Liebe Freunde,

immer noch sind die Medien voller Berichte von Gewalttaten, den IS, Donald Trump und den Rechtspopulismus in Europa. Manchmal denke ich dabei, dass diese Ereignisse, ebenso wie die Art der Berichterstattung über sie, die Strafe dafür ist, das Thema Religion so lange ignoriert zu haben. Und auch die Themen Autorität und Sex, Geld, Macht und Tod. Also alles das, womit sich mein Verlag 30 Jahre lang intensiv beschäftigt hat, damit aber keine sonderlich große Öffentlichkeit erreichen konnte. 

Zuhören und zusehen

Was tun? Eine Idee hierzu ist, meine Kernaussagen zu den Themen Autorität, Gewalt, Sex, Ego, Transzendenz, Religion, Bewusstsein und noch ein paar andere in 8-Minuten-Filmen festzuhalten. Nikolai Schulz Memoro wird dazu am 23. 8. ein paar Aufnahmen von mir machen. Die will ich dann auch hier auf connection.de einstellen, und auch auf Facebook.

So viele Leute hören heutzutage lieber, als dass sie lesen, und wenn sie den Sprecher dabei auch noch sehen können, ist ihnen das noch lieber. Gesprochene Worte faszinieren mehr als geschriebene Texte, und noch faszinierender ist das Anschauen gefilmter Worte. Denn daher kommen wir: vom Sprechen und einander Zuhören und einander Sehen beim Zuhören. Bis ‚vor Kurzem‘ (vor 5.000 Jahren) gab es noch keine Schrift, und erst seit ein paar Jahrzehnten kann mehr als die Hälfte der Menscheit lesen. Ich mag die Abstraktheit des geschriebenen Wortes. Den meisten Menschen geht es anders: Sie wollen sich von Sprache nicht befreien, sondern liebe fesseln lassen: Wenn ein literarisches Werk (eine Erzählung, ein Roman) fesselnd ist, das ist immer noch das höchste, was man darüber sagen kann.

Fotografieren

Dieser Tage las ich auf spektrum.de, dass Menschen, die im Urlaub fotografieren, den Urlaub als glücklicher erleben als diejenigen, die dabei auf Schnappschüsse verzichteten, um ‚ganz da zu sein‘. Das überraschte die Forscher, die das per Vergleichsstudie erforscht hatten, sie hatten das nicht erwartet. Und sogar das: Wer im Urlaub fotografiert, bekommt von dem Geschehen auch noch mehr mit, wohl deshalb, weil das Fotografieren beim Fokussieren hilft. Nicht nur Verschmelzung von Subjekt und Objekt, das Paradies des Mystikers, sondern auch Objektivierung kann bei der Bewusstwerdung helfen. Selbstvergessenheit ist ja im Normalfall noch nicht der ersehnte Zustand der egolosen, mystischen Hingabe.

Das ist Wasser auf die Mühlen meiner Kritik am nun schon gut vierzig Jahre alten Hier-und-jetzt-Hype (Be here now von Ram Dass erschien 1971). Diesen Hype kenne ich auch aus meinem eigenen Leben recht gut: Nicht einmal von meinem Sannyas-Darshan im Juli 1977 bei Skandalguru Osho wollte ich ein Foto haben. Das Mitnehmen eines Fotos als Erinnerung erschien mir als spirituelles Sakrileg, und auch sonst auf meinen Asienreisen verschmähte ich Fotos, um ’nichts festzuhalten‘.

Angstfrei da sein

Heute ist es so, dass ich mit immer tieferem Einsinken in die ewige Gegenwart immer mehr das Gefühl bekomme: Es geht nichts verloren! Alles, was ich je erlebt habe, ist noch immer da, und alles, was ich je erleben werde, ist jetzt schon im Keim vorhanden. Nichts geht verloren, und nichts ist völlig neu. Womit das Auf-den-Tod-zugehen, das wir ja alle erleben, einen anderen Charakter bekommt: Es wird zu einem angstfreien Dasein. Die vom Zen inspirierten Haikus Japans, die sich geradezu obsessiv mit der Vergänglichkeit beschäftigen, mit der Melancholie des Vergehenden, das man nicht festhalten kann, sie bekommen damit einen neuen Sinn. Lyrik, nicht nur in Japan, ist zum großen Teil ein Schwelgen in Erinnerungen.

Wilde Jungs

Während ich dies schreibe, toben zwei Jungs um mich herum. Mit ihnen war ich gestern im Freibad: Valentin, mein sechsjähriger Sohn, der diese Woche bei mir ist, und Zain, der neunjährige Junge aus Syrien, der inzwischen recht gut Deutsch spricht, er hat jetzt gerade Ferien und kommt im September in die dritte Klasse Grundschule. Sie kennen sich erst seit Montagabend und sind inzwischen dicke Freunde geworden. Ich fühle mich dieser Tage manchmal wie ein alleinerziehender Papa von zwei bis drei wilden Jungs – Zains Tante ist hier, aber nicht seine Eltern; der dritte in der Gang ist der dreijährige Amir –, und übe, dabei das stille Zentrum im Sturm dieses chaotischen Geschehens zu sein. Erstaunlich, wie leicht diese Jungs aus der afghanisch-persischen, arabischen und deutschen Kultur zueinander finden, trotz der Altersunterschiede (3, 6, 9). Mit drei deutschen Jungs ist es kaum leichter. Multikulti ist eben doch ganz einfach, wenn man bereit ist, mit einem Bein im Transkulturellen zu stehen. 

Der dreijährige Amir probiert meinen Rasierapparat aus

Der dreijährige Amir probiert meinen Rasierapparat aus

Zeitweise ist es auch wieder ganz ruhig hier: Als der dreijährige Amir aus Afghanistan mich beim morgendlichen Rasieren sah, wollte er das auch gleich bei sich selbst probieren.

Multikulti – mit und ohne Romantik

Ein naiver Romantiker des Multikulti, wie ich es vielleicht noch als 17- und 18-Jähriger auf meinen Weltreisen war, bin ich schon lange nicht mehr. Auch heute fasziniert mich das Fremde immer noch, aber ich weiß auch, wie wichtig die Pflege des Ähnlichen und Selben ist. Meine ausländischen Mitbewohner haben nun, nach einem guten halben Jahr in unserem Land und meinem Haus die Phase der Anfangseuphorie und der Anfangsschwierigkeiten hinter sich und sind ernüchtert in der deutschen Wirklichkeit angekommen. So ähnlich geht es vielleicht auch vielen derer, die in den deutschen Behörden mit den Flüchtlingen zu tun haben und vielen der ehrenamtlichen Helfer, deren außerordentlicher Einsatz sie anfangs noch auf so spektakulär positive Weise aus ihrer Komfortzone gerissen hatte, diese viel besungene »Willkommenskultur«. Nun aber ist der Alltag eingekehrt. Bei den Flüchtlingen werden mehr der mitgebrachten psychischen Wunden sichtbar, während die Deutschen landesgemäß Unpünktlichkeit und mangelnden Sprachlerneifer kritisieren und bei den Zugereisten immer öfter ein Gespür für Fairness im Tausch vermissen: Ich helfe dir beim Sprachenlernen, hilfst du mir dafür im Garten? 

Treffpunkte, Feste, Humor

Nochmal zur Erinnerung: Vom 10. bis 14. August bin ich auf dem Heartbeat-Festival auf Schloss Buchenau am Nordrand der Rhön und gebe dort einen Humorworkshop und einen (»Höhenflüge und Landungen«) über Beziehungen und den Nestbau im Niemandsland.

Am WE 3./4. September bin ich auf Entheo-Konferenz in Berlin. Dort gebe ich einen Kurzvortrag über die Gestaltung von Realität in unseren Gehirn & Verstand (brain & mind) und moderiere einige der Veranstaltungen. 

Vom 28. September bis 3. Oktober bin ich auf dem Herbstfestival des BeFree Instituts auf Gut Frohberg bei Dresden, wo ich für ein paar Stunden die wilden Männer anleite und außerdem, zusammen mit Jane Seifert, einen Sketch über den G-Punkt vorbereite. 

Und es gibt zwei Humorworkshops: Am 16. Oktober in München im Ya Wali (Sufi)Zentrum in Haimhausen ein Tagesworkshop von 10 bis 17 h zum Thema »Das Komische an der Tragik« (80 €), und im Connectionhaus vom 28. bis 30. Oktober den Kurs »Sei dir selbst ein Witz« (160 €). Hierzu gut lesbar auch mein Blogeintrag über Radikalen Humor