Heute ist der erste Tag vom Rest meines Lebens – wie oft habe ich das gesagt, zu mir selbst und zu anderen – und es ist ja wahr, so wahr wie die Aussage, dass immer nur jetzt ist. Die einzige Zeit, die je existiert hat, ist die Gegenwart.
Und doch gibt es Zeitpunkte im Leben, die anders sind als die gewöhnlichen. Mit dem. 1. November 2015 ist meine über 30 Jahre währende Zeit als Verleger zu Ende. Den Connection Verlag gibt es nun nicht mehr. Die Zeitschriften, die ich als Verleger veröffentlicht habe, sind noch immer bestellbar, so weit sie noch auf Lager sind, aber es kommen keine neuen mehr hinzu. Der Verlag ist mit Ende Oktober aufgelöst, und die restlichen Lagerbestände sind nun zu Freunden von mir (Alex Beckmann und Carol Chiffelle) nach Rossdorf bei Darmstadt transportiert worden, sie werden jetzt von dort ausgeliefert – in Deutschland nun übrigens versandkostenfrei.
Inneres Sabbatical
Und ich? Werde weiter publizieren. Als ich ahnte, dass ich den Verlag beenden muss, habe ich mir eine Auszeit gewünscht, eine Art Sabbatical, bevor ich was Neues anfange. Da ich mir das wirtschaftlich nicht leisten kann, hab ich dieses Bedürnis anders erfüllen müssen. Ich bin schon im Zugehen auf dieses Ende (to die before you die) innerlich soweit gest … äh, mich meine: in die Stille gegangen. Beziehungsweise habe das in all dem Tumult der Veränderungen versucht. Doch, irgendwie ging es. Ich fühle mich zwar immer noch erschöpft, auch etwas überarbeitet, aber guten Mutes und aus einer Art innerem Sabbatical oder Retreat heraus handelnd.
»Nur Menschen«
Hinzu kommt, dass auch meine häusliche Situation sich ändert. Soeben kam die Zusage vom Landratsamt, dass wir hier im Connectionhaus im Dachgeschoss und in meiner Wohnung ab Januar Flüchtlingsfamilien unterbringen dürfen. Ich selbst werde im Haus umziehen in einen Bereich, in dem vorher Büros waren und werde diesen Teil reorganisieren. Eventuell können noch ein paar andere dort mit mir wohnen, und/oder wir können dort weiterhin in reduzierter Form Seminare stattfinden lassen. Jedenfalls wird unser Haus durch die »Fremden« in nochmal anderer Weise »transkulturell«, weil das ja das Bewusstein dafür schärft, wer wir als akkulturierte Wesen sind und wer wir jenseits dessen sind, als »nur Menschen«.
Zeigen, wie Meditation geht
Meine Idee im Kontext der Neuformierung dieses »transkulturellen« Hauses ist, hier für die Flüchtlinge und die Einheimischen zusammen Tagesworkshops in Körpersprache anzubieten, die zugleich Einführungen in Meditation sind. Für die Flüchtlinge kostenlos, für »die Eingeborenen« auf Spendenbasis. Die Idee des Landratsamtes ist, hier eventuell bevorzugt französischsprachige Afrikaner unterzubringen, dann kann ich diese Einführung auf Deutsch, Englisch (für die anderen Noch-Ausländer) und Französich machen – oder eben pantomimisch. Pantomisch zeigen wie Meditation geht? Sollte eigentlich auch nicht schwerer sein als mit Worten …
Heimat finden
Währenddessen schreibe ich an meinem »ersten Buch« in dieser neuen Zeit meines Lebens: einem Buch über Heimat. Es knüpft an der Flüchtlingskrise an, die unser ganzes Land zur Zeit so sehr beschäftigt, und mich nun speziell in diesem Haus und diesem Dorf, und führt von dort zu dem, was uns allen als Menschen gemein ist: unsere ständigen Heimatfluchten und Heimatfindungen, unser Aussteigen und Ankommen, unsere Identitätsreise als Menschen, unsere Heldenreise.
Die Lücke im Zaun
Ich freue mich, dass ich hier im Blog nicht allein bin, sondern dass Marianne Gallen, Torsten Brügge und Barbara Wollstein mitmachen. Bisher ist Marianne von den dreien am aktivsten. Als ich in München West zur Grundschule ging und sie den Kindergarten, gab es eine Lücke im Zaun zwischen unseren Grundstücken, durch die schlüpfte sie in unseren Garten, um mit meiner jüngeren Schwester zu spielen. Wie man sieht hat die Freundschaft nun über 50 Jahre gehalten, und wir mögen uns noch immer, hahaha! Allerdings lagen Jahrzehnte dazwischen, in denen wir kaum etwas voneinander wussten.
Unsere condition humaine
Torsten Brügge von der Bodhisattva-Schule ist den Lesern der Blogs auf connection.de schon besser bekannt. Bald wird er sich auch hier, im neuen Blog, wieder bemerkbar machen. Und dann kommt Barbara Wollstein dazu, die viele Jahre lang die Kinofilmrezensionen für Connection Spirit geschrieben hat, sie wird auch hier wieder Filme rezensieren. Was mir an ihren Rezensionen seit je so gut gefällt: Sie versuchen in keiner Weise spirituell zu sein. Sie beschreiben einfach die condition humaine, unser menschliches Dasein, wie es sich in Kinofilmen zeigt, so unendlich faszinierend und vielfältig.
Lieber Sugata,
nun ist es also Realität geworden – die Connection als Zeitschrift gibt es nicht mehr, nach über dreißig Jahren. Doch es gibt jetzt diesen Blog, mit allen seinen Möglichkeiten. Und es gibt, zusammen mit Dir, eine Handvoll »bewährter« Leute, die hier schreiben werden. Das ist ein guter Start.
Zu diesem wünsche ich Dir wie auch Deinen MitautorInnen alles Gute!
Claus
Hallo Sugata,
ganz wehmütig wurde mir zu Mute, als ich die letzte Connection in Händen hielt! 30 Jahre… was für eine Leistung! Du warst für mich immer sowas wie »der Augstein der Spiro-Szene« – und ich fand es wunderbar, dass du diesen Eso-Pop-Wellness-Zirkus nicht mitgemacht, dem Nice-to-Have-Erwachen nicht noch Futter gegeben hast – auch wenn das letztlich das wirtschaftliche AUS bedeutet hat.
Dass im Connection-Haus jetzt Flüchtlinge Unterkunft finden, ist großartig! Und auch, dass du hier weiter bloggen wirst, zusammen mit anderen »gestandenen« Autorinnen und Autoren.
Ich werde selbstverständlich hier mitlesen und freue mich auf spannende Themen!
Sei umarmt
Claudia
[…] Nach über 30 Jahren wird das Erscheinen der Zeitschrift Connection eingestellt. […]