Zu der Frage in meinem Blogeintrag »Vor, während, nach mir«, vom 8. November, wie und worüber ich schreiben soll, habe ich mehrere Antworten erhalten. Alle gingen in die Richtung: Sei persönlich, das interessiert uns! Das ist nicht immer die Wunschtendenz meiner Leser gewesen, aber in den vergangenen Jahren hat das zugenommen. 

Journalisten tun sowas nicht

Zunächst mal: Warum habe ich nicht schon immer sehr persönlich geschrieben? War ich zu feige dazu? Meistens war Feigheit nicht der Grund, sondern zu den Gründen gehörte, dass es sich als Journalist nicht ziemt, über sich selbst zu schreiben, sondern als seriöser Journalist schreibt man über die Welt. Nur die Nabelbetrachter schreiben über sich selbst. Wer als Journalist in einem der sogenannten seriösen Medien »ich« sagte, war diskrediert, deshalb schrieben die Leute dort dann sowas wie »der Autor dieser Zeilen erlebte die Freundlichkeit der Einheimischen als überwältigend«. Und im economist, der auch heute noch fast ausschließlich unsignierte Texte bringt, heißt es dann, wenn ein Schreiber seine Person nicht ganz ignorieren kann, dass »your correspondent«, ihr Berichterstatter, dies oder das erfuhr.

Wir sind transpersonal!

Ein weiterer Grund war, dass ich als Erforscher des Transpersonalen gerade nicht über die Person schreiben wollte. Die war für mich eine Fiktion (und ist das für mich noch immer). Ich wollte über Fakten schreiben, so objektiv wie möglich. Persönlich und über die Person (meine eigene oder die von anderen) zu schreiben, erschien mir immer als ein bisschen eitel. Die Klatsch- und Tratsch-Magazine brachten sowas, wir Spirituellen glaubten ja, über das nur Persönliche hinausgewachsen zu sein, wir wandelten im Überpersönlichen,Transpersonalen. Ken Wilbers drei Stufen-Konzept – präpersonal, personal, transpersonal – passte da gut rein. Dort wollten wir uns aufhalten: im Überpersönlichen (Aurobindho), im Transpersonalen (Wilber).

Egoisten und Narzissten

Heute halte ich die Egoismus- und Narzissmus-Vorwürfe an die Nabelschauer und Subjektiv-Berichterstatter fast durchweg für nicht treffend. Ja, es gibt Egoismus, aber das ist nur die dumme Variante des Eigennutzes. Und es gibt Narzissmus, aber das ist nicht dasselbe wie das Spiel mit der eigenen Persönlichkeit, das »Leela« der indischen Götter. Narzissten sind ja nicht persönlich in dem Sinne, dass sie ihre Person oder Persönlichkeit offenbaren würden, sondern sie stellen die gerade im Zeitgeit als positiv betrachteten Charakterista ihrer Persönlichkeit zur Schau, um dafür bewundert zu werden. 

Das Auge Gottes

Seit ein paar Jahren veröffentlichen viele Medien am Ende eines Textes die Kurzvita des Autoren, z.B. auf sz.de oft in humorigem Stil und mit Bild. Die Brille, durch die da die Welt betrachtet wird – die Persönlichkeit – hilft bei diesem Vorgehen, den Wert eines Textes realistisch einzuschätzen. Mir gefällt das: Ich will wissen, wer da schreibt, d.h. aufgrund welcher Lebenserfahrung da eine Aussage über die Welt gemacht wird. Und so möchte ich es auch selbst mit meinen Texten halten. Sie sollen nicht so tun, als würden sie wie ein Auge Gottes auf die Welt schauen, sondern ihre Eingeschränktheit zugeben. 

Das Subjekt objektiv beschreiben

Je mehr ich als Schreiber über meine Person sage, umso eher können meine Leser entscheiden, ob sie sich dieser (unvermeidlich beschränkten) Sicht anvertrauen wollen. Je mehr die Selbstbeschreibung auf Selbsterkenntnis beruht, d.h. je echter undwahrhaftiger sie ist, umso objektiver kann das durch diese Person vermittelte Weltbild sein. 

Das Subjekt objektiv beschreiben, wie soll das gehen? Das Auge des Betrachters wird vom Auge des Betrachters nie gesehen werden, aber die Tönung der Brillengläser kann beschrieben werden, der Standort und Winkel der Betrachtung, der Zeitpunkt, die Richtung des Blickes. Das alles ist das Subjektive, das Persönliche.