Der missglückte Versand meines 246. Newsletters beim Versuch, das Programm von Steady, meinem neuen Newsletter-Versender, zu verstehen, bringt mich heute auf das Thema Umgang mit Fehlern.
Als ich noch Inhaber des Connection Verlages war (1985 bis 2015), hatte ich mal eine Mitarbeiterin in der Redaktion, die versuchte alles richtig zu machen. Nur zu verständlich, wer will das nicht. Sie aber war auch beim Misslingen von Pillepalle am Boden zerstört, deshalb trug ich ihr auf, jeden Tag mindestens fünf mittelschwere Fehler zu machen – in ihrer Sicht waren alle ihre Fehler mindestens mittelschwer. Wenn sie das nicht schaffte, gäbe es einen Punktabzug für jeden Fehler, der bis fünf fehlte. Und sie wurden akkumuliert! Es dauerte ein paar Monate, dann grinste sie nur noch bei der Beichte ihrer täglichen Fehler. Sie wurde eine gute Redakteurin.
Nach dem Fehler im Umgang mit dem Programm von Steady, meinen jetzigen Newsletterversender, war heute ich es, der am Boden zerstört war. Pillepalle? Mitnichten! Wenn 2.000 Leuten auf meinen Juli-Newsletter warten und dann SOWAS bekommen, ist das eine Katastrophe. Und ganz klar meine Schuld. Nach dem Vorsatz »Störungen haben Vorrang« mache ich das nun zum Thema (schlau, oder?) und Motto »Alles Schlechte hat sein Gutes« versuche ich über die Blamage von heute Morgen hinwegzukommen.
Das Versagen der Militärs
Können auch Politiker und andere öffentlich sichtbare Menschen Fehler zugeben? Weil das so schwer ist, gilt in der Diplomatie, dass für einen Frieden beiden Seiten die Möglichkeit gegeben werden muss, »das Gesicht zu wahren«. Was für wenig selbstreflektierende Menschen sehr schwer ist. Es scheint ihnen dabei – subjektiv – ein Zacken aus Krone zu fallen, ein Puzzlestein aus dem Ego. Eines der schrecklichsten Beispiele für die Unfähigkeit von Politikern Fehler zugegeben zu können, sind die Isonzoschlachten im Ersten Weltkrieg. Mit mehr circa einer Million Toten, vor allem auf Seiten der angreifenden Italiener, gehören sie zu den verlustreichsten Schlachten dieses Kriegs.
Elf mal griffen die Italiener die Österreicher an, anfangs mit von Schlacht zu Schlacht zunehmenden Verlusten, immer fast ohne Geländegewinn. Erst in der zwölften Schlacht griffen die Österreicher an, überraschten die Italiener und erzielen große Geländegewinne. Die italienischen Angreifer konnten nach keiner der Schlachten zugeben, dass ihre Angriffe ein Fehler waren. Zig tausend gestorbene junge Männer pro Schlacht, weil Politiker, zumal in diesem Falle demokratisch gewählte, einen Fehler gemacht hatten. Das zugeben konnten sie nicht. Sie mussten mit der nächsten Schlacht beweisen, dass der Angriff kein Fehler war und die Jungs nicht umsonst gestorben waren. Zehn mal hintereinander derselbe Fehler, mit weit schlimmeren Folgen als nur einem Erröten vor Scham, einer öffentlichen Blamage, vielleicht dem Verlust eines Amtes – hier ging es um eine Million Menschen, die durch die Unfähigkeit der Politiker, eigene Fehler zuzugeben, zum Kanonenfutter an der Front wurden.
Auch bei den vielen Fehlentscheidungen während der Corona-Pandamie fiel und fällt es Politikern, Wissenschaftlern und Unternehmern offensichtlich schwer, Fehler zuzugeben. Vor allem ihr Image steht da auf dem Spiel – es wird ja keiner geköpft für eine falsche Entscheidung oder kommt dafür lebenslang hinter Gitter. Sie wollen ihre Entscheidungen gut gemeint haben, waren aber zu oft eher von Angst, ökonomischem Interesse oder Karrierewünschen getrieben und haben dafür die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen. Auch hier ging es um Menschenleben, wenn auch nicht so direkt wie in einer militärischen Schlacht.
Viel investiert für nix
In der Wissenschaft ist dieser Mechanismus als sunk cost fallacy (Ökonomie) und commitment fallacy (Psychologie) bekannt. Man investiert Zeit, Geld oder andere Ressourcen in ein Projekt. Je höher der Einsatz, umso mehr hängt man dann da drin mit seinem Engagement, Commitment, Ego, Image, sozialen Ansehen und kann dann kaum mehr zurück. Habe eine Ausbildung begonnen und schon ein paar tausend Euro dafür investiert, die Ausbilder aber sind enttäuschend. Habe ein oder zwei Semester ein Fach studiert, in dem ich gar nicht abschließen will. Hab eine Beziehung begonnen und mich schon so auf diesen Partner eingestellt: Wohnort gewechselt, vielleicht sogar meinen Nachnamen, bin im Urlaub immer ans Meer gefahren statt in die Berge, habe auf oralen Sex verzichtet, auf meinen Kinderwunsch oder was auch immer mein Beitrag für den Erhalt der Beziehung war – und jetzt soll das alles umsonst gewesen sein?
Die Änderung ist vor allem deshalb schwer, weil man erstens gegenüber sich selbst und zweitens gegenüber der eigenen sozialen Umgebung ungern einen Fehler eingesteht. Wie stehe ich denn dann da, vor all den Leuten? In meinem Fall heute Morgen vor meinen zwei tausend Abonnenten. »Ist er denn zu blöd, so einen Newsletter rauszuschicken und dabei die paar Clicks richtig zu setzen?«, höre ich sie sagen. Oft ist der Selbstvorwurf in so einem Falle das schlimmste – der Vorwurf der Anderen, den ich mir in meiner Scham einbilde.
NATO-Hegemonie, Europa und die Pressefreiheit
Weil ich die Vorbereitung auf einen Krieg gegen Russland und die direkte oder indirekte Teilnahme an Kriegen mehrer anderer Länder neben der Zerstörung der Natur für die schlimmsten Fehler unserer aktuellen Politik halte, hier noch zwei Links, Europa und die Ukraine-Kriege betreffend, von Globalbridge und aus der Berliner Zeitung. Palästina wird hier nur gestreift, die Fakten hierzu sind ja hinlänglich bekannt.
Die Geschichte der NATO-Osterweiterung von Christian Müller auf Globalbridge im Nov 2023. Den ‚NATO-Verstehern sei hier zum x-ten Mal gesagt, dass eine Aufzählung der Vorgeschichte mitnichten Putins Angriff von 2022 rechtfertig. Und hier ein Beitrag zum Thema aus dem deutschen Mainstream der sogenannten ‚Qualitätsmedien‘, die ja Gottseidank nicht nur ‚Kriegsertüchtigendes‘ bringen: das Interview mit dem renommierten Chicagoer Politologen Mearsheimer über die weltpolitische Lage, erschienen im Juni 24 in der Berliner Zeitung.
Und hier noch ein Link zu Julian Assange, der Pressefreiheit und der Behandlung von Whistleblowern seitens der Weltmächte. Historisch der große Bogen, beginnend mit den Pentagon Papers von 1971 – damals wurden Whistleblower noch geehrt.
A propos »großer Bogen« – ich habe in den vergangenen Monaten versucht, mich politisch besser zu informieren, vor allem weil ich bald für das politisch gut informierte (Schweizer) Transition TV Beiträge liefern möchte. Damit ist mir bewusst geworden, dass es in erster Linie nicht noch mehr gut aufgesammelte Fakten braucht, um unsere desaströse Kultur zu ändern. Sondern eine Einordnung der Fakten in ein Gesamtbild, aus dem heraus ein kluges Handeln möglich ist. Dazu möchte ich beitragen, im Privaten wie im Politischen.
Überall Entwicklungsland
Global denken, lokal handeln …. zu meinem lokalen Handeln gehört, dass ich dabei bin, in meiner Region lokale Gruppen zu unterstützen. Habe an der Yogavilla Emsdetten eine Meditationsgruppe gestartet. Gebe weiterhin Wochenend-Gruppen im Upleven (nicht ganz so lokal, leider). Baue auf unserem Gelände nach einer Sauna nun auch eine Draußenküche und ein Holzlateau für eine Jurte – ein 7 m ø Zelt für das Plateau gibt es schon. Wer dabei mitmachen will, meldet euch! Lokal handeln heißt netzwerken, einander empfehlen und unterstützen. Greven sei ’noch Entwicklungland‘ im Hinblick auf meine politisch-gesellschaftlichen Ziele, höre ich hier von den Einheimischen. Und »Sei die Veränderung, die du in der Welt sehen willst«, höre ich von meiner inneren Stimme.
Veranstaltungen mit mir
Am 8. September um 19 h (bis 20.30h) geht die von mir angeleitete Einführung in Meditation in der Yogavilla Emsdetten weiter. Die jeweils 90 min bauen aufeinander auf, können aber auch einzeln gebucht werden.
Vom 23. bis 25. August bin ich wieder im Upleven Hotel der Stille mit einem Seminar zum Thema: Wie soll es weitergehen? – Reorientierung an einem Wendepunkt im Leben. Diesmal speziell mit Fokus auf die Individualität vor dem Hintergrund des Unendlichen und der Frage, wie das Relative mit dem Absoluten, das Irdische mit dem Himmlischen zusammenhängt. Weitere Seminare im Upleven gebe ich 12.-15. Sept und 29. Nov bis 1. Dez.
Auch beim BeFree Tantra Sommerfestival vom 4. bis 8. September bin ich wieder dabei. Es ist im Jahreszyklus der BeFree Seminare das am ehesten für Neueinsteiger geeignete. Außerdem bin ich beim BeFree Herbstseminar vom 1. bis 6. Oktober; das ist eher für Fortgeschrittene.
Mein nächstes Seminar im Benediktinerkloster Münsterschwarzach ist vom 24. bis 27. Februar. Dort geht es ums Ankommen. Die Beheimatung im Relativen, Vergänglichen: in unseren Beziehungen und in einer geliebten Lokalität; dabei der Übergang vom Fixpunkt Dies-ist-meine-Heimat zur Dynamik des »Ich-beheimate mich«. Es geht dabei um unsere Sehnsucht nach Geborgenheit, die im Relativen nie ganz erfüllt ist. Dieses ist von meinen Seminaren das preisgünstigste, es kostet nur 140 € für die drei Tage + 210 € für U/V im EZ mit Dusche. Durch die Umgebung der mehr als 100 Benediktinermönchen ist hier die Suche nach dem Absoluten in der Gestalt dieser christlich-europäischen Tradition besonders gut spürbar.
Lieber Wolf, interessanter Austausch. Danke. Hast Du mich tatsächlich urteilend gelesen? Ich fand eher, dass ich eine andere Herangehensweise geteilt habe, aus direkter zeitnaher und persönlicher Erfahrung. Zudem fand ich die besagte Entscheidung unter dem von Dir nun erneut erwähnten Aspekt der/s(?) „commitment fallacy“ stimmig. Wobei das Ganze bei 40 erwartungsfrohen Gästen am Samstag natürlich unter dem Druck-Verhältnis 1:50 in Kontext mit Deiner Leserschaft gesetzt werden kann. Das ist wohl tatsächlich ein anderes Kaliber. Mein „eigener“ Verteiler für einen regionalen Klima-Neuigkeitenbrief hat knapp vor 90 stagniert. Zudem lasse ich ihn nun los und übergebe ihn in neue Hände bei uns… Weiterlesen »
Lieber Mr.ZackZack,
also wirklich…
„…dem Vorsatz »Störungen haben Vorrang« mache ich das nun zum Thema (schlau, oder?) und dem Motto »Alles Schlechte hat sein Gutes« versuche ich über die Blamage von heute Morgen hinwegzukommen…“
Darf ich Dir eine ) nachreichen, in aller Liebe?
Mr.Ganzgenaugrad
Lieber Wolf, wenn ich es richtig sehe, hast Du die ) verwendet und das Leak abgedichtet. Gerne möchte ich Dir zum „großen Bogen“ noch dies Spannendes hinzufügen. https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz/markus-lanz-vom-14-maerz-2024-102.html Ab Min 41.25 (getagt) die erhellensten Worte zum Fall Assange, die bisher zu mir kamen. Der gestikulierende Herr Prantl ist dann noch ein Sahnehäupchen obendrauf, auch wenn es bitter schmeckt. Denn für mich hatte er als vermeintlicher „Durchblicker“ auch immer einen gewissen Sockelplatz. Der ist nun geplatzt und Herr P. liegt im SchuttStaub seiner eigenen Unfähigkeit, eine differenzierende und horizonterweiternde Wahrheit reinzulassen und zu integrieren. Insgesamt hab ich beim ersten Drüberlesen Deines… Weiterlesen »
Lieber Markus, das mit der Scham war echt. Ich habe mich wirklich geschämt, diesen blöden Fehler gemacht zu haben und war danach fast zwei Stunden ziemlich zerknirscht und voller Selbstvorwürfe. Dann habe ich versucht, mit dem neuen Blogeintrag und Rundbrief das wieder gut zu machen. Vor allem in Hinblick auf die sunk cost fallacy und commitment fallacy finde ich diesen Blogeintrag wertvoll. Die Schwierigkeit, oft Unfähigkeit, von uns Menschen, bei einem investierten Aufwand (Kosten, Zeit, Ressourcen) zugeben zu können, dass es ein Irrtum war, ein Fehler, ist so weitreichend. Das rationale Entscheidungsvermögen ist dann stark eingeschränkt oder setzt aus. Oft… Weiterlesen »
Große Bögen hat man oft im Auge, doch sind sie immer statthaft?
Ich halte es eher damit, etwa ein persönliches (Mikro-) Versagen zu analysieren, daraus kann man evtl. lernen. Aber Verallgemeinerungen, die großen Bögen eben, die sind oft konstruiert. Denn was alles in jeweilige Fehlentscheidungen/Versagen eingeflossen ist, wer kann das wissen.
Und Experten gibt es immer für jedes Pro und jedes Contra. Wem mag man glauben, wer hat den Punkt?
Ich halte es eher mit Kurosawas Werk „Rashōmon„, in dem M.E. alle Beteiligten eine unterschiedliche Geschichte über ein striktes Einzelgeschehen erzählen
Lieber Markus, aus u.a. Urlaubsgründen mache ich es hier kurz. Der Satz „Sie wollen …“ ist von mir, er ist kein Zitat. Ich bin damit sehr pauschal auf die Pandemie eingegangen als Beispiel, wo Politiker sich schwer taten damit, bei einmal getroffenen Entscheidungen einen Rückzieher zu machen, auch wenn sie eingesehen hatten, dass die Entscheidung ein Fehler war. Die meisten meiner Leser werden das für eine sehr nachsichtige Beurteilung dieser Menschen mit ihren Fehlentscheidungen halten. Das will ich hier trotzdem nicht genauer ausführen. Eh klar, dass das mehr Genauigkeit erfordert, aber das muss ja nicht ich ausführen, das können andere… Weiterlesen »
Urlaubsgrüße… 40 x 50 = 2000
Lars hätte 40 Adressaten für seinen Input gehabt, Du hast 2000, wie Du schriebst.
Auf bald wieder.
Die Einladung hab ich präsent und kreise schon um eine geschickte Planung in mir herum. Dennoch auch hier nochmals Danke.
Schönes Reisen euch,
Grüße Markus