Kinostart: 19. 1. 2017
Es ist Winter, eine anstrengende Jahreszeit, nichts ist leicht, in Boston. Und frostig und zugeknöpft verhält sich der Hausmeister Lee Chandler (Casey Affleck) bei den anfallenden Reparaturarbeiten in seinem Wohnblock und beim Schneeschippen. Er ist ein wortkarger Einzelgänger.
Eines Tages erhält er einen Anruf: Sein älterer Bruder Joe (Kyle Chandler) ist plötzlich gestorben. Seine Herzkrankheit war schon länger bekannt, trotzdem ist sein Tod ein unerwarteter Schlag. Lee soll sich nun um seinen 16jährigen Neffen Patrick (Lucas Hedges) kümmern. Äußerst widerwillig kehrt Lee für einige Zeit in seine Heimatstadt Manchester by the Sea zurück. Er kämpft nun mit der neuen Aufgabe und mit seiner Vergangenheit, die eng mit diesem Ort verbunden ist.
In seinem Film entblättert Kenneth Lonergan (Buch und Regie) Schicht um Schicht die Seele und das Schicksal seines Protagonisten. Unter der rauen, abweisenden Schale steckt ein ehemals lockerer und fröhlicher Mann, der gern mit seinen Freunden feierte, und mit seiner Frau Randi (Michelle Williams) eine chaotische und spannungsreiche, aber auch liebevolle Ehe führte.
Das jähe Ende dieses Lebens kam nicht durch äußere Widersacher, sondern durch eine unglückliche Verkettung von Umständen, die jeden treffen könnte. Dennoch war das Gefühl des Versagens und der Schuld für Lee so übermächtig, dass er nur fliehen konnte. Nach Boston, wo ihn niemand kannte und nichts ihn an das erinnerte, was er verloren hatte.
Nun muss er sich all dem wieder stellen, kann es nicht vermeiden, seine Ex-Frau zu treffen, und soll für seinen minderjährigen Neffen Entscheidungen treffen. Doch Patrick ist kein Kind mehr. Er hat sein eigenes Leben und eigene Vorstellungen. Mit dem Tod seines Vaters geht er auf sehr individuelle Art um, und er hat ein feines Gespür für andere Menschen, weshalb es für ihn keine Option ist, bei seiner geschiedenen und wieder verheirateten Mutter zu leben.
Alle Charaktere in diesem Film wirken sehr authentisch, bis in die Nebenfiguren hinein. Es gibt hier keine Guten und Bösen. Jeder ist ein Mensch mit seinen ganz eigenen Facetten. Die Spannung entsteht dadurch, dass man dem Leben zusieht, wie es sich seinen Weg bahnt, indem es stattfindet. Vieles ist normal und manches herzzerreißend und erschütternd, oder komisch. Wünsche, Verantwortung und Notwendigkeiten konkurrieren miteinander. So wie das jeder kennt.
Der Film und die Schauspieler sind großartig. Man rechnet mit Oscar-Nominierungen.
Erst jetzt gesehen. Sehr überzeugend! Und ungemein tragisch, ohne leichte Auflösung. Immerhin entwickelte sich dennoch eine zarte Pflanze der Hoffnung.