Haben wir Menschen im Gegensatz zur Avocado keinen Kern? Bevor ich zu dieser Weisheit der ewigen Philosophie (philosophia perennis) komme, erstmal eine positive Nachricht, gefunden im Krautreporter:
Utrecht möchte eine „Zehn-Minuten-Stadt“ werden
Die Vision dieser holländischen Stadt ist: Wohnungen, Einkaufsläden und andere Einrichtungen an Knotenpunkten des öffentlichen Verkehrs sollen besser erreicht werden können. Kein Weg soll noch länger als zehn Minuten dauern, und zwar zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Die mit rund 360.000 Einwohnern viertgrößte Stadt der Niederlande setzt sogar voll auf das Rad, berichtet die Tagesschau. Etwa 125.000 von ihnen fahren täglich mit dem Rad. Seit 2015 hat Utrecht 168 Millionen Euro in den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur investiert, finanziert aus Steuermitteln. Das Ergebnis lässt sich sehen: 60 Prozent aller Wege werden heute mit dem Rad bestritten. Im Vergleich dazu sind es in Berlin nur etwa 13 Prozent. Kein Wunder, dass das weltweit größte Fahrradparkhaus in Utrecht liegt.
Humor ist in!
Und noch eine weitere positive Nachricht: Mein Buch »Sei dir selbst ein Witz«, das ich als Selfpublisher quasi allein vermarkte, wird eifrig bestellt! Von Einzelnen und Buchhändler/innen, manchmal gleich paketweise. Per E-Mail an mich oder direkt auf Amazon.
Lila – Spiel der Götter ist eine Rezension dieses Buchs von Christa Ritter, einer Journalistin aus dem Kreis um Rainer Langhans in München. Sie befasst sich in dieser Rezension vor allem mit dem Ansehen und Hinnehmen des Leidens und der aktuellen politischen Katastrophen und unserer Fähigkeit als Menschen, darüber lachen zu können.
Sind wir schon bereit?
Nun zum Titelthema und Kern dieses Blogeintrags. Theresa Bäuerlein schreibt im Krautreporter über das Ich: Die Avocado hat einen Kern – wir nicht. Warum es unmöglich ist, sich selbst zu finden. Sie schreibt sehr populär, durchsetzt mit Indigenen-Kitsch (»Was Maoris wissen«) und Spiri-Kitsch. Dennoch trifft sie trotz ihrer Überspitzungen – ohne die wäre der Text weniger lesbar – das Thema punktgenau.
Ihr Text wirft in mir wieder die Frage auf: Wie viel lässt sich heute sagen über die zentrale Erkenntnis des Buddha, das Anatta oder Nichtselbst, die Ich-Identität als Fiktion? Ist das heute vielleicht – in einer so stark vereinfachten Form – schon so sagbar, dass wir als Weltzivilisation bereit sind für Weisheit und so das Ende des Homo sapiens verhindern können? Dieses Ende ist doch nicht so schlimm, denken heute viele, denn unsere Spezies zerstört den Biotop Erde. Es würde mit dem Ökozid des Anthropozäns aber noch viel mehr verschwinden als nur diese Spezies, möchte ich dem entgegnen.
Der generell sehr lesenswerte Juli-Newsletter von GaiaMedia ist auch in diesem Zusammenhang lesenswert: Er verweist auf eine interaktive Karte, welche in genialer Weise die Vielfalt des Lebens zeigt. Auch wenn wir den Ökozid ’nicht persönlich‘ nehmen, was ein typisch buddhistischer Umgang mit dem Thema ist. Es geht dabei jedoch noch viel mehr verloren als die Persona.
Der Letzte seines Stammes
Viele Stämme und Völker sind schon verschwunden. Sie absichtlich auszulöschen, nennen wir ‚Genozid’. So gehen Viehzüchter (die Produzenten des Billigfleischs in unseren Supermärkten) zusammen mit Holzfällern (tropisches Holz ist auch bei uns begehrt) gegen die letzten Indigenen-Stämme im Amazonas-Tiefland vor: Sie nehmen ihnen den Lebensraum, teils werden sie sogar ermordet. Unterstützt wird dieses Vorgehen von der aktuellen Regierung Brasiliens unter Jair Bolsonaro.
Nun ist dort im Amazonas, im Schutzgebiet Tanaru, der Letzte seines Stammes gestorben. Über ihn und seinen Stamm / sein Volk war fast nichts bekannt, denn aus gutem Grund hatten die Indigenen jeglichen Kontakt mit den brasilianischen Behörden verweigert. Zu oft waren ihre Angehörige ermordet und ihr Lebensraum zerstört worden. Beides geschieht weiterhin. Die Hoffnung vieler Beobachter dieser Zerstörung richtet sich nun auf die Wahlen im Oktober: Unter Lula würde sich der Genozid an den Indigenen und die Zerstörungen des Amazon-Regenwaldes vermutlich abmildern. Aber auch Lula kann gegen die Lobby wichtiger Wirtschaftsinteressen nicht an. Letztlich ist es das aktuelle Wirtschaftssystem, das nicht nur Indigene vernichtet, sondern auch den Lebensraum der Unterdrücker selbst und den von uns Genießern des von der Zukunft geborgten Wohlstands.
Deserteure aller Länder, vereinigt euch!
Zwei junge Männer, die nicht für Land kämpfen wollen, werden hier auf ZEIT-Online beschrieben. Meine Utopie ist, dass daraus eine internationale – nein: transnationale – Bewegung wird. Nie wieder Krieg! Wenn weltweit alle jungen Männer (und auch die Alten und die Frauen) desertieren würden und die Frauen keinen Mann mehr als Held feierten, der »für sein Land kämpft«, wäre das eine Abstimmung mit den Füßen, die unaufhaltsam zu einer weltweiten Abrüstung führen würde, einer Abschaffung allen Militärs weltweit. Dann sollten außer den nationalen Polizei-Kräften nur noch UNO-Blauhelme Waffen tragen dürfen: Polizeikräfte einer renovierten UNO, die stark genug sind, erfolgreich gegen international agierende Mafia-Verbände vorgehen zu können, aber nicht stärker.
Schluss mit der Kriegsbegeisterung, geht das? Helmut Scheben hat im Schweizer InfoSperber untersucht, wie Kriegsbegeisterung zustande kommt, unterstützt von Politik und Medien.
Ein Bedarf, der zu decken ist
Von der weltweit führenden Wochenzeitschrift über Wirtschaft, dem Economist, lasse ich mir nach wie vor die Themen zuschicken, die sie dort schwerpunktmäßig behandeln. Hier eines der Themen auf das sie kürzlich den Fokus lenkten:
Das ist die neoliberale Sicht. Da gibt es einen Wettbewerb, hier das „manpower race“ zwischen Russland und der Ukraine. Ganz im ‚orangen Mem‘ der Spirial Dynamics verankert, untersucht der Economist hier schlicht, wer diese Soldaten, die beide Seiten „brauchen“, besser ausbilden kann. Ganz wertneutral, nonjudgemental: Wir wollen ja nicht werten. Da ist ein Bedarf: Both need more soldiers, und der Econimst untersucht, wer ihn decken kann. Der in diesem Rennen der Bedarfsdeckung „Bessere“ gewinnt das Rennen. Das ist die Sicht des Neoliberalismus, die übrigens auch die Wachstumsideologie antreibt: Mehr ist besser.
Nur keine Kritik!
In Bezug auf die beiden Gretchenfragen unserer Zeit: »Wie stehst du zu den Pandemiemaßnahmen?« und »Wie stehst du zum Ukrainekrieg?« treffe ich bei den ökonomisch herrschenden und von den eigenen Gedanken autohypnotisch beherrschten Medien ein Andersdenken leider nur selten. Wer von der herrschenden Meinung abweicht, hat es als Journalist schwer. Heute mehr denn je? Mag sein. Vielleicht hat das mit den Echo-Kammern im Internet zu tun. Die oben zitierten Beispiele von Zeit-online und InfoSperber sind in Bezug auf Krieg jedenfalls Ausnahmen, ebenso das Schröder-Interview des Stern. Zu dem findet ihr unter dem Interview Leserkommentare, die zeigen, wie ‚das Volk‘ gegen Schröder wütet, weil es in ihm einen Putin-Freund sieht, einen Freund des Teufels. Aber nicht alle wüten.
Milos Matuschek, ehemaliger Kolumnist bei der NZZ, schreibt, dass sein Kolumnentext vom 1.9.20 bei der NZZ zum Rausschmiss bei dieser angesehenen Tageszeitung geführt hat. Er war zu kritisch gegenüber den Pandemiemaßnahmen. Um nicht gleich von meinen eigenen Lesern in die Covidioten-Schublade gesteckt zu werden, sage ich sicherheitshalber dazu, dass ich nicht mit allem übereinstimme, was Matuschek schreibt, und ich die Corona-Viren durchaus für in vieler Hinsicht gefährlich halte. Ich wünsche mir aber, dass Matuschek weiter so kritisch sein möge, auch in allem, womit ich nicht übereinstimme. Mediale Berichterstattung, umso mehr die medialen Kommentare, brauchen solche Quergeister! Auf dem Dickschiff Mainstream merken die Passagiere ja nicht von allein, dass es an die Wand fährt, bzw. wie die Titanic, auf einen Eisberg zusteuert. Zudem will die Besatzung es mehrheitlich gar nicht wissen: Don’t Look Up.
Dissident sein
Auch ich war und bin Dissident. Zuerst gegenüber dem europäischen Mainstream: Ich wanderte nach Asien aus, weil ich die westliche-kapitalistische, ex-koloniale Arroganz nicht mochte und wurde in Thailand buddhistischer Mönch. Dann verließ ich auch die Enge des Theravada-Buddhismus, der auch in Thailand politisch verstrickt ist, und wanderte in Südindien umher. Und wurde in Poona Sannyasin. Aber auch in dieser Bewegung schließlich zum Dissidenten.
Seit vielen Jahren schriebe ich für diverse, auch buddhistische Zeitschriften. Bei einer von ihnen durfte ich 2021 das Wort »Mainstream« nicht mehr verwenden, es würde mich zu sehr in die Querdenker-Ecke rücken, hieß es. Aua. Buddha war Dissident gegenüber dem damals in Indien herrschenden Brahmanismus, Jesus gegenüber dem damals in seinem Land herrschenden Judentum. Wer tief einsteigt in das, was wahr und sagbar ist, wird in jeder Schafherde zum Dissidenten. So bin auch ich zum Dissidenten gegenüber allen kulturellen und spirituellen Richtungen geworden, denen ich je angehört habe – zumindest gegenüber den orthodoxen Flügeln dieser Richtungen. Die liberalen Flügel gibt es ja zum Glück auch noch.
Auch mein Buch »Sei dir selbst ein Witz« ist das eines Dissidenten. Ich greife dort eine Kernbotschaft meines damaligen spirituellen Lehrers Osho auf und lasse mich darin in einem Vorwort von ihm feiern, das ihn und mich selbst karikiert. Ein Vorwort von Osho? Das hätte einen Rechtsstreit mit Osho international gegeben, einer Institution orthodoxer Sannyasin, die auf diese Weise versuchte, die Veröffentlichung dieses Buchs zu verhindern. Durch die Namensänderung von Osho in Bhagwan habe ich den Rechtsstreit mit dieser Institution verhindern können.
Psychedelische Renaissance
Ist unser Bewusstsein noch zu retten? Mit Meditation? Das praktiziert ja nur eine Minderheit, und von denen tragen auch nur wenige die Früchte ihres Bewusstseinswandels als Reformer oder Revolutionäre in die Welt hinein. Mit Humor? Auch den nondualen Humor (»Alles ist potenziell witzig« statt »Dies ist komisch und jenes nicht«) verstehen nur wenige.
Manche Zeitgenossen setzen deshalb auf Bewusstseinswandel durch psychedelische Substanzen, die zudem ein Konfliktlösungs- und Heilungspotenzial in sich tragen, das – richtig angewandt – die Wirkung vieler traditioneller und legaler Methoden überholt, sowohl was die positive Gesamtwirkung, den geringen Aufwand und die die Kürze anbelangt, in der sich nachhaltige Ergebnisse zeigen.
Deshalb gibt es längst schon wieder legales LSD in Deutschland: Zurzeit ist es das 1V-LSD. Ein 20 min Film auf vice.com zeigt Parties mit mikrodosiertem, legalem LSD in Berlin, ein Wochenende mit hochdosiertem LSD im Schwarzwald und ein Gespräch mit dem Erfinder von 1V-LSD, der – jetzt noch – legalen ‚Prodrug‘ von LSD (im Magen wird die Substanz zum echten LSD). 1V-LSD wird wahrscheinlich noch im September illegalisiert. Das entmutigt die Fans jedoch nicht, denn findige Chemiker werden dann andere Prodrugs von LSD kreieren, chemische Vorstufen von diesem nebenwirkungsfreien, nicht überdosierbaren Pharmazeutikum, das gründlicher untersucht wurde als jede andere pharmazeutische Substanz.
Veranstaltungen mit mir
Vom 31. August bis 4. September bin ich mit Regina Heckert im BeFree-Tantra Sommerfestival und vom 29. September bis 4. Oktober im BeFree Herbstseminar.
Für den 6./7. September laden wir wieder alle 18-25 Jährigen, die sich für den BoB interessieren, zu zwei Infotagen auf dem Kragenhof ein. Das ist die letzte Chance, sich noch für das fünfmonatige Winterretreat, das am 22. Oktober beginnt, vor Ort zu informieren und zu bewerben!
Vom 7. bis 9. Oktober gibt es wieder einen Humorworkshop mit mir, diesmal im schönen Luzern am Vierwaldstätter See in der Schweiz. Er beginnt am Fr Abend, 9. Oktober und geht bis So Nachmittag 9. Oktober. Anmeldung über Marita Capol, kontakt@werkraum-rhythmik.ch. Veranstaltungsort ist Brigittas Werkraum Rhythmik.