Die St. Lamberti-Kirche in Münster hat eine gruselige Vorgeschichte. Doch ihr Turm zeigt ein Werk der österreichischen Künstlerin Billi Thanner: eine Leiter, die scheinbar zum Himmel führt.

So ist es vielleicht auch mit dem Fluch der Bürokratie, der sich, würden die Bürokraten über den Rand ihres Schreibtischs hinausschauen, zu einem großen Segen für die ganze Gesellschaft erweisen könnte.

550.000 neue Arbeitsplätze

»Ein deutlicheres Zeichen kann es nicht mehr geben als dieses, das die Behörden an diesem Montag selbst gesandt haben: Jetzt ist es Zeit, den Bürokratieabbau ganz nach vorne zu stellen. In den vergangenen drei Jahren hat Deutschland 550.000 neue Arbeitsplätze geschaffen – nun zeigt eine Untersuchung der Bundesagentur für Arbeit, dass mehr als die Hälfte dieser Stellen nur für Bürokratie draufging, und dies auch in der Privatwirtschaft.«

Fundstücke außerhalb der Echokammer

Das soeben von mir Zitierte schrieb Patrick Bernau am 20.10.25 in einem Kommentar der FAZ. Sicherheitshalber gebe ich hier eine Triggerwarnung an Engdenker in meiner Bubble: Die FAZ-Kommentare kann man sich als Newsletter gratis bestellen. Für mich im links-liberal und zudem noch spirituell versifften Milieu ist dies eine Out-of-the-Bubble Lesepraxis.
Ja, auch außerhalb der eigenen Echokammer findet man Trüffel. Und wer sucht, der findet im Web noch viel Böseres über die deutsche Bürokratie.

Eine der intelligentesten Analysen von dem, wofür Bürokratie überhaupt da ist, fand ich in Yuval Hararis Buch Nexus. Bürokratie kann in einem vor der industrialisierten und nun auch noch digitalisieren Moderne nicht vorstellbaren Ausmaß einen phänomenalen Nutzen an Gerechtigkeit bringen. Und sie kann, in dieser Zeit, heute mehr denn je, in mindestens eben dieser Höhe, menschenverachtende kolossale Schäden bringen.

Das Glück der Bürokraten

Jetzt der Lichtblick: Man stelle sich eine Behörde vor, bei der die Bürokraten nicht nur die Durchführung der Vorschriften im Blick haben, sondern auch, ob sie damit dem gerecht werden, wozu diese Vorschriften einst überhaupt geschaffen wurden. Wer in den Behörden nur den Vorsätzen »Gesetz ist Gesetz« und »Keiner ist davon ausgenommen« folgt, hat dazu beigetragen, den Menschen in der Verwaltungen einen schlechten Ruf zu verpassen, sodass »Bürokrat« heute fast ein Schimpfwort geworden ist.
Die so Verunglimpften können bei der Durchführung ihrer Aufgaben aber auch ihren common sense einsetzen. Statt mit Kanonen auf Spatzen zu schießen, können sie zwischen Strenge und Milde, Nachlässigkeit und Pedanterie einen guten Mittelweg finden und so der Allgemeinheit dienen.
Nur dem Erhalt des eigenen Jobs und dem Fortschritt der eigenen Karriere zu dienen, macht ja auch Bürokraten nicht glücklich.

Wer braucht Transzendenz am nötigsten?

Deshalb ist es nicht krass spöttisch gemeint, sondern nur ein bisschen schmunzelnd, wenn ich sage, dass Bürokraten Meditation und Transzendenz noch mehr brauchen als Seelsorger, Politiker und Unternehmer, deren ‚herzliche‘ Enge imstande ist, die Welt zugrunde zu richten.
Bürokraten, die auf bürokratische Art ihren Job erledigen, versündigen sich gegen Einsteins Motto, dass Probleme nicht auf der Ebene gelöst werden können, auf der sie entstanden sind. Das ist ein sehr säkular klingendes Motto. In ihm steckt jedoch das Potenzial einer Leiter, die zum Himmel führt.