Schriftsteller sein, vom Schreiben leben können, geht das? Künstler sein, dem Ruf folgen, dem großen Ruf aus dem Inneren, anstatt immer nur Erwartungen anderer bedienen zu müssen, damit der Lebensunterhalt gelingt, das Wirtschaftliche, und »es sich rechnet«, geht das? Mein Blogeintrag von vorgestern (»Gescheitert«) hat sich damit beschäftigt, wie auch schon vieles andere, was ich über die Jahre geschrieben habe.

Geistiges Kapital

Neulich habe ich geschrieben, dass ich nach dem Ende des Connection-Verlages »bei null anfange«. Oder sogar unter null, weil ich noch Schulden ans Finanzamt habe. Das mag auf der finanziellen Ebene so sein, aber das ist nicht die einzige, die zählt. Was ich die vergangen 30 oder 40 Jahre getan habe, hat in meiner sozialen Umgebung Spuren hinterlassen, die jetzt mögicherweise imstande sind, mich zu tragen. Soll ich das »die geistige Ebene« nennen? 

Was jetzt da ist, auch wenn es kein Geld ist, kein Besitz und kein finanzieller Anspruch, es trägt mich emotional. Ich werde gehört, gelesen, +/– auch verstanden – mehr verstanden, besser verstanden als es manch anderem vergönnt ist. Und nun versuche ich, aus diesem »Kapital« einen Lebensunterhalt hervorzuzaubern. Und tue das nicht klammheimlich, sondern in aller Öffentlichkeit. 

Finanzielles Intimleben

Ist das nicht zu viel Geplapper über das, was nur mich angeht? Ich spreche hier ja auch nicht darüber, wie oft ich mir die Zähne putze und andere Details meines Intimlebens, warum dann hier das Vorführen meiner Finanzen? Um mir Spenden zusammenzubetteln?

Einerseits gilt diese Ebene des schnöden Mammons auch für mich. Warum sollte ich hierin eine Ausnahme sein? Warum sollte mir ein geistiges Leben vergönnt sein, während ihr schuften müsst für die Knete? Andererseits zeige ich mich hier als Versuchskaninchen mit etwas, das vielleicht auch der Traum des einen oder anderen von euch ist und lasse euch mitverfolgen, ob seine Erfüllung gelingt. Demnäch wäre ich eine Art Prototyp für folgenden Versuch: Kann man als Künstler, als Herzblut-Idealist, der sein Ding macht, überleben ohne dabei nur (oder hauptsächlich) auf die wirtschaftliche Nische zu schielen, die man damit bedient? 

Geld spenden und Zeit verschenken

Ich habe in den vergangenen Wochen, seit ich dieses Projekt »Leben können vom Schreiben« angekündigt habe, 361 € an Spenden bekommen. Im Betreff auf meinem Kontoauszug stand da mehrfach „fürs Müsli«, weil ich mir den Spaß erlaubt habe, das im Rundbrief so anzusagen. Einmal war der Betrag genau 47 €, also der Preis eines Connection Spirit Jahresabos. Und ich kenne alle, dir mir da was gespendet haben! Wenigstens per E-Mail-Interaktion kenne ich sie (ein bisschen), die meisten aber auch nicht-virtuell. Außerdem erhalte ich 29 € monatlich per Dauerautrag, 2x je 10 €, einmal 5 und einmal 4 €, und auch hier kenne ich alle Spender persönlich. Dieser Neustart spielt sich also sozusagen bisher ‚in der Familie‘ ab. 

Wenn ich ein Connectionheft verkauft habe oder (früher) eine ausgefüllte Abokarte sah, auch da hüpfte mein Herz jedes Mal ein bisschen. Aber jetzt ist es noch persönlicher. Ich kann mich per E-Mail bedanken, oft bekomme ich mit der Mail auch noch ein Feedback auf irgendeinen Text von mir, und ich weiß, dass ich bei alledem keine Druck- oder Portokosten habe. Fürs Internet habe ich eine Flat, ebenso wie ihr vermutlich auch. Durch das Schreiben und die Organisation dieses Geschäftsmodells verschenke bzw. investiere ich (nur) meine Zeit, und auch mir wird durch euer Lesen gewissermaßen Zeit geschenkt: die Zeit, in der ihr euch mir zuwendet. 

Was dabei rumkommt

Das Ziel, mich verstanden und verbunden zu fühlen, connected, ist hiermit besser erreicht als in der Zeit als Verleger (und Autor und Redakteur) im Print-Publishing. Ein Vorteil, so scheint es mir. Der Umsatz ist geringer als vorher (und noch steigerbar), aber es kommt mehr davon bei mir an, finanziell ebenso wie geistig und gefühlsmäßig. 

361 € Spenden + die Daueraufträge, das mag manchem noch als wenig erscheinen. Für mich fühlt es sich an wie ein guter Anfang. Ich bekomme ja auch noch ein paar Honorare als Schreiber für diverse Zeitschriften (regelmäßig für KGS Berlin, Spuren und Ursache&Wirkung). Umgerechnet auf dem Monat kommen da bisher so so circa 200 € monatlich zusammen, und es gibt gelegentlich Einzelaufträge von Zeitschriften, für die ich nicht regelmäßig schreibe. Außerdem bekomme ich von der Connection AG noch ein paar hundert € monatlich für die Verwaltung des Connectionhauses. 

Für den einen oder die andere von euch mag es ernüchternd sein, hier festzustellen, dass nach den 30 Jahren ständiger Präsenz als Autor und Herausgeber, bei der Bekanntheit, die ich mir »als Autorenmarke« in diesen Jahren erworben habe, nicht mehr dabei rumkommt. Meine finanzielle Situation ist aber überhaupt kein Grund mich zu bedauern, finde ich (und auch sonst werde ich nicht gerne bedauert). Ich bin damit zufrieden, was ich verdiene. Angst vor Altersarmut? Bei mir so gut wie nicht vorhanden.

Vertrauen

»Einmal Mönch, immer Mönch«, sagte ein Freund von mir, der mich schon lange kennt, neulich dazu. Ich war ja mal buddhistischer Mönch und habe damals – im Sommer 1976 war das –, mir meinen Lebensunterhalt auf den Straßen von Bangkok geholt (damals war die Stadt noch viel kleiner, mit viel weniger Verkehr und besserer Luft). 

Man könnte es auch anders nennen: Vertrauen ins Leben. Ja, das habe ich. Was die Seite, wo ich prüfen muss, rechnen muss und skeptisch sein muss nicht ausschließt.