Corona, Corona, Corona, dieser Tage dreht sich alles um Corona. Wie gefährlich ist das Virus wirklich? Was sind die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie? Wie gehen wir mit der Ausgangssperre um?
Ich bin zur Zeit in Spanien, wo wir seit 15.3. nur noch zum Lebensmittel einkaufen raus dürfen, zur Apotheke, zum Arzt, oder zu sonst nur sehr wenigen wichtigen Gründen dürfen wir außer Haus. Und auch das nur allein. Paare, die zu zweit rausgehen, werden angehalten und eventuell mit 3.000 € Strafe bedroht, so wie das vor ein paar Tagen hier in Puerto Tazacorte ein Paar erlebte. Auf Gran Canaria musste ein Jogger 500 € Strafe zahlen; auch Joggen und Spazierengehen ist nicht mehr erlaubt. 

Es ist aber nicht alles trist hier. In Tazacorte, oben im Pueblo ebenso wie hier unten im Puerto, sieht man Menschen vom Balkon aus Musik machen, und manchmal sogar tanzt die Polizei mit. Die Lokalpolizei ist übrigens viel freundlicher als die strenge Nationalpolizei Guardia Civil – die lokalen Polizisten haben einen Ruf zu verlieren, wenn sie in ihrer eigenen Community zu streng sind. Vor ein paar Tagen tanzte einer von ihnen hier während der Ausgangssperre auf der Straße, enthusiastisch applaudiert von den Anwohnern, wir hoffen, dass er dafür nicht von seinem Chef gerügt wurde.

Mir selbst macht der Hausarrest nichts aus. Zwar kann ich nun tagsüber nicht mehr raus zum Schwimmen, Schnorcheln (ich bin so gerne unter den Fischen), Flanieren und in die Cafés, dafür konzentriere ich mich mehr auf meine Arbeit am Laptop, höre über Apple oder Spotifiy Musik (zur Zeit v.a. Klassik) und meditiere mehr als sonst. Die Ausgangssperre ist für mich wie ein buddhistisches Retreat; unfreiwillig zwar, dafür nicht weniger wirksam.

Bin ich ein Deutscher?

Die meisten Deutschen sind von La Palma abgereist, jedenfalls die Urlauber. Touristen dürften hier nicht mehr bleiben, heißt es, aber ich bin ja eher ein Zugvogel und Winterbewohner, ein Mieter, kein Urlauber. 

Ich höre nun viel mehr spanische Stimmen in meiner Umgebung. Die Aufrufe, mich bei deutschen Behörden zu melden für Rückholaktionen „in die Heimat“ erscheinen mir als pathetisch. Zurück nach Hause, weil es dort sicherer ist? Das ist es doch gar nicht. Zudem fühle ich mich in Spanien genauso zuhause wie ich mich in Frankreich, Italien, Indien, Thailand, Malaysia und Indonesien zuhause gefühlt habe. Beim Anhören von Macrons eindringlichen Reden an die Franzosen (das macht er gut, besser als Merkel; wenn er nur nicht zum Krieg gegen das Virus aufrufen würde) fühle ich mich als Franzose – ich war als 16-jähriger dort auf der Schule. Bei den Berichten aus dem so schwer getroffenen Italien fühle ich mich als Italiener – ich habe 1984 dort in einer Landkommune gelebt. Und hier in Puerto Tazacorte fühle mich mich heute mehr beheimatet als irgendwo sonst auf der Welt. Bin halt ein Weltbürger. Oder, regionaler betrachtet, eher Europäer als Deutscher; und wenn schon Deutschland, müsste ich dort wohl auch die Region nennen, die für mich am ehesten Heimat ist: Oberbayern. 

Nachts gehe ich joggen. Es liest ja hoffentlich keiner von den spanischen Behörden diesen deutschsprachigen Blog von mir; meine Leser werden mich schon nicht verpfeifen. Bewegung tut meiner Gesundheit gut, und wenn ich dort nachts mal auf jemand treffe, halten wir mehr als fünf Meter Abstand. Auch einige andere gehen hier nachts schwimmen, sehr selten allerdings. Es ist eine kluge Art, die eigene Gesundheit zu pflegen; man riskiert damit kein bisschen die Gesundheit anderer, also ethisch alles okay, sogar mehr als das: gut, denn wenn ich gesund bleibe, belaste ich damit niemand, das Gesundheitssystem braucht seine Ressourcen dieser Tage mehr denn je woanders. 

Das ganze Unglück der Menschheit …

Nochmal zum Hausarrest. Die Medien sind dieser Tage voll von Corona – das wirtschaftliche Desaster, das erwartet wird, die medizinische und soziale Seite der Ausbreitung dieser Seuche und anderer (die spanische Grippe damals, AIDS, die saisonalen Grippewellen) – aber auch von Bedauern über die soziale Isolation durch das Ausgangsverbot, die Folgen an verstärkter Einsamkeit und häuslicher Gewalt. Normalerweise fällt es mir nicht auf, das ich recht gut allein sein kann, jetzt schon. Hab schon so viele Stille-Retreats gemacht, hab sogar mal ein paar Monate als buddistischer Mönch gelebt. Solch ein Lockdown ist für mich ein Revival dieser Zeiten, und manchmal denke ich dabei: Leute, warum habt ihr so viele Jahre lang die Spiris verspottet und die Chancen auf Meditation, Einkehr, Achtsamkeit im Alltag und Selbstfürsorge nicht wahrgenommen? Jetzt bekommt ihr das zu spüren. Es ist nicht Schadenfreude, was ich da empfinde, sondern Bedauern und eine erneute Einsicht in die Zusammenhänge: Wir ändern uns eben erst, wenn’s richtig weh tut. Wer jetzt allein zuhause auf sich selbst zurückgeworfen ist, versteht jetzt vielleicht, warum der französische Mathematiker Blaise Pascal (1623-1662) einst sagte: »Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen.«