Liebe Freunde,

es geht ein Jahr zu Ende, das für viele von uns große Veränderungen gebracht hat. Für mich war die wichtigste Veränderung im vergangenen Jahr das Ende meiner 30-jährigen Tätigkeit als Verleger und Herausgeber von Connection und das Eintauchen in eine Übergangszeit, die noch nicht zu Ende ist. 

Ich schreibe nun eher mehr als vorher, das hatte ich mir so gewünscht. Meine Texte für Spuren, Ursache&Wirkung, und Buddhismus aktuell habe ich abgegeben. Der Dez-»Klartext« für die Osho Times ist schon erschienen, der Text in der Winterausgabe von Spuren auch, schrieb mir Martin Frischknecht (der gerade in Thailand ist) soeben. Für KGS Berlin schreibe ich seit vier Jahren regelmäßig elf Mal im Jahr, diesmal ist parallel dazu auch in der Januarausgabe der Berliner Zeitschrift Sein etwas von mir drin. 

Ein bei mir bestellter Text für eine spirituelle Szene-Zeitschrift wurde abgelehnt, ich habe ihn dann in mein Blog gesetzt (»Autor auf Heldenreise«). Nach der anfänglichen Irritation über die Ablehnung wundert es mich jetzt eher, dass das bisher noch nie passiert ist (Oder doch? Hab nichts dergleichen in meinen grauen Zellen abrufbar), denn meine Texte schmeicheln dem spirituellen Ego ja keineswegs. Jedenfalls werde ich mich weiterhin als transspirituell verorten. Am liebsten drücke ich mich sogar völlig ohne spirituelles Vokabular aus. 

Mysticism & Science

In der Hinsicht beschäftigt mich aktuell etwas, das ich gerade mit dem in Bayreuth tätigen Wissenschaftler Prof. Hartmut Frank bespreche: eine Zeitschrift über »Mysticism & Science« auf Englisch. Hartmut ist seit vielen Jahren für den britischen Verlag Taylor&Francis als Herausgeber einer toxikologischen Zeitschrift tätig. Sein Verlag hatte schon vor Jahren angefragt, aber damals war ich noch durch Connection gebunden. Jetzt müsste es möglich sein. Es würde mich sehr reizen, eine Zeitschrift redaktionell zu verantworten, die (endlich) voll wissenschaftlich sein darf – eine religionswissenschaftliche, empirische Untersuchung der Mystik –, und die zugleich Berichte über und Texte von zeitgenössischen Mystikern bringt. Damit die Zeitschrift überall auf der Welt lesbar ist, soll sie auf Englisch erscheinen – zumindest die Wissenschaftler verstehen ja fast überall Englisch. Damit würde ich an mein Studium der Wissenschafttheorie von 1971 bis 1975 anknüpfen können, dessen Grundlagen mich auch als Mystiker immer begleitet haben. Zwischen dem, was ich als Mystiker erfahre und einem strengen wissenschaftlichen Vorgehen (»Glaube nichts, untersuche, was der Fall ist«) habe ich nie einen fundamentalen Widerspruch empfunden. 

Religionen als »UNESCO Kulturerbe«

Die religiöse Diversität der Welt sollte als »UNESCO Kulturerbe« erhalten werden, meine ich, aus ähnlichen Gründen wie die Biodiversität. Möge sie kultiviert, aber in ihren Grundbehauptungen nicht ernster genommen werden als die Traditionen, die man heute als Folklore bezeichnet. Dann wird es im »Heiligen Land« keine Kriege mehr geben, keinen religiösen Fanatismus und Fundamentalismus, der Rechthaberei in Weltanschauungsfragen wäre wenigstens schon mal die andersweltliche Legitimation entzogen. Dazu könnte eine solche Zeitschrift beitragen, immerhin in der kleinen Zielgruppe der Religionswissenschaftler, vielleicht auch unter Theologen. Wir dürfen ja weiter meditieren, beten, Andersweltreisen unternehmen und Trancetänze aufführen, dagegen gibt es nichts zu sagen – im Gegenteil, es gibt einiges, das dafür spricht – aber die Rechthaberei würde aufhören, der Absolutheitsanspruch der Fundamentalisten und der Missionseifer bei der Bekehrung der jeweils Andersgläubigen.

Der Durchschnitt des Wahnsinns

Um die aktuelle politische Situation besser ertragen zu können, schicke ich euch hier ein Bild von meinem Freund und Mitautoren Matthias Mala, der viele Jahre lang auch für Connection schrieb. Vor ein paar Tagen hat er dieses Bild in seinem Weihnachtsgruß herumgeschickt. Seine Aussage »Das Normale ist nur der Durchschnitt des Wahnsinns« erinnert mich auch an das Buch von Manfred Lütz »Irre – wir behandeln die Falschen. Unser Problem sind die Normalen«, von 2009. Mit diesem Blick aufs Ganze lassen sich Gesellschaft und Politik leichter ertragen. 

Wer meine Tätigkeit der vergangenen Jahre verfolgt hat, weiß, dass ich mit »Narr sein« nicht »durchgeknallt« meine, sondern eher sowas im Sinn habe wie den Hofnarren von einst oder den Narren des Tarot. Ungefähr so oft, wie ich angesichts der politischen Situation lache, muss ich weinen. Das kann man als Stärke sehen oder als Schwäche, beides finde ich legitim. Manchmal möchte ich härter sein können als ich es bin. 

Mit Flüchtlingen wohnen

In ein paar Tagen werden im Connectionhaus Flüchtlinge einziehen, ich bin gespannt wie das wird. Bisher wissen wir (Inge, Peter und ich) noch nicht einmal, ob es Syrer sein werden, Afghanen oder wer sonst. Mit ihnen wollen wir aus dem Connectionhaus eine Stätte der »transkulturellen Begegnung« machen. Zunächst mal werden wir das Treppenhaus miteinander teilen und den Eingangsbereich. Wir haben aber auch noch zwei Veranstaltungsräume im Haus und die Räume, die früher mal die Dorfwirtschaft darstellen, mit einer riesengroßen Küche, gut geeignet für Kochkurse, und einen Gastraum mit Kachelofen. Da lässt sich was draus machen. Unser Traum wäre ein »Kulturcafé« mit Veranstaltungen, in denen die diversen Kulturen sich zeigen und einander verständlich machen können, auf eine Weise, dass dabei das Transkulturelle durchscheint, unser Menschsein jenseits der Akkulturierung. 

Diesseits und Jenseits

Egal, was man dazu meint, wer »sie uns geschickt hat«, diese Flüchtlinge, und mit welchen Motiven: Wir können diese Konfrontation mit anderen Kulturen nutzen, um zu verstehen wer wir jenseits unserer kulturellen Konditionierung sind. Womit wir wieder bei dem wären, was Transzendenz eigentlich will – oder hab ich da was missverstanden? Transzendenz ist für mich nicht das Gegenteil von Immanenz, dem Diesseitigen, sondern das, was unser Dasein jenseits der uns definierenden Geschichten, Sprachen, Begriffe und Gewohnheiten ausmacht. »Diesseits« verstehe ich als die Welten die wir uns jeweils gemäß den aktuellen Weltbilder unserer Akkulturierung angeeignet haben. »Jenseits« wäre dann das, was allen Weltbildern gemeinsam ist, der Hintergrund dieser Weltbilder. Auch wenn es in »voraufklärerischen« philosophischen Wörterbüchern anders steht. 

Crowdsourcing

Zum Schluss noch eine Frage: Bisher erschien dieser Rundbrief monatlich. Zwischendurch habe ich (seit November) alle paar Tage einen Eintrag in meinem Blog auf connection.de gemacht. Ich überlege gerade, nächstes Jahr die Blogeinträge eventuell im Rhythmus von einmal pro Woche zu machen und im Newsletter dann jeweils auf den neuen Eintrag zu verweisen. Wäre einmal pro Woche zu viel? Vielleicht schaut ihr lieber immer dann ins Blog, wann ihr Lust und Zeit dazu habt, auch wegen der Texte von Marianne, Torsten und Barbara. 

Und zur Finanzierung: Dieser Rundbrief soll weiterhin ohne Paywall bleiben. Durch die bisher an mich eingegangenen Spenden ist das inzwischen schon ungefähr zur Hälfte erreicht – danke dafür!!! Damit er auch in Zukunft kostenlos bleiben kann, sind Spenden auf mein Konto (Wolf Schneider, IBAN: DE72743914000000326550) genau das, was mich das Projekt gut gelaunt fortsetzen lässt.

Mit herzlichem Gruß

Wolf Sugata Schneider

schneider@connection.de