Kinostart: 14. April 2016
Was macht der Krieg mit Menschen? Wie weit darf man im Kampf gegen den Terror gehen? Wie verarbeitet man die unvermeidliche Schuld? Diesen Fragen geht der Däne Tobias Lindholm in seinem Film „A War“ nach. Er war selbst nie Soldat, hat aber mit vielen Beteiligten und Zeugen gesprochen: dänischen Soldaten, Taliban-Kämpfern, Angehörigen und Flüchtlingen, um die Geschichten von Menschen im Krieg erzählen zu können. Bis auf drei Schauspieler werden alle Soldaten von echten Soldaten dargestellt. So entsteht ein authentischer Eindruck vom militärischen Einsatz – ohne jedes reißerische Gehabe.
Kommandant Claus Michael Pedersen (Pilou Asbæk) ist mit seiner dänischen Einheit in der afghanischen Provinz stationiert. Bei einem Patrouillengang seiner Männer in von Taliban kontrolliertem Gebiet tritt einer von ihnen auf eine Miene und stirbt trotz aller Rettungsversuche noch am Einsatzort. Zurück im Camp muss Pedersen die Moral seiner Soldaten mit Mitgefühl und klarer Führung aufrecht erhalten. Dem ist er gewachsen, er wirkt souverän und kompetent. Aber auch er wäre lieber zu Hause in Dänemark, wo seine Frau Maria (Tuva Novtony) den aufreibenden Alltag mit drei Kindern alleine bewältigen muss.
Die Kinder vermissen ihren Vater. Der einzige Kontakt sind kurze, unregelmäßige Telefongespräche. Besonders der mittlere Sohn reagiert auf seine Verlustangst mit aggressivem Verhalten in der Schule. Und auch seine Geschwister testen ihre Grenzen aus und halten die Mutter auf Trab, die nur zu gern ihren Mann an ihrer Seite hätte.
Unterdessen beschließt Claus Pedersen in Afghanistan, mit seinen Männern auf Patrouille zu gehen, um so ein Zeichen für seine Unterstützung zu geben. Die Situation ist angespannt. Überall könnten Minen verborgen sein. Angriffe aus dem Hinterhalt sind jederzeit möglich. Begegnungen mit der Bevölkerung sind von gegenseitigem Misstrauen geprägt.
In einem Dorf treffen die Soldaten auf eine Familie mit mehreren Kindern, deren kleine Tochter eine infizierte Brandwunde hat. Die Soldaten versorgen die Verletzung des Mädchens. Bald darauf taucht die Familie im Militärcamp auf und bittet um Schutz, sie fürchtet die Rache der Taliban, denen der Kontakt mit den Soldaten nicht entgangen ist. Das könnte aber auch eine Falle sein. Aus gutem Grund gibt es eine Vorschrift, die verbietet, einheimische Zivilisten im Camp aufzunehmen. Die Familie wird mit dem Versprechen weggeschickt, dass man sich am nächsten Tag um die Sicherheit im Dorf kümmern wird. „Ich habe auch Kinder“, sagt der Kommandant verständnisvoll. „Aber die sind in Sicherheit“, sagt der afghanische Familienvater bitter.
Als dann eine kleine Einheit, angeführt von Pedersen, im Dorf auftaucht, ist alles gespenstisch ruhig. Erschüttert entdecken die Männer die Familie, alle grausam ermordet, in ihrem Haus. Und plötzlich werden die dänischen Soldaten massiv ins Kreuzfeuer genommen, einer wird schwer verletzt, ohne dass sich genau ausmachen ließe, wo sich die feindlichen Taliban verbergen. Um aus der Falle heraus zu kommen und vor allem den Verletzten zu retten, fordert Pedersen Luftunterstützung an. Die Voraussetzung dafür ist, dass er eine PID (Positive Identification) übermittelt: die genaue Angabe, aus welchem Gebäude die Schüsse kommen. In der buchstäblichen Hitze des Gefechts ist der Kommandant sich nicht absolut sicher, gibt aber trotzdem die PID ab.
Die Einheit wird gerettet, doch in dem aus der Luft beschossenen Haus finden sich keine Kämpfer, sondern elf tote Zivilisten, darunter Frauen und Kinder.
Wenige Tage später wird Pedersen verhaftet, nach Dänemark gebracht und wegen Kriegsverbrechen angeklagt.
Damit beginnt der zweite Teil des Dramas. Einerseits ist Claus Pedersen froh, zu Hause bei seiner Familie zu sein, Frau und Kinder sind glücklich. Aber er muss sich vor Gericht verantworten. Die Bilder der Getöteten verfolgen ihn. Er weiß, dass er nicht frei von Schuld ist und dass ihm eine mehrjährige Haftstrafe droht, wenn er dazu steht. Aber wem würde das helfen? Nicht den getöteten Zivilisten und ganz sicher nicht seiner Familie.
Der infrage stehende Einsatz ist genau dokumentiert, jedes Wort, jeder Befehl aufgezeichnet. Die junge, unaufgeregte Staatsanwältin weist sachlich auf Fehler und Ungereimtheiten hin. Der Verteidiger ist trotzdem zuversichtlich. Die Kameraden im Zeugenstand stehen zu ihrem Kommandanten, den sie menschlich schätzen und dem sie viel zu verdanken haben. Der Ausgang des Prozesses wird davon abhängen, wie Claus Pedersen zu seinem Verhalten Stellung bezieht.
In diesem Film wird der moderne Krieg, der eigentlich keiner ist, denn Dänemark ist keine Kriegspartei, in seinem Ablauf einerseits sachlich-realistisch dargestellt, zugleich als moralisches Problem. Wie unterscheidet man die zu Schützenden von den möglichen Angreifern, wenn es keine klaren Fronten gibt? Worum geht es eigentlich? Was ist das Ziel? Was haben die Soldaten eines kleinen nordeuropäischen Landes in einem zentralasiatischen Land verloren, das ihres nicht bedroht, und dessen Mentalität ihnen völlig fremd ist? Wie können sie einen Sinn darin finden, – vielleicht – ein wenig zu helfen und dafür ihr Leben zu riskieren? Sie haben humanitäre Ideale und können es nicht vermeiden, Unschuldige zu töten. Die Politik, die diese Situation geschaffen hat, bleibt außen vor.
Dieser Einsatz ist absurd – aber folgenreich. Sicher auch für die deutschen Soldaten in Afghanistan.