(Siddha träumt, von Anuvali Biskup. Acryl auf Leinwand, 100×140 cm)
Eine Woche lang hatten wir bei uns im Bachelor of Being das Thema »Spirituelle Ökologie« im Programm. An einem Tag war mein Lieblingsthema dran: Verbundenheit durch Selbstausdehnung, Ich leitete die Kontemplation mit mehr Worten an als sonst (ich schweige ja so gerne), und es breitete sich eine schöne Stimmung aus im Raum. Ein für Heutige vergleichsweise spirituell Unerfahrener unserer Teilnehmer berichtete danach seinem persönlichen Coach, er habe »Nirwana« erlebt. Nirwana? So nannte er es.
Nachdem er mit seinem Bedürfnis das Erlebte einzuordnen einen Tag später wieder bei mir gelandet war, immer noch völlig von den Socken, was das war, erklärte ich ihm, dass Religionswissenschaftler das als mystisches Erlebnis bezeichnen würden. Allverbundenheit könnte man es auch nennen. In Japan und unter kalifornischen Buddhisten würde man es vielleicht Satori nennen. Für ihn war es das Schönste, was er je erlebt hatte, es habe ihn komplett verwandelt. Wie solle er nur damit umgehen? Er könne ja kaum darüber sprechen, es sei so unsagbar. Ich freute mich über dieses Anfängerglück, verbunden mit der Hoffnung, dass er sich nun nicht den Stress des Suchens antun würde, was ein Finden verhindern kann. Aber ganz ohne suchende Ausrichtung auf das Ganze, alles Überschreitende, Unverfügbare, geht es eben auch nicht.
Verbindung und Verbundenheit
Warum sind Verbindung und Verbundenheit so wichtig? Thich Nhat Hanh nannte es Interbeing, auf Deutsch Intersein, so heißt das ihm gewidmete Zentrum im Bayerischen Wald, und so heißt eine Stiftung, die auch uns vom Bachelor of Being unterstützt. Am 25. Februar gibt es bei uns auf dem Kragenhof übrigens einen Tag der offenen Tür, auch dieser widmet sich dem Schaffen von Verbindungen – kommt, wenn ihr euch mit uns verbinden wollt!
Der geniale Publizist und Kontemplationslehrer Claus Eurich nennt seine Webseite Interbeing.de. Dort bloggt er fast täglich zu sehr diversen Themen.
Ist die Wahrnehmung von Verbundenheit ein Zeichen von Intelligenz? Ja, meine ich. So nennt Bobby Langer seine Webseite schlicht Ökoligenta und fordert dort eine sozial-ökologische Intelligenz, also soziale Verbundenheit und zugleich Verbundenheit mit der Natur.
Übrigens ist (auch) Sex eine körperliche und idealerweise sehr lustvolle Praxis von Verbundenheit. Jedenfalls gilt das für den Sex nicht nur mit sich selbst (vor dem Bildschirm oder allein). Ist Sex intelligent? Marty Klein nennt seinen sehr lesenswerten Blog (und auch sein Buch) Sexual Intelligence.
»Idioten« sind sozial abgetrennt
Was ist überhaupt Intelligenz? Der Idiot ist in unserem Sprachgebrauch der Gegenpol zum intelligenten Menschen. Ein Idiot ist jemand, der sich vom sozialen Leben abtrennt, schreibt die deutsche Wikipedia: »Das Wort leitet sich von altgriechisch Idiotes ab, das in etwa ‚Privatperson’ bedeutet. Es bezeichnete in der Polis Personen, die sich aus öffentlichen-politischen Angelegenheiten heraushielten und keine Ämter wahrnahmen, auch wenn dies ihnen möglich war.«
Und noch ein Wort zum Gutmenschentum und der alten ethischen Kluft zwischen Egoismus und Altruismus: Wir müssen nicht moralisch sein, um gut zu sein, es genügt intelligent zu sein, dann hebt sich der Unterschied zwischen egoistisch und altruistisch auf. Je intelligenter ein Lebewesen, je mehr es sich verbunden fühlt, umso altruistischer ist es – das gilt für Tiere und Pflanzen. Erst recht für Pilze, die uns diese Verbundenheit exemplarisch vorleben, wie Merlin Sheldrake dies in seinem »Verwobenes Leben« so überzeugend darlegt.
connection.de
Dass ich meinen Verlag schon 1985/86 Connection nannte und mir ein paar Jahre später die Webseite connection.de sicherte, empfinde ich heute noch als hellsichtig. Damals gab es ja das Internet noch nicht, das heute die Welt so innig miteinander verbindet, dass Separatismus heute wie Idiotie aussieht.
Alles Private ist politisch? Ja, aber deshalb nicht schon idiotisch, wie die »Kommune 1« glaubte. Das Spätwerk von Rainer Langhans, dem bekanntesten ihrer Kommunarden, habe ich kürzlich hier im Blog rezensiert.
It’s all about connection, sagt Brene Brown in ihrem TED-Talk. Die Angst not to belong, not to be connected, nicht dazuzugehören. Scham ist die Angst, falsch zu sein und deshalb von der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden, nicht verbunden zu sein mit der uns umgebenden Gemeinschaft oder Gesellschaft. Liebe zu sich selbst und der Mut sich als verletzlich zu zeigen sind der Weg in die andere Richtung, hin zur Connectedness, Zugehörigkeit, Verbundenheit, Liebe und Beheimatung.
Krieg trennt
Auch Krieg, der private Krieg ebenso wie der soziale und der nationale, beruht auf der Verortung des Ich oder Wir als getrennt vom Anderen. Dem man dann ein Feinbild verpasst, um mit Elan und Leidenschaft dagegen kämpfen zu können und sich dabei als moralisch richtig zu empfinden. Alle Kriege können dafür als Beispiele dienen. »Gute Kriege« gibt es nicht, wohl aber idealerweise gut ordnende und schützende Polizeitkräfte mit Gewaltmonopol. Das muss ich hier dazu sagen, um von den Bellizisten nicht in die allzeit bereit liegende Schublade des naiven Pazifisten gesteckt zu werden, der bei Angriffen »seine andere Wange hinhält« (mehr zur Bergpredigt ein andermal).
Auch der aktuelle Ukrainekrieg ist dafür ein Beispiel, deshalb habe ich soeben auf change.org das Manifest für den Frieden von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht unterzeichnet. Es gibt schon mehr als 200.000 Unterschriften dafür und eine Demo in Berlin ist für den 25. Februar angekündigt. Schätzungen gehen dahin, dass etwa die Hälfte der deutschen Bevölkerung gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine ist, die Mehrheit der tonangebenden Medien befürwortet diese Lieferungen leider noch.
Einst hatte ich gehofft, dass die Grünen, wenn sie mal an der Macht sind, für mehr grüne Politik sorgen würden – das ist nur minimal der Fall. Ich hatte außerdem gehofft, dass sie auch für mehr Frieden sorgen würden – nun ist eher das Gegenteil der Fall. Drittens hatte ich gehofft, dass mehr Frauen in der Politik, v.a. jüngere Frauen, den Pazifismus stärken würden, auch das ist offensichtlich nicht der Fall.
Trotz der aktuell zum Teil positiven Berichterstattung über das Manifest für den Frieden und die inzwischen deutlich kritischere Berichterstattung auch in den dominanten Medien über die zurückliegenden Pandemiemaßnahmen scheint mir mein Blogeintrag über das Schweigen der Medien nach wie vor als hoch relevant und im Wesentlichen gültig.
Wie groß ist die Gefahr eines dritten Weltkriegs wirklich? Die Wissenschaftler von der Weltuntergangsuhr – die Doomsday Clock des Bulletin of Atomic Scientists – jedenfalls haben diese nun auf 90 Sekunden vor Mitternacht gestellt. Das ist so nah an der Katastrophe wie noch nie, seit es diese Uhr gibt (1947). Nach dem von Gorbatschow initiierten Ende des Kalten Kriegs stand sie auf erfreuliche 17 Minuten vor Mitternacht. Die seitdem verpassten Chancen einer Entspannung liegen vor allem auf Seiten der NATO, die sich kontrafaktisch noch immer als Verteidigungsbündnis darstellt.
Genau? Keine Ahnung!
Habe ich das alles mit meinen Worten faktisch korrekt und präzise genug ausgedrückt?Die meisten von uns sind nur wenig sprachbewusst. Worte rutschen ihnen irgendwo so rein, bewusst gewählt wurden sie meistens nicht. Trotzdem sagen auch die reingerutschten Worte etwas aus. Beliebt ist die freudianische Interpretation solcher Worte als Signale aus dem Unterbewussten, Verdrängten. Die ist inzwischen so sehr zum Standard der üblichen Partygesellschafts-, Stammtisch- und Küchenpsychologie geworden, dass uns solche Ausrutscher oft ein bisschen peinlich sind, v.a. wenn sie von uns weniger wohl gesonnenen Menschen interpretiert werden.
Das zurzeit in Deutschland gemäß meiner eigenen Feldforschung in allen sozialen und Bildungsschichten am häufigsten verwendete Füllwort ist »genau«. Bei den jungen Leuten, mit denen wir im Bachelor of Being arbeiten, wechselt es sich sogar extrem häufig mit »keine Ahnung« ab, oft mehrmals hin und her schwankend in einem einzigen Redebeitrag.
Ist das ein Signal von unserem starken Wunsch nach Genauigkeit, dem dann aber der sokratische Teil in uns (»Ich weiß, dass ich nichts weiß«) widerspricht?
Vielleicht ist das ja so wie bei einer »furchtbar netten« Gastgeberin. Da weiß man dann nicht, ob sie furchtbar ist oder nett.
Leben in Absurdistan
Können wir mit diesem »Leben in Absurdistan« wenigstens inneren Frieden finden, in dem wir das Absurde als Koan verstehen? Wen auch dabei noch kein Heureka erfasst, der muss sich wohl mein Buch »Sei dir selbst ein Witz« besorgen. Amazon-Feinde – ach, das verstehe ich doch nur zu gut. Was Feindschaft generell anbelangt, siehe weiter oben. Wer jedoch dieser speziellen Feindschaft die Treue halten will, kann das Buch auch über mich bestellen, das Softcover für 16 €, als Hardcover für 23 €, jeweils + 3 € für den Versand.
Verbundenheit ist schön
Nach dem Lustigen zum Schluss noch was Schönes. Das sind die Bilder von Anuvali Biskup, von denen eines den Beginn dieses Blogeintrags schmückt. Sie sind in zum Teil monatelangen Prozessen der Selbstentdeckung entstanden, evolviert / emergiert / geboren aus dem Inneren der Künstlerin. Sie sind über diese Webseite käuflich zu erwerben. Du kannst aber auch bei Anuvali an einem Kurs teilnehmen, in dem du solche emergenten Bilder selbst zu malen lernst, als Dokumente deines eigenen inneren Entwicklungsprozesses.
Veranstaltungen mit mir
Die vergangenen zwei Monate hat der Hessische Rundfunk (TV) uns in unserem Bildungsprojekt des Bachelor of Being – wir kürzen es als BoB ab – begleitet und daraus fünf Kurzfilme gemacht, die in der Hessenschau vom 2. bis 6. Januar täglich zwischen 19.30 h und 20 h für ein paar Minuten gezeigt wurden. Später soll daraus ein 45 min Film werden.
Am 16. Januar hat RTL Hessen diesen 5-min-Beitrag über uns gesendet.
Am 25. Februar ist nicht nur die Friedensdemo in Berlin, sondern auch bei uns im BoB der Tag der offenen Tür. Da zeigen sich unsere 24 jungen Erwachsenen und wir ‚vom Team‘ auf dem Kragenhof bei Kassel mit unserem Projekt einer neuen Art von Bildung, wo wir nun im zweiten Durchgang sind, im ‚BoB 2‘.
Am 23. März 2023 beginnt in Markdorf am Bodensee das Jahrestraining Erwachsend in Beziehung, getragen von der Leitfrage »Wie können wir die Beziehungen zu uns selbst, unseren Mitmenschen und der Natur gestalten, in denen wir gemeinsam leben und wachsen?«. Dort leite ich innerhalb des Moduls »Ich, Du, Wir« (vom 5.-8. Oktober) zwei Tage zum Thema humorvolle Beziehungsgestaltung.
Am WE 21./.23. April gebe ich im Ökodorf Sieben Linden den Workshop: Liebe + Beziehung – Schluss mit lustig?.
Die Bilder sind von einer Innenwelt, prrrrr, schön ist für mich nicht das richtige Wort…
Ohne kontinuierliche Lieferung auch schwerer Waffen gäbe es die Ukraine bald nicht mehr. Das liegt auf der Hand und darauf haben all die Briefe- und Petitionen-Verfasser/innen keine Antwort. Der nächste Staat, den Putin sich einverleibt, wäre Moldau. Die Forderung nach Verhandlungen geht darüber hinweg, dass Putin eine „großrussische“ Utopie verfolgt, die er mehrfach klar formuliert hat: Er spricht der Ukraine eine eigene nationale Identität ab – was wäre da zu verhandeln? Auch wird über die Greueltaten der russischen Besatzer in den von ihnen beherrschten Gebieten gern hinweg gesehen! „Verhandeln heißt nicht kapitulieren. Verhandeln heißt, Kompromisse machen, auf beiden Seiten.“ steht… Weiterlesen »
@ Claudia, es ist völlig utopisch, dass Russland die Ukraine sich einverleiben könnte. Auch ohne schwere Waffen hat Russland ja Mühe, auch nur die abtrünnigen Regionen im Donezbecken zu halten, von der Einverleibung der Moldau ganz zu schweigen. Warum wird von den NATO-Mächten nicht einmal der VORSCHLAG eines Waffenstillstands gemacht? DAS ist grausam und gefühllos gegenüber den Opfern in der Ukraine (und Russland und rundum in der Welt, bei den vielen, die von diesem Krieg betroffen sind), und nicht die Verweigerung von Waffenlieferungen. Müssen wir ’normalen Bürger‘ hier wirklich zu Militärexperten werden, um uns auch nur für den Frieden aussprechen… Weiterlesen »
@Wolf: zur Zeit – der Meinung bin ich nach wie vor – würde ein Waffenstillstand von keiner der beiden Seiten angenommen. Würde „der Westen“ das jetzt verlangen, wäre das eine Brüskierung der Ukraine, schließlich befinden sich die Russen auf deren Staatsgebiet, ihr „Gewinn“ würde also erst einmal so hingenommen.
Zu den aktuellen Chancen von Verhandlungen unter diesen Bedingungen empfehle ich das Interview mit Claudia Major: „Raus aus der Kuschelecke“. So wünsche ich mir Beiträge zur Debatte: sachlich argumentierend und ohne herab würdigende Anwürfe wie „Friedensschwurbler“.
@ Claudia, ich bin nach wie vor der Meinung, dass erstmal das Schlachten aufhören muss, auch wenn dabei durch einen Waffenstillstand ein vermeintlicher Gewinn (es wäre ja kein echter Gewinn) für den Angreifer entstehen würde. Andernfalls müssten ‚wir‘ doch auch die Uiguren und die Tibeter bewaffnen, weil die Großmacht China sie widerrechtlich annektiert hat. Ich meine, dass die Uiguren und die Tibeter von uns auf andere Weise unterstützt werden sollten, nicht durch Waffen. Auch ein mildernder Einfluss auf China könnte helfen, ebenso auf Russland. In beiden Ländern gibt es ja nicht nur Falken. Aggression durch Aggression zu beantworten ist nicht… Weiterlesen »