Licht ( IT: Mademoiselle Paradis ) Kinostart: 1. Februar 2018
Es geht um das Sehen und Gesehen Werden im gesellschaftlichen Zusammenhang. Frei nach dem Roman „Am Anfang war die Nacht Musik“ von Alissa Walser und einer wahren Begebenheit hat Kathrin Resetarits das Drehbuch zum Film von Barbara Albert verfasst.
Im Mittelpunkt steht die 18jährige Maria Theresia „Resi“ Paradis (Maria Dragus), eine blinde Pianistin, Zeitgenossin Mozarts, die im Rokkoko-Wien der 1770er Jahre sehr erfolgreich bei Kammermusikabenden in der besseren Gesellschaft auftritt. Die Kaiserin hat ihr eine „Gnadenpension“ gewährt, und sie bekommt viel Applaus. Doch das genügt den ehrgeizigen Eltern (Lukas Miko und Katja Kolm) nicht. Resi ist nicht hübsch genug, bewegt sich nicht anmutig, ihre blicklos rollenden Augen irritieren. Ständig wird sie überwacht und ermahnt. Die plötzliche und unerklärliche Erblindung in der frühen Kindheit steht der vollen gesellschaftlichen Anerkennung im Weg. Allen möglichen quälenden Kuren wurde das Mädchen unterzogen, ohne Erfolg.
Doch dann wird sie zu einem Heiler gebracht, der seine völlig neuen Methoden vorführen und damit anerkannt und berühmt werden will. Es ist Franz Anton Mesmer (Devid Striesow), der Magnetiseur. Er überzeugt die Eltern, Resi für einige Zeit auf seinem Anwesen wohnen zu lassen, wo er sie mit unsichtbarem „Fluidum“ behandeln wird. Hier beginnt eine neue Zeit für das Mädchen. Sie muss sich nicht einem Publikum präsentieren, lernt andere Patienten kennen und auch die aufgeweckte, fröhliche Bedienstete Agnes (Maresi Riegner), zu der sie immer mehr Vertrauen fasst. Mesmer befreit Resi von allem einengenden modischen und standesgemäßen Firlefanz, hört ihr zu und sorgt dafür, dass sie sich entspannt. Worin die Behandlung eigentlich besteht, bleibt offen, aber erste Erfolge zeigen sich. Resi sieht Licht und schemenhafte Gegenstände, was nicht nur schön, sondern auch schmerzhaft und verwirrend ist. Die Helligkeit blendet. Ihre subjektiven Vorstellungen treffen auf eine unbekannte Wirklichkeit, und es fällt ihr schwer, beides in Einklang zu bringen.
Mesmer führt seine Patientin den angesehenen Wiener Doktoren vor, in der Hoffnung in die Akademie aufgenommen zu werden, doch er wird verdächtigt, mit Taschenspieler-Tricks zu arbeiten. Und Resi muss feststellen, dass ihr Klavierspiel schlechter wird, in dem Maß wie sie besser sieht. Das ist eine Katastrophe. Nur ihre Musik brachte ihr Anerkennung, ja Daseinsberechtigung. Wer ist sie, ohne ihre Kunst?
Barbara Albert zeigt in vielen genauen und subtilen, auch ironischen Bildern und Dialogen mehr als die historischen Fakten. Es geht um eine Emanzipation und Fragen der Wahrnehmung, unter anderem um den abwertenden Blick auf Behinderte, der auch heute noch gang und gäbe ist. Mesmer, wirtschaftlich abhängig von seiner reichen Frau, erscheint als humaner Gegenpol zur arroganten höfischen Gesellschaft. Aber er bleibt undurchsichtig. Ist er ein unerkanntes Genie, oder ein charismatischer Betrüger? Beruht die Blindheit auf Hysterie und die Heilung auf Suggestion? Die Regie und die beiden herausragenden Darsteller halten das in der Schwebe. Und doch, oder gerade darum: ein erhellender Film.