheldrake in seinem Buch verwobenes Leben zeigt. Ich ziehe mir das Buch gerade in der Orginalfassung als Hörbuch rein. Die englischsprachige Wikipedia fasst den Inhalt und die Wirkung auf entangled life recht gut zusammen. 

Sheldrake schreibt in seinem Buch vor allem über Pilze und Flechten. Diese faszinierenden Organismen können selbst konventionell denkende Wissenschaftler nicht mehr als Einzelwesen begreifen. In Sheldrakes Buch erscheinen aber auch alle andern Organismen als Teil eines Gewebes, eines »web of life«, wie Joanna Macy es nennt. Auch wir Menschen sind Teile dieses Netzwerks des Lebens, alle lebendigen Strukturen sind es. Und nicht nur die, auch der Erdboden (the soil) ist Teil davon. Sogar Steine und Felsen sind Teil dieses Gewebes, den Flechten dienen sie als Nahrung und werden so zu organischer Materie, die Menschen und Tieren als Nahrung dient. 

»Gewebe« ist übrigens auch eine passable Übersetzung des Sanskrit-Wortes »Tantra«. Auch diese aus Indien stammende Philosophie und spirituelle Praxis versteht den Menschen als Teil des Netzwerks des Lebens. Unsere heutigen Weltsprachen hingegen beschreiben die Welt vorwiegend als Ansammlung einzelner Teile. Ein Baum, ein Mensch, ein Haus, das hier beginnt und hört dort auf. Ist das wirklich so? Obwohl doch die Wurzeln des Baumes sich mit der Erde verweben und mit den Pilzen in Symbiose leben, ohne die könnte der Baum nicht leben. Auch wir Menschen sind miteinander und mit der Erde verwobene Fließgleichgewichte. Unser Darm enthält mehr Kleinstlebewesen als unser Körper Zellen, und nicht nur der Darm ist ein Biotop. Auch über den Atem und unseren Stoffwechsel tauschen wir uns mit der uns umgebenden Materie aus. Ebenso ist das Geistige ein unaufhörlicher Austausch, und als Liebende verbinden wir uns miteinander und mit der Natur. Sheldrakes Buch ist wissenschaftlich valide und zugleich poetisch. Eine Hymne an die Natur und eine auch für Naturwissenschaftler plausible Erklärung der mystischen Welterfahrung. 

Hoffen – und was tun

Joanna Macy verfolgt eine ähnliches Linie. In Ihrem Buch Aktive Hope (die Neuausgabe von 2022) fordert sie ein »reconnecting with the web of live« zur Rettung von uns selbst, unserer Zivilisation und unserem gefährdeten Biotop Gaia. In diesem 10 min Video zeigt sie ihren Schmerz über die Naturzerstörung unserer Weltwirtschaft mit ihren für unvermeidlich gehaltenen Kriegen und der massenhaften Flucht ins Shopping (»Ich tu mir bei all dem Schrecklichen mal was Gutes«) oder miteinander Wetteiferns, Auch nach den zweiten Hören dieses Buchs (von ihr und Chris Johnstone) bin von ihr als Person, ihrer Analyse der aktuellen Situation und ihrer Methode ungebrochen begeistert. 

Als Drittes nach Sheldrake und Joanna Macy möchte ich nun noch einen Link zu aware geben, zu diesem genialen Film über das Rätsel des Bewusstseins. Bis 25.10. ist er noch in der ZDF-Mediathek abrufbar. Also am besten gleich ansehen oder vorsorglich runterladen. Nach dem 25. ist er für 3 € zu leihen, für 6 € zu kaufen. Hier als Vorgeschmack der 2 min Trailer.

Dominierende Narrativen

Hat eher der Mainstream Recht oder eher eine der Alternativen, und wenn ja welche? Das fragen sich heute mehr Menschen denn je. Denn der Zugang zu Alternativen zu den dominanten Narrativen ist über das Internet heute leichter denn je und so auch die Entscheidung, welcher der Möglichkeiten ich mich zuwenden will und entsprechend der Sog, in meiner komfortablen Echokammer zu bleiben, die ich gewohnt bin und in der ich Bestätigung erfahre. Das gilt für die Mainstreams ebenso wie für die Alternativen. 

Hier ein Beispiel, gefunden Ende September im Kraureporter, wie der westdeutsche Mainstream sich die Narrativen über die deutsche Wiedervereinigung, Ossis und Wessis angeeignet hat und sie bis heute kaum hinterfragt und korrigiert. 

Auch der Streit um das Buch Die vierte Gewalt – wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn sie keine ist, von Richard David Precht und Harald Welzer, etwa bei Markus Lanz (19 min) zeigt, wie viel Gegenwind Abweichler von der Mainstream-Linie bekommen. Obwohl Precht und Welzer noch auf sehr versöhnliche Weise abweichen, viel mehr z. B. Sahra Wagenknecht. Es gibt ja auch gute Gründe über Krieg, soziale Ungerechtigkeit und die sich immer noch verschlimmernde Naturzerstörung wütend zu werden.

1995 war die Lage nicht so viel anders. Wenn Journalisten und Politiker dem geltenden Mainstream genehm waren, wurden sie ignoriert oder befeindet. »Gorbi«, wie haben wir ihn doch geliebt! Wie schön die Nachrufe, die nach seinem Tod am 30.8. erschienen sind! Als Gorbatschow jedoch 1995, sechs Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges, in San Francisco eine Weltkonferenz leitete, besetzt mit Koryphänen aus aller Welt, mit dem Ziel eine »Zivilisation des 21. Jahrhunderts« zu entwerfen, die friedlicher und naturschützender sein sollte als das ausgehende 20. Jahrhundert, nahm kaum jemand davon Notz. Und auch nicht davon, dass hinter Gorbatschow eine Frau stand, die ihm erst die Kraft gab, seine politische Linie durchzuhalten. Stattdessen wurden Ronald Reagan und Helmut Kohl gefeiert, und der Weltkapitalismus unterwarf sich die zerfallende Sowjetunion.

Ändern sich die Narrative schnell genug?

Die aktuellen Narrative unserer Weltzivilisation kollabieren so schnell, dass manch ein Beobachter kaum mehr mitkommt. Gut, dass sie kollabieren, aber nicht alle sind zuversichtlich, dass sie schnell genug kollabieren. Was, wenn die Menschen, die sie erleiden müssen schneller kollabieren als die alten Narrative?

Immerhin haben sowohl die Pandemie wie der Ukrainekrieg die Reichen reicher und die Armen ärmer gemacht. Laut Welthungerindex ist die Anzahl der weitweit Hungernden inzwischen auf 830 Millionen angestiegen und sie steigt weiter. Ebenso die Anzahl der Flüchtenden, auch wenn man die auf ihrem Weg übers Mittelmehr Ertrinkenden von der Gesamtzahl abzieht.

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Dabei gibt es auch Positives zu vermerken. Die Monatszeitschrift Geo etwa sät in ihrer Novemberausgabe Zweifel an der Weltsicht derer, die sich auf der Seite der Fakten wähnen glauben sicher zu sein, was ein Fake ist. 

Das ist immerhin ein Anfang. Möge solche Skepsis sich weiter verbreiten und viral werden. Möge es noch mehr solche Bücher wie »Die vierte Gewalt« von Precht und Welzer und »Verwobenes Leben« von Merlin Sheldrake geben und zu Bestsellern werden und auf diese Weise zu Vorboten einer Bewusstseinswende.

Veranstaltungen mit mir

Am 22. Oktober begann unser zweites Winterretreat für 18-25 Jährige junge Erwachsene auf Orientierungsuche, der Bachelor of Being. Dort bin ich im pädagogischen Team der Meditationslehrer, ‚Elder‘ und ‚Hüter der Leichtigkeit‘ (das ist meine Übersetzung für ‚Humor‘). Als solcher sorge ich dafür, dass neben dem Know-How das Be-How nicht vernachlässigt wird. Eine TV-Gruppe des Hessischen Rundfunks (ARD) begleitet uns dabei über den Winter an voraussichtlich zehn Drehtagen. 

Zur Jahreswende bin ich wieder mal im Silvesterretreat des BeFree-Instituts auf Gut Frohberg – auch Tantra ist ein Weg, der bildet, orientiert, Frieden stiftet und unseren Natur- und Körperbezug stärkt.

Am 23. März 2023 beginnt in Markdorf am Bodensee das Jahrestraining Erwachsend in Beziehung, getragen von der Leitfrage »Wie können wir die Beziehungen zu uns selbst, unseren Mitmenschen und der Natur gestalten, in denen wir gemeinsam leben und wachsen?«. Dort leite ich innerhalb des Moduls »Ich, Du, Wir« (5.-8. Oktober) zwei Tage zum Thema humorvolle Beziehungsgestaltung. 

Am WE 21./.23. April gebe ich im Ökodorf Sieben Linden den Workshop: Liebe + Beziehung – Schluss mit lustig?. 

Solltest du weder an dem Jahrestraining »Erwachsend in Beziehung« noch an dem WE »Liebe + Beziehung – Schluss mit lustig?« teinehmen können, mein herzliches Beileid. Dann ist wirklich Schluss mit lustig, was deine Beziehungen anbelangt, fürchte ich. Und die umfassen, wie du längst weißt, ja: alles. Oder willst du auch dann noch nicht aufgeben? Dann besorg dir das Buch Sei dir selbst ein Witz. Sollte nicht einmal das helfen, bist du, so wie wahrscheinlich unsere ganze Zivilisation, vermutlich nur noch palliativ zu betreuen.