Eine Reise auf dem Amazonas Kinostart: 21. April 2016
Dies ist ein ungewöhnlicher Film – in Schwarzweiß und vielen Sprachen gedreht – der zwei Amazonas- Erkundungen aus der Sicht des einheimischen Schamanen Karamakate zeigt. Zwischen den Reisen des schon älteren Deutschen Theodor Koch-Grünberg (1907) und des jungen Amerikaners Richard Evans liegen vier Jahrzehnte. Sie haben sich nie getroffen. Der Film basiert auf ihren Tagebüchern und der Figur des sie begleitenden Schamanen, als junger und als alter Mann.
Im Film vermischen sich die Zeitebenen, und die beiden Naturforscher ähneln sich im Typus. Das entspricht dem Zeitverständnis der indigenen Völker des Amazonasgebiets. Zeit ist für sie keine fortlaufende Linie wie für uns im Westen, sondern sie besteht aus vielen gleichzeitigen Universen. Das hebelt auch unser Konzept vom Raum aus. Vielleicht hat das damit zu tun, dass die unendlich vielen Windungen des Amazonas und der endlose Regenwald an den verschiedensten Stellen immer wieder sehr ähnlich aussehen. Die Kreisläufe in der Natur sind präsenter als in Industrieländern. Deja vu- Erlebnisse dürften an der Tagesordnung sein, jedenfalls bis zum massiven Eingriff der Weißen in die Landschaft.
Der kolumbianische Regisseur und Autor Ciro Guerra, Jahrgang 1981, spürte den Drang, sich mit dem Amazonasgebiet zu beschäftigen, das die Hälfte seines Landes ausmacht (und einen großen Teil mehrerer anderer Länder), weil er darüber praktisch nichts wusste. Die Herstellung des Films hat sein Weltbild verändert. Guerra lernte, dass für die im Amazonas-Gebiet lebenden Völker eigene Regeln und Erfahrungen mit der Natur gelten. Jeder Stein, jeder Baum und alles was es gibt, hat seine eigene Weisheit, die es zu beachten gilt, um in dieser Umwelt zu überleben und sie gleichzeitig zu erhalten. Dieses Wissen kann nicht einfach gelernt und übernommen werden, es entfaltet sich nur im ganzen Leben. Und Vieles davon ist schon verloren gegangen und erodiert weiter.
Der rote Faden des Films besteht aus den Kanufahrten der Forscher über den Fluss, ihrer Abhängigkeit von dem sie begleitenden Schamanen, der Suche nach einer geheimnisvollen Heilpflanze und den teils verstörenden Begegnungen mit Einheimischen und vor allem den Hinterlassenschaften weißer Eroberer. Katholische Missionare haben in einer Art befestigtem Kloster-Dorf eine grausam-bigotte Herrschaft errichtet. Kautschuk-Barone beuten die Natur und einheimische Arbeitskräfte erbarmungslos aus. Die ersten Eindringlinge sind zu einem Mythos geworden, der in den späteren – aus Sicht der Einheimischen – weiterlebt. Es ist die Vorstellung eines Geists und eines Lebens, das sich in verschiedenen Körpern zeigt.
Ein ruhiger, kontemplativer Film voller Überraschungen und Einblicke in faszinierend fremde Sichtweisen. Er wurde für den Auslands-Oscar nominiert.