Seit je haben sich Menschen ein Paradies oder den Himmel auf Erden gewünscht. Im christlichen Mythos war das die Utopie eines glücklichen Ur- oder Endzustands. Heute hingegen herrscht eher das Hier-und-Jetzt-Paradigma einer ewigen Gegenwart vor, wie es die beiden Eckharts, der Meister aus dem Mittelalter und der Tolle unserer heutigen Zeit verkünden. Wie das Mysterium Zeit auch immer richtig zu verstehen sein mag, wir »Zeit«genossen suchen den Himmel und das Paradies mehrheitlich jetzt, hier und heute. Die Spiris unter uns suchen es mehr in der Innenwelt, die Ökos in der Außenwelt.
Glück: jetzt!
Malou Marion Schaller hat nun im vergangenen Jahr ein Event in die Welt gesetzt, das von der Außenwelt her gut geeignet ist, einen Blick in die Innenwelt zu wagen und dort Himmlisches zu entdecken, Paradiesisches – das Gute, Schöne, Wahre. Das wir dann von innen nach außen tragen und mit anderen teilen können. Sie nennt es Himmel auf Erden und hat dafür das Gästehaus Schwanenwerder am Wannsee in Berlin gebucht für die Tage 5. bis 7. Juli 2020. Auch wenn schon viele vor uns versucht haben, den Himmel auf Erden zu realisieren, mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen, sind wir doch nach wie vor optimistisch und pflanzen heute ein Apfelbäumchen, welches die in uns wohnende Glücksutopie ins reale, auch äußere Hier-und-Jetzt holen soll.
Das Forum Enlightenment
Wie ich zu dieser Pflanzaktion gekommen bin? Ich kenne Malou seit ein paar Jahren und schätze sie sehr. Vor einigen Jahren hat sie mal das Forum Enlightenment gehostet und dabei auch persönliche Erfahrungen mit den Transpersonalen gemacht – mit denen, die sich erwacht nennen. Unterschiedliche Erfahrungen, ganz wie im richtigen Leben. Sie hat dabei aber nicht aufgegeben, diese Menschen miteinander in Kontakt zu bringen, den Kontakt zu halten und auch denen, die sich nicht für erwacht halten (Irren sie sich denn?) und »dorthin« wollen, den Kontakt mit solchen Menschen zu ermöglichen. Dabei haben wir, Malou und ich, gemerkt, dass wir einen ähnlichen Zugang zu diesem delikaten Thema haben, und so bin ich in die Co-Kreation dieses Events mit reingerutscht.
Auf Grund einer Terminkollision (ich bin war für Anfang Juli schon woanders engagiert) kann ich am 5. bis 7. Juli beim »Himmel auf Erden« im Gästehaus Schwanenwerder leider nicht physisch vor Ort sein, habe mich aber entschieden, das Event trotzdem mitzubewerben und – Engeln ist sowas möglich – virtuell mit dabei zu sein.
Boten aus der Anderswelt
A propos Engel: Damit durch die sprachliche und den Unterschied inszenierende Unterscheidung zwischen denen, die sich für erwacht halten und denen, die sich nicht für erwacht halten, nicht ein neuer Dualismus entsteht, wollten wir sie zunächst »Boten« nennen. Sie haben ja eine Botschaft. Nicht so wie das Evangelium, aber doch eine Botschaft: Es ist möglich, sich selbst und die Welt anders zu verstehen als wir das normalerweise tun. Wenn es gelingt, diese Botschaft rüberzubringen, kann beim Empfänger ein Aha-Erlebnis entstehen, das so irreversibel ist, wie wenn einem Kind klar wird, dass an Ostern nicht der Osterhase die Eier bringt, sondern Menschen, und an Weihnachten nicht das Christkind die Geschenke bringt.
Dieses Aufwachen aus einer Illusion ist irreversibel. Von solch einem irreversiblen Vorgang sprechen auch die »Erwachten« und lokalisieren dann meist einen Zeitpunkt in ihrer Biografie, an dem »es« passiert sei. Einen Zeitpunkt? Gibt es nun doch wieder eine lineare Zeit, mit einer Abfolge von wenn und dann, zuerst und danach? Ich habe das spaßeshalber oft den »Knick in der Biografie« genannt und mit den Fotos von vorher und nachher aus Diät-Werbeanzeigen verglichen. Wer sich als erleuchtet oder erwacht präsentieren will, dem kann ich nur raten, diesen Knick vor seiner Zielgruppe ausreichend drastisch zu inszenieren, es gibt dafür ja leuchtende Vorbilder: Buddha unter dem Buddhabaum, Ramana im Keller jenes südindischen Tempels (igitt, die Würmer dort), Osho, Eckhart Tolle auf der Parkbank in London und andere.
Und wie steht es eigentlich um mein eigenes Erwachen??? Äh … weiß nicht. Oder doch, irgendwie war da was. Ich nenne es, darin einem Sprachgebrauch des historischen Buddha Gautama Siddharta folgend, das Eintreten in den Strom und bin hierzu kürzlich von Ludmilla und Roland befragt worden, den Veranstaltern eines anderen Erwachten- und Erwachensevents.
Ja, es gibt einen Unterschied, wie es ja auch sonst so viele Unterschiede zwischen den Menschen gibt. Den hier gemeinten Unteschied kann man übertreiben, kann ihn aber auch untertreiben. Obwohl ich kein Fußballfan bin, habe ich mir angewöhnt, in diesem Fall den Ball eher flach zu halten. Zumal ich beim Avocadosammeln fast immer wieder regrediere und zum Steinzeitmensch werde.
Und noch ein P.S. zum Thema „Erwachen“: Wer „zu“ etwas erwacht, der hat’s nicht verstanden. Der ist in einer neuen Bewusstseinsblase (consciousness) gelandet, nicht in einem wachen Zustand (awareness). Der hier gemeinte Zustand ist ein alles aufnehmender, leerer, wacher Geist, nicht eine irgendwie gefestigte Bewusstseinsstruktur.
Physische Präsenz, ist das nötig?
Malou hat sich schließlich entschieden, doch nicht von Boten zu sprechen, sondern die in diesem Sinne Erwachten Engel zu nennen. Das ist ein bisschen andersweltlicher, nicht mehr so profan, wie ich es mag, aber auch irgendwie ganz schön. So bin ich nun zu einem Engel geworden, der dort auf der Webseite erwähnt wird, obwohl ich nicht physisch anwesend sein werde. Die Engel Damiel und Cassiel in dem Wim-Wenders-Film »Der Himmel über Berlin« waren ja immerhin physisch anwesend, litten aber darunter, dass sie nicht, so wie Menschen, sinnlich anwesend sein konnten – Damiel gab dafür immerhin seine Unsterblichkeit auf. Das muss ich nicht, die habe ich ja gar nicht – und halte mich währenddessen schadlos bei einem sinnlichen Event in Tirol, wo ich, so wie letztes Jahr das Kussritual, wieder ein neues Ritual anbieten möchte.
Es gab auch mal eine Theatergruppe namens The Living Theatre, 1968 ging die mit ihrem Stück »Paradise Now« auf Tour. Von dieser Gruppe las ich schon in Jugendjahren und war sehr fasziniert. Gerne hätte ich mal selbst versucht, mit ein paar Gleichgesinnten das Paradies hier und jetzt zu realisieren; auf den Parties im Haus meiner Eltern, wenn die mal auf Reisen waren, gelang mir das nämlich nur eingeschränkt.
Im Gästehaus Schwanenwerder Anfang Juli sollte das leichter sein – bei so viel physisch anwesender lebens-, liebes- und meditationserfahrener Engel. Möge es paradiesisch werden, ein Himmel auf Erden für alle, die daran teilnehmen.