Das erste Fünftel des 21. Jahrhunderts ist rum, und den meisten von uns ist klarer denn je, dass wir einen Systemwechsel brauchen. Individuelle Entscheidungen im Konsum und bei den politischen Abstimmungen sind kaum mehr als ein neue Farbe auf dem SUV oder ein neues Muster auf den Kravatten der regierenden Männer. Stattdessen brauchen wir ein anderes Finanz- und Wirtschaftssystem, verbunden mit einem neuen Bewusstsein, das zu einer neuen Ethik führt, die uns anders handeln lässt. 

Das betrifft zum Beispiel auch die Mode-Industrie. Die produziert mehr Treibhausgase als der weltweite Flugverkehr und die Schifffahrt zusammen, und das meiste davon brauchen wir gar nicht. Bei 60-70 Kleidungsstücken, die ein Europäer durchschnittlich pro Jahr kauft, kann es nicht sein, dass wir das wirklich »brauchen«. Die 26-jährige Zippora Martin aus Luzern hat es probiert: Sie trug ein Jahr lang nur ein einziges Kleidungsstück und sah immer schick aus, kaum jemand fiel es auf, dass sie immer dasselbe trug. Nun kreiert sie ihr eigenes, fair handelndes und umweltverträgliches Modelabel. 

Sollten wir vielleicht erstmal bei unserem Klamottenkonsum anfangen, ehe wir einander das Autofahren und Fliegen vermiesen? Ich selbst trage seit mehr als zehn Jahren nur geschenkte Kleidungsstücke und solche aus Second-Hand-Läden und fühle mich sehr wohl damit. Ausnahme: Unterwäsche und Socken. T-Shirts aus Bangladesh? Nein danke. Minimalismus tut in vieler Hinsicht gut – dem, der es tut und der sozialen und natürlichen Umwelt. 

Vielleicht gibt es neben dem am Waffenhandel verdienenden militärisch-industriellen Komplex und dem pharmazeutisch-medizinisch-landwirtschaftlichen und Nahrungsmittel-Komplex auch noch einen Fast-Fashion Komplex? Mit irgendwas muss man doch sein Geld verdienen …

Nein. Wir brauchen ein anderes System, und das erreichen wir nicht durch ein bisschen Besserung bei unserem Konsumverhalten und auch nicht durch weitere solche Konferenzen wie die eben zu Ende gegangene Klimakonferenz in Madrid. Der Historiker Yuval Noah Harari fordert einen solchen Systemwechsel in seinen Büchern seit Jahren, ein Schlüssel dabei ist die Überwindung des Nationalismus. 

Politik, Ethik, Ökologie

Neben der Tobin-Steuer ist auch eine Besteuerung der Reichen auf jeden Fall mal eine gute Idee. Schon bei ein bisschen mehr Steuer für die Reichen (bisher bezahlen sie weniger als der Durchschnitt) wäre alle Bildung gratis.

Immer weniger haben noch die Nazis und den Zweiten Weltkrieg voll erlebt und können sich gut daran erinnern. Die Mutter der Tantra-Lehrerin Regina Heckert ist eine von ihnen. Sie beschreibt in ihren Büchern, wie sie auf einem kleinen pfälzischen Dorf als Kind diese unselige Zeit erfahren hat. Das zweite dieser Bücher ist soeben erschienen. Ich habe dabei als Lektor mitgewirkt und bei ihren Erzählungen immer wieder weinen müssen.

Auch das Internet verbraucht viel Energie, vor allem beim Streamen von Musik, Podcasts und Filmen. Eine positive Folge davon könnte sein, dass mit ein bisschen mehr Öko-Bewusstsein – schaffen wir das? – das Lesen von Texten wieder schick wird. Denn um einen Text zu verstehen, braucht man keinen Talking Head mit einer den Verstand so bezaubernden Stimme, dass man danach gleich mit »Jawoll, endlich sagt’s mal einer« angefixt ist.

Mehr Demokratie wagen durch das Internet! Gute Idee, meint Rainer Langhans. Von der SPD aber erwartet das auch der Rainer nicht mehr. Dann eben ohne SPD, sagen wir, denn ein besseres Ernten von Schwarmintelligenz ist dringend notwendig.

Wenn ich die Welt ändern könnte, würde ich mehr Sprachbewusstsein schaffen wollen. Damit z.B. auf Begriffe wie Authentizität (hui) und Korruption (pfui) nicht mehr so viele so leicht reinfallen. Wie das? »Ich bin authentisch« ist doch nur Heuchelei auf hohem Niveau, weil du kein tieferes Selbst in dir kennst, als das, was du gerade für authentisch hältst. Und wenn du »Igitt, wie korrupt!« sagst, zeigst du damit, dass du Vernetzung und Verfilzung noch nicht unterscheiden kannst. Außerdem würde ich die Justiz von Grund auf reformieren, denn zur Zeit belohnt sie nicht die Guten, sondern die Reichen und die Schlauen. Und den aktuellen Demokratismus würde ich, wie schon gesagt, durch ein kluges Ernten von Schwarmintelligenz per Internet ersetzen wollen.

Hier mal ein Beispiel, wie ich mit Sprache umgehe. Vor ein paar Tagen habe ich als Weihnachtsgruß das Lied Stay strong, keep your faith alive, von David Newman zugeschickt bekommen, in dem auch der phänomenale Kirtan-Sänger Krishna Das mitsingt. Es gefällt mir und »berührt mein Herz«. David Newman ist Yoga-Lehrer und Bhakti-Sänger, geboren in Philadelphia (USA), sein spiritueller Name ist »Durga Das« (Diener der Göttin Durga). Das Lied ist hochemotional ergreifend, vom Text her (den »Lyrics«) erinnert es mich jedoch daran, dass Glaube (hier: »faith«) und Standfestigkeit (»stay strong«) nicht immer gute Ergebnisse bringen. Newmans Lied beginnt mit »Stay strong, keep your faith alive« und wiederholt diese Zeile dann mantraartig. Auch die Jihadisten bemühen sich um Standfestigkeit und darum, auch bei starkem Gegenwind in ihrem Glauben standfest zu bleiben. Dieses Lied zeigt süße Hingabe an das Göttliche in der Form einer spirituellen, sich als rein darstellenden Liebe – gut so. Es zeigt sie allerdings bei Abwesenheit einer aufgeklärten Vernunft, die mir bei der Unterscheidung zwischen einerseits z.B. Jihadismus und Faschismus, andererseits Bhakti, Metta und Agape als unentbehrlich erscheint.

Wissenschaft und Bewusstsein

Mit Achtsamkeitsmeditation wirken Pilze noch besser. Das finde ich auch.

Zum Thema Wissenschaft und Wahrheit lässt sich natürlich noch viel mehr sagen. Entsetzlich viele Menschen haben auch heute noch keinen klaren Bezug zum Vorgehen der Wissenschaft, zu ihren Fehlern und Vorzügen. Vor allem in den spirituellen Szenen wird (z.B. von Karl Renz) zwischen Lüge und Irrtum kaum unterschieden, obwohl das doch noch ziemlich leicht ist: Eine Lüge ist die Weitergabe einer Falschaussage im Wissen, dass es eine Falschaussage ist; im typischen Fall wird dabei bewusst die Schädigung eines anderen (Menschen) in Kauf genommen oder sogar beabsichtigt. Ein Irrtum ist zum Beispiel die Überzeugung, dass das Christkind die Weihnachtsgeschenke bringt. Ist doch nicht so schwer, oder? Es ist eben nicht alles einfach »Maya«; damit macht man es sich zu leicht. Der altindische Begriff »Maya« ins Moderne übersetzt besagt nicht viel mehr, als dass das Wahrgenommene eben (bloß) Wahrgenommenes ist. Wir Wahrnehmenden bleiben immer Subjekt unserer Wahrnehmung, wie sehr wir uns auch um Objektivität bemühen.

Persönliches

Seit ein paar Monaten coache ich (minimal und quasi ehrenamtlich) die Nature Community. Bei allem, was bei solch einem Projekt auch schief gehen kann, sind sie auf einem guten Weg, finde ich, und ich darf das als Coach dort aus nächster Nähe erleben. 

Wenn ich gefragt werde, worum es mir eigentlich geht, bei allem, was ich so tue – Danke! Gute Frage! – sage ich manchmal: Ich lehre das Spiel mit der Identität. Das macht das Irdische mit dem Himmlischen vereinbar und das Ego mit der Transpersonalität. Sich auf nur eine Seite zu schlagen, etwa mit »Ich bin spirituell« oder »Ich bin profan, säkular, diesseitig« bringt nichts, es schafft nur weitere Klüfte und weiteres Leiden. Mein Konzept ist das transparente, verwobene Ich als ein Unikat im Gewebe des Ganzen. Das Ich ist die Basis von Beziehung, Kultur und Geist.

Und noch was Persönliches, weil ja auch ich mit dieser, das Yoga ergänzenden Bewegung seit mehr als 40 Jahren innig verbunden bin. Durch den indischen Mystiker Osho wurde das altindische Tantra seit den 70er Jahren in neuer Form in die westliche Welt gebracht. Osho hat Deutschland jedoch nie betreten und auch sonst hat kein Land in Mitteleuropa ihn akzeptiert. Vor allem zwei Personen waren es, die bei uns vor Ort diese wachsenden Bewegung der »Heiligen Sexualität« angestoßen haben: die Französin Margot Anand und der Deutsche Andro. Vorigen Sonntag ist Andro in Brasilien gestorben. In Anlehnung an das Hallelujah von Leonard Cohen hat Chono vom Wild Life Tantra Andro ein Lied gewidmet. Und auch die von Andro gegründete Antinous Gemeinschaft in Berlin hat ihm einen Nachruf geschenkt.

Musik

Das Musikprojekt »Playing for Change« realisiert die menschliche Verbundenheit (we are connected) auf phänomenal überzeugende Weise und weltweit, hier zum Beispiel mit Stand by me. 

Lachen

Lachen ist nicht nur gesund und vertreibt Depression und Pessimismus, wie in diesen beiden Kurzfilmen Bodhisattva in the Metro und Paris dancing zu sehen und zu hören ist, es enthält auch die Möglichkeit zu Einsichten.

Veranstaltungen mit mir 

• Das BeFree Silvester-Retreat auf Gut Frohberg. 

• Auch dieses Jahr gebe ich wieder ein paar Tages-Workshops auf La Palma, wo ich überwintere. Und meine Workshops sind auch weiterhin nicht für Menschen, die per Flugzeug anreisen. Das gilt für auch für Mitteleuropa. Auf La Palma also nur für Menschen, die bereits auf der Insel sind oder per Segelschiff anreisen.

• Das BeFree Oster-Retreat auf Gut Frohberg, der Beginn des BeFree-Jahrestrainings mit Regina Heckert.

• In allen BeFree-Retreats leite ich die Morgenworkshops zu Thema »Ekstatisch leben« und immer mal wieder auch Kuss-Rituale an.

• Himmel auf Erden, am 5.-7. Juli im Gästehaus Schwanenwerder am Berliner Wannsee. Dieses Event, bei dem ich eigentlich hätte dabei sein sollen und wollen, versucht auf intelligente, irdische Weise das Nonduale zu zelebrieren. Mehr dazu in einem der nächsten Rundbriefe.

• Einen WE-Humorworkshop mit mir gibt es nächsten Sommer in der Academy of Stage Arts am WE 21.-23. August. Das ist vorerst der einzige fest eingeplante Humorworkshop mit mir im Jahr 2020. Ob es am 9./10. Mai in der Nature Community nochmal einen Workshop »Beziehungstheater« gibt, ist noch in der Schwebe, aber ihr könnt ja zuhause schon mal üben. 

Stay connected!