»Nur Stämme werden überleben«, diesen Spruch habe ich vor allem im Rahmen der Gemeinschaftsbewegung eine Zeitlang sehr oft gehört. Mag ja sein, dass Stämme, Gruppen, Kollektive unter Umständen Überlebensvorteile bieten. Dabei bleiben wir aber in gewisser Hinsicht immer einzelne – und sind zugleich Gemeinschaftswesen, beides auf eine sehr komplexe Weise.

Durch die Absicht des Verkaufs des Connectionhauses tritt das Thema »gemeinschaftlich oder einzeln« für mich jetzt noch materieller als sonst auf den Plan. Ich habe dieses Haus 1991 gekauft und mit circa einer Million DM geliehenem Geld ausgebaut. Es stecken dort also heute gut 700.000 € an Investionen drin, und viel Eigenleistung. Ich habe es damals im Hinblick auf die Eignung als Gemeinschafthaus ausgebaut, nicht nur, weil ich das gerade so brauchte, sondern auch, weil ich überzeugt war, dass »Gemeinschaften die Zukunft gehört«. 

Stimmt es denn, dass nur Stämme überleben werden? Für einen Stamm wäre dieses Haus prima. Es ist so groß wie zehn kleine Einfamilienhäuser. Vielleicht wird es bald von einem Bauunternehmer gekauft, der darin die Kommunaleinrichtungen schlachtet und das Haus in sechs bis acht Wohnungen teilt (drei bis vier sind schon da, die werden dann aufgehübscht). Spätestens wenn in gut zwei Jahren die Autobahn nach München fertig ist, wird das Haus ein- bis zweihundertausend Euro mehr wert sein als jetzt, denn dann ist man von hier aus in 40 Minuten im Hochpreisrevier München.

Größenwahn und Demut

Der Verlag Connection und ich als Person hatten und haben ein Faible für das Aufspüren von Themen, die in der Psyche von Otto Normalverbraucher verdrängt werden. Themen, die der Mainstream nur mit spitzen Fingern anfasst oder sie verzerrt bringt oder abgedrängt in Randnotizen: Sex, Macht, das Sterben, Magie, Spiritualität, Liebe, die direkte Kommunikation mit Gott alias der Natur und eben auch Gemeinschaft: das Ich als komplexes Gebilde, als Gemeinschaftswesen. Das kleine soziale Ich, auch Ego genannt, ist ein bedürftiges Gemeinschaftswesen, das die Fähigkeit hat, sich im Lauf seiner Individuation (C.G. Jung) zu einem souveränen Wesen hin zu entwickeln, zu einer geistig autarken Persönlichkeit, die in ihrem Selbstbewusstsein in der Mitte zwischen Schöpfer und Erschaffenem verweilt, zwischen Größenwahn und Demut.

So viele Gemeinschaftsprojekte sind gescheitert; sowas wie die erfolgreiche Gemeinschaft von Schloss Tempelhof ist extrem selten. Währenddessen zerfällt die Weltgesellschaft in acht Milliarden Individuen, oder in Partikel von der Größe der Facebook-Freundeskreise. Es ist eben so wie mit der solo-mono-poly Lebensweise: Eine gute Antwort auf die Sehnsucht nach Community ist ohne Selbsterkenntnis nicht zu haben. Und das gilt auch für Verrückte wie du und ich, die in diesem Film so gut portraitiert werden. 

Ein Knicks vor der Biografie

Vor ein paar Tagen habe ich hier im Blog über ein Thema geschrieben, dass mich bewegt seit ich mit zwanzig Jahren im Philosophiestudium auf Buddha stieß und dann ein paar Jahre später in Thailand buddhistischer Mönch wurde: die Möglichkeit des Erwachens aus einem Normalzustand des Unwissens, Unbewusstseins und der Verdrängung. Und jetzt? Bin ich da, in meinem Kleinheits- oder Größenwahn auf einem Kongress in Berlin mit ein oder zwei hundert anderen Menschen zugange, die sich, mal mehr, mal weniger, als erwacht oder unerwacht einordnen. Komisch? Tragisch? Irgendwie beides.

Das Persönliche

Was mich in diesem Kontext auch noch bewegt und worin ich mich immer noch übe ist die Abwärtskompatibilität des Transpersonalen in Bezug auf das Personale. Ich begegne Menschen heute mehr denn je »höchst persönlich«. Ich, der ich die persönliche Identität für eine biografisch entstandene und ziemlich leicht beeinflussbare Fiktion halte, bin gerne höchst persönlich. 

Auch das empfinde ich als komisch und zugleich zutiefst wahr und richtig. In diesem Zuge weicht auch mein Gottesbild auf, das ich bisher tendenziell »transpersonal« genannt habe: Gott ist keine Person, sondern ein brennender Dornbusch, das Unfassbare, die Unendlichkeit! Und jetzt? Sehe ich Gott in jeder Person. So wie der indische Gruß des Namasté sich übersetzen lässt als: »Ich grüße das Göttliche – oder besser: Gott – in dir«. Was ja auch dem Jesuswort entspricht: was du deinem Nächsten antust, das tust du mir an. 

Es tut so gut und macht die die (nonduale) Sache rund, das Transpersonale – abwärtskompatibel und auf Augenhöhe – auch im Personalen zu würdigen. 

Termine

Am 28. Juni beginnt der Online-Erleuchtungskongress, organisiert von Roland und Ludmilla, mit circa 20 Vermittlern, darunter Pyar, Gaia, Christian Meyer und auch einem Beitrag von mir selbst, der am 1. Juli um 18 h gesendet wird. 

Der online Kundalini-Kongress von Ingrid Niedermayr startet am 10. Juli (Achtung, dort gibt es evtl. einen Linkfehler von mir! Der Zugang sollte die Videos zunächst kostenlos sichtbar machen und erst dann den Verkauf des Pakets anbieten.) Auch dort bin ich unter den Referenten, neben gut zwanzig anderen, darunter Saleem und Advaita Maria Bach, die Lesern dieses Rundbriefs bekannt sein dürften. Ich spreche dort aber nicht speziell über die Kundalini; der Kongress befasst sich mit tantrischer Lebensphilosophie. 

Angela Raymanns fröhlich-tänzerisches Heartbeatfestival ist heuer vom 23. bis 27. August, wieder auf Schloss Buchenau. Dort bin ich mit einen Humorworkshop und einem Beziehungsworkshop dabei (je zwei Stunden). 

Der nonvirtuelle, also im traditionellen Sinne »echte« Erleuchtungskongress in Berlin geht diesmal über drei Tage, vom 8. bis 10. 9., im Buddhahaus, Akazienstraße. Das Thema ist: »Die Evolution des Erwachens, Werte und Handeln aus dem Selbst«.

Auf dem Befree Herbstfestival vom 28. 9. bis 3. 10. bin ich, wie jedesmal, abwechselnd Anbieter und Teilnehmer (eigentlich immer beides) und gebe einen Humorworkshop »Liebesspiele« und einen Kommunikationsworkshop »Sag’s mir, wie du es gerne hättest« (je zwei Stunden).

Links

Können wir selbst etwas an an unsere politischen (und allgemein zivilisatorischen) Situation ändern, oder können das nur »die da oben«? Eine 17 Minuten Dusche von dem Satiriker Hagen Rether.

Steht Tantra dieselbe Karriere bevor wie Yoga? Saleem Riek zeigte mir kürzlich einen Link zu diesem 6-min-Video, das inzwischen mehr als 10 Millionen mal aufgerufen wurde.

Das US-amerikanische Cosmos Journal interviewte kürzlich Joanna Macy, diese weise alte Frau und wunderbare Verkörperung von scharfer Gesellschaftskritik und einem tiefen, glücklichen Ruhen in sich selbst. Sie projiziert nicht Unerledigtes aus ihrer eigenen Seele auf »die da draußen«, sondern wirft dem regierenden System, – dem viel zu viele von uns sich noch unterwerfen, meist aus Bequemlichkeit –, eine Kritik entgegen, die jeder empfindsame Mensch gut nachvollziehen kann.