Seit gestern, 23.3.23, ist der Dokumentarfilm »Erica Jong – Breaking the Wall« von Kaspar Kasics in deutschen Kinos zu sehen.

Erica Jong wurde am 26. März 1942 in New York geboren, übermorgen wird sie 80 Jahre als sein. Der Film zeigt einen Rückblick auf ihr langes Leben, in dem sie so viel für den Feminismus getan hat und für die sexuelle Befreiung der Frauen. 

Erica Jong war 31 Jahre alt, als ihr mit Fear of flying / auf Deutsch »Angst vorm Fliegen« ihr erstes Buch erschienen. Es machte sie auf Anhieb berühmt, weil es zum Geist dieser Zeit passte, zur sexuellen Liberalisierung der 70er Jahre. Der darin von ihr erwähnte Spontanfick –  »the zipless fuck« – flog als Mem durch die Medien der Welt. Erica war seitdem die Frau mit dem Spontanfick. Die einen fanden das entsetzlich, die anderen jubelten ihr zu. Medienmäßig und für sie als Autorin war es ein Megaerfolg. Bis heute hat sich ihr Buch in 27 Sprachen insgesamt 18 Millionen mal verkauft. 

Die Furcht vor Einengung durch Erfolg

Ich habe »Die Angst vorm Fliegen« nie gelesen, mich aber mit seiner Wirkung befasst. Als vor vielen Jahren, es könnte irgendwann in den 90ern gewesen sein, der Spiegel sie zum Erfolg ihres Buchs befragte, sagte sie: Ja, ein ökonomischer Erfolg war es. Das Buch machte sie reich und berühmt. Sie wehrte sich aber jahrzehntelang gegen das Image, das sie damit verpasst bekam. Erst jetzt sei sie damit allmählich in Frieden. Sie wollte als kreative, weibliche Autorin bekannt werden und nicht auf sowas wie den Spontanfick reduziert werden. Ihre weiteren Bücher fokussierten denn auch kaum mehr auf die sexuelle Befreiung – und verkauften sich nicht annähernd so gut. 

Das erinnert mich an den Erfolg meines ersten Buchs »Tantra – Spiele der Liebe«, das 1994 im Rowohlt Verlag erschien. Es erlebte fünf Auflagen in zwei Sprachen (Deutsch und Italienisch) und war so das bisher Bestverkaufte meiner inzwischen sieben Bücher. Die italienische Ausgabe freut mich besonders, vor allem in der Fassung: Non possiamo semlicemente amarci – auf Deutsch: Können wir uns nicht einfach lieben? Diesen Titel finde ich von Bild und Text her viel schöner als alle anderen Ausgaben. 

Auch ich wollte nach dem Erfolg meines Tantrabuchs nicht auf Tantra reduziert werden. Tantra an sich ist eine gute Sache. Für die meisten ‚im Volk‘ ist es allerdings sowas wie »spiritueller Sex«, und dieses Etikett wollte ich nicht an mir kleben haben. Als Autor wäre eine Akzeptanz dieses Etiketts allerdings klug gewesen. Als einer ersten Tantrabuchautoren auf Deutsch hätte ich daraufhin ein Buch nach dem anderen schreiben können über: Liebe, Sex, Beziehung, Hingabe, Spiritualität & Liebe, Heiliger Sex, Hieros gamos und so weiter. Die hätten sich sicherlich alle recht gut verkauft, weil ich ja durch das erste in diesem Bereich schon recht bekannt war.

Erica selbst behauptet, den Spontanfick in seiner Reinheit nie erlebt zu haben, und sie mochte es nicht in den Medien darauf fixiert zu werden. Sie wollte ihr Buch nicht als Manifest für die sexuelle Befreiung von Frauen verstanden wissen, sondern als Manifest für die Befreiung der weiblichen Fantasie und Kreativität und der Freiheit von Frauen, ihr Leben nicht mehr von Männern dominieren zu lassen.

Verführungen und Widersprüche

Nach dem Erfolg hatte sie vielen Verführungen zu widerstehen, sagt sie heute. Hollywood bot ihr Verträge an, sie hätte sehr lukrativ für Frauenhygieneprodukte werben können etc – sie zog sich jedoch daraufhin nach Connecticut zurück, um Gedichte zu schreiben. Durch das Buch erlitt sie auch heftige persönliche Angriffe. Trotz vermeintlicher sexueller Befreiung in immerhin den westlich geprägten Ländern regierte damals noch sehr der Puritanismus, für den Sex etwas Schmutziges ist. Und das ist ja bis heute nicht so sehr viel anders. 

Warum hat sie, diese Koryphäe der weiblichen Emanzipation überhaupt viermal geheiratet? Darüber wundert sie sich heute im Gespräch mit jüngeren Frauen, die sich von ihrem Mut inspirieren lassen. In dem Film wird sie mit dem Scheidungsanwalt Ken gezeigt, mit dem sie seit 30 Jahren anscheinend glücklich verheiratet ist. Jedenfalls haben die beiden Humor, was Erica auch auf ihre Herkunft aus einer jüdisch-russisch-ashkenasischen Familie zurückführt. 

Der Film läuft im englischen Original mit deutschen Untertiteln, das gefällt mir. So hört man ihre Stimme im O-Ton, und für die nicht so leicht verständlichen Passagen gibt es die gut übersetzten Untertitel. 

Ich finde den Film auch künstlerisch interessant, wie er Aufnahmen von damals zeigt: die 70er Jahre, Erica Jong als Ikone des Zipless Fuck und heute, wie sie als 80-Jährige immer noch voller Elan ist. Oder wie da Schwierigkeiten mit der Technik gezeigt werden, die berühmte und weniger berühmte Menschen zu erleiden haben, wenn etwa im TV-Interview die Tonspur ausfällt oder das Knopflochmikro verrutscht.

Wann kommt der Frauenaufstand im Islam?

Sehr berührt hat mich auch ihr Bezug zu der jungen Feministin aus Kairo. Schon seit dem leider voll gescheiterten Arabischen Frühling warte ich darauf, wann endlich die Frauen in der islamischen Welt sich erheben. Dort gibt es immer noch massenhaft die weibliche Genitalverstümmelung, in Indonesien meines Wissens sogar zunehmend. 

In der Hinsicht verfolge ich auch den Aufstand der Frauen im Iran. Möge ihnen ein anderes Schicksal beschieden sein als den Frauen (und Männern) im Arabischen Frühling! Die Kräfte der Vergangenheit sind auch dort sehr stark. So stark wie bei uns die Macht des Natur, Kultur, Gesundheit und Psyche zerstörenden Weltkapitalismus, der sich einer angemessenen Besteuerung der Reichen verweigert.

‚Frauen im Kommen‘

Auch Regina Heckerts Buch »Frauen im Kommen« wünsche ich großen Erfolg. Es ist ihr erstes. An Erica Jong sieht man, dass auch ein Erstling sehr erfolgreich sein kann. Immerhin muss Reginas Buch schon zwei Monate nach dem Erscheinen nachgedruckt werden. Frauen im Kommen habe ich kürzlich in diesem Blog rezensiert und will dieser Tage Regina nochmal ausführlich dazu befragen. Denn, wie auch Erica Jong konstatiert: In mancher Hinsicht hat die sexuelle Revolution bis heute nicht wirklich stattgefunden. Das gilt für Männer übrigens kaum weniger als für Frauen. Mein Interview mit Regina wird dann ebenso wie mein Gespräch mit Viola zu Reginas Buch in meinem Youtube-Kanal erscheinen, den ihr übrigens abonnieren könnt.

Die Wahrheit befreit

Passend zu Erica Jongs Botschaft fand ich in Kaspar Kasics Dokumentarfilm über ihr Leben auch die Aufnahmen von Greta Thunbergs Auftritt in New York. Gretas Rede dort in einem öffentlichen Park wird mit Blick aufs Publikum gezeigt: Greta als Feministin der neuen Generation.

‚Die Wahrheit‘ zu sagen ist Erica Jongs Botschaft: »Wir müssen die Lügen zerreißen … erst kommt die Fantasie und dann, hoffentlich, die Tat. – »We have to rip the lies away….first comes the imagination, and then, you hope, the action.«

Ihr Schlusssatz im Film ist: »I do have a utopian dream: The truth can make you free«.