Kinostart: 10. März 2016

Doris Dörrie hat in ihre Filme schon öfter japanische Themen und Schauplätze eingebaut („Erleuchtung garantiert“, „Kirschblüten – Hanami“), nun hat sie einen ganzen Film – schwarz-weiß – im Land der aufgehenden Sonne und der Katastrophe von Fukushima gedreht. Einen weisen Film, in dem es um die Bewältigung von Schuld und Verlust und das Erkennen eines Lebenssinnes geht. Diese schwergewichtigen Themen werden mit leichter Hand und stillem Humor behandelt, ohne etwas von ihrer Bedeutung und Tiefe zu verlieren.

Eine junge deutsche Frau, Marie (Rosalie Thomass), ist unterwegs nach Tokio. Sie stellt sich viele Fragen: Bin ich richtig, so wie ich bin? Sollte ich etwas anderes machen? Bin ich mit den richtigen Menschen zusammen? Bin ich glücklich? Was muss ich dafür tun? Was ist, wenn ich alles verliere? Wie könnte ich neu anfangen? All diese Sorgen haben damit zu tun, dass ihre geplante Hochzeit gerade geplatzt ist. Ihre Idee ist, dass sie im Rahmen eines Clown-Projekts den Opfern von Fukushima etwas Freude bringt und vor deren größerem Unglück ihr eigenes vielleicht vergessen kann.

In Tokio angekommen, trifft sie den Clown Moshe (Moshe Cohen) und reist mit ihm weiter nach Fukushima, wo sie von einer japanischen Clownin (Nami Kamata) empfangen werden. In der Behelfs-Siedlung am Rande des Katastrophengebiets leben nur noch alte Menschen, überwiegend Frauen, die durch die Ereignisse vom März 2011 alles verloren haben. Sie können nicht in das völlig verwüstete, strahlenverseuchte Gebiet zurück, sehen aber auch nirgendwo sonst eine Zukunft für sich.

Schnell merkt Marie, dass sie hier fehl am Platz ist. Während die anderen Clowns Beifall bekommen, werden ihre Bemühungen in Sachen Komik mit steinernen Mienen verfolgt. Auch ihr Versuch, mittels Hula-Hoop-Reifen Frohsinn zu verbreiten, scheitert kläglich.

Marie ist enttäuscht und erkennt, wütend auf sich selbst, dass ihr Plan, hier ihr eigenes Leben auf die Reihe zu bringen, egoistisch und „bullshit“ ist, wie es eine der älteren Frauen auf den Punkt bringt.

Diese Frau, Satomi (Kaori Momoi), bittet Marie am nächsten Morgen um einen Chauffeur-Dienst, und Marie lässt sich darauf ein, ohne zu wissen, wohin die Reise geht. Sie fahren in die gesperrte Zone zu Satomis zerstörtem Haus, und Marie kann sie nicht davon abbringen, mit ein paar Materialien, Essens- und Wasservorräten dort zu bleiben. Sie fährt allein zurück in die Siedlung und bereitet frustriert ihre Heimreise nach Deutschland vor.

Doch dann realisiert Marie, dass dies eine weitere kopflose Flucht wäre und dass es für sie Besseres zu tun gibt. Sie fährt zurück zu Satomi und bietet ihre Hilfe bei der Wiederherstellung des Hauses an. Die ältere Japanerin ist nicht begeistert, denn sie traut diesem ungelenken blonden Riesenbaby nichts zu, doch schließlich lenkt sie ein. Die beiden Frauen räumen Schutt weg, richten eingestürzte Wände wieder auf, fegen, putzen und machen so das Haus allmählich wieder bewohnbar – inmitten einer verwüsteten, lebensfeindlichen Mondlandschaft, in der nur das Gerippe eines einzigen Baums stehen geblieben ist.

Die Arbeit am Haus hat natürlich auch symbolische Bedeutung. Sie steht für die holprige Heilung zweier beschädigter Seelen, die zunächst nichts voneinander wissen. Beim zeremoniellen Tee trinken sagt Marie: „You are so elegant.“ Satomi entgegnet: „You are an elephant.“ Und dann bringt sie ihr bei, wie man richtig sitzt und Tee trinkt, und dabei nichts anderes denkt oder tut. …“Just this moment, nothing else. There is no pain.“

Aber man kann nicht immer Tee trinken, und nachts kommen die Geister, da hilft es auch nichts, sich Salz über die Schultern zu streuen. Satomi sagt: „Du ziehst die Geister an, weil du unglücklich bist. Du trägst einen Geist auf deinem Rücken, jemanden, den du verloren hast.“

Aber es kommen auch Satomis Geister. Sie war die letzte Geisha in Fukushima und ist schuld am Tod ihrer einzigen Schülerin. Diese Erinnerungen sind schmerzhaft, und „es gibt keinen Ausweg. Dies ist dein einziges Leben. Vermissen ist, wie mit Geistern zu leben.“

Und doch finden die Beiden, jede für sich und mit gegenseitiger Hilfe, einen Weg der Versöhnung und des vorsichtigen Neuanfangs. Wie – das sollte sich jeder selbst ansehen, es ist einfach, lebendig und schön.