Dürfen wir fröhlich bleiben trotz eskalierender Gewalt wie der im Gaza-Krieg, der eigentlich kein Krieg ist, sondern ein Massaker? Und schon gar nicht ist diese Rache des Starken an den Schwachen eine Selbstverteidigung, denn Israel verteidigt sich damit nicht, sondern gefährdet sich so noch mehr denn je.
Dürfen wir ruhigen Blutes Fortschritt gutheißen, während die bei uns dominierenden Medien sich fortschreitend ihren Feindbildproduktionen widmen und sich dabei für ihre ausgewogene Berichterstattung loben?
Dürfen wir sinnlichen Genuss, Liebe und spirituelle Ekstasen ethisch gutheißen und das sogar noch fördern, trotz sich zuspitzender Metakrise?
Wer dieses Blog schon länger liest, weiß, dass meine Antwort hierauf eine klares Ja ist. Sinnlicher Genuss der Natur und des Zwischenmenschlichen, noch mehr die Liebe in allen ihren Aspekten und schließlich eine Art zu Leben, in der das Ich durchlässig bleibt in beide Richtungen – von innen nach außen und von außen nach innen – und sich so gut mit ‚dem Rest der Welt‘, dem vermeintlichen Nicht-Ich verbinden kann – diese Grundhaltung ist das, womit wir den sich zuspitzenden Krisen am besten begegnen können.
Reconnect with the Web of Life
Die leidenschaftliche Öko-Aktivistin, Rilke-Übersetzerin und Buddhistin Joanna Macy ist eine von denen, die die Krise sehr wohl wahrnehmen, sich dabei aber nicht wegducken. Sie hat eine Methode entwickelt und sie jahrzehntelang verfeinert, mit der wir uns mit dem uns umgebenden Leben wiederverbinden können – the work that reconnects nennt sie es – durch Dankbarkeit und Öffnung der Poren auch für den Schmerz der Zerstörung. Denn nur das Akzeptieren auch des Schmerzes macht uns offen für die Ekstase der Wahrnehmung der uns umgebenden Schönheit und Liebe, in denen wir geborgen sind und die wir inmitten von alledem trotzdem erfahren können.
Am übernächsten Samstag biete ich im Münsterland, in das ich voriges Jahr zu meinem 13-jährigen Kind gezogen bin, hierzu einen Ein-Tages-Workshop an. Obwohl ich Joanna Macy seit mehr als 30 Jahren kenne und schätze, wende ich hier zum ersten Mal als Workshopleiter ihre zentrale Methode des Reconnecting an. Der ich mich bisher vor allem als publizistischen Aktivisten verstehe, bin ich es hier nun auch mal für einen Tag in der Rolle des Therapeuten und (Selbst)heilers. Denn ich und du sind dasselbe, auch das ist Joanna Macys Botschaft, die sie lehrt und lebt: die Selbstausdehnung. Wenn das um mich herum auch ich selbst bin, dann bin ich nicht mehr getrennt. Bin dem Schlimmsten ausgesetzt und zugleich auch mit dem Schönsten verbunden und eins damit, denn »auch das bin ich« (tat twam asi).
Die Liebe und die Wissenschaft
Warum erforscht die Wissenschaft immer neue Arten von Waffen, Drohnen, Satelliten und Roboter für Marslandungen anstatt der Liebe mal wenigstens eine Fakultät und ein paar Lehrstühle an den Universitäten zu widmen? Die bei uns ja immerhin noch theologische Lehrstühle und sogar Fakultäten haben. Immerhin fand ich kürzlich in meinem täglichen Newsletter von spektrum.de den Bericht von einer Studie, überschrieben mit »Wie Menschen lieben«, in der 4000 erwachsene US-Amerikaner 10 Tage lange nach ihren Gefühlen befragt und gebeten wurden, dazu alle 30 Minuten eine Aussage zu machen.
In drei Prozent der Fälle machten sie Aussagen zu Gefühlen der Liebe. Nur in drei Prozent?! Oh Menschheit, oh weh – kein Wunder, dass unsere Politik, Ökonomie und Umwelt so ist, wie sie ist. Wäre das Ergebnis in anderen Ländern anders? Menschen mit hohem Einkommen sprachen in dieser Untersuchung ein bisschen häufiger von Liebe, vielleicht weil sie weniger mit der Ökonomie des Über-die-Runden-Kommens beschäftigt waren. (Ich selbst habe allerdings beim Trampen in armen Ländern generell mehr zwischenmenschliche Liebe vorgefunden als bei uns in Deutschland.) Entgegen dem Klischee, sprachen Frauen in langjährigen Beziehungen noch ein bisschen seltener von Liebe als (ihre) Männer.
Weitere Texte von mir findet ihr auf kgs-berlin.de, spuren.ch, zeitpunkt.ch und in den kommenden Ausgaben der buddhistischen Zeitschriften U/W und Buddhismus aktuell.
Und jetzt nochmal zurück zum »Ekstatisch Leben«, der Link zu dem Interview von Helen Noah mit mir auf der Entheo-Science Konferenz 2016 in Berlin.
Ein P.S. nun auch zu diesem Blogeintrag. Pistorius will die Bundeswehr kriegstüchtig machen, anstatt mit Putin zu verhandeln, und Lauterbach will das deutsche Gesundheitssystem auf Krieg vorbereiten. Dass es so schlimm kommt, hatte ich in meinem Grundoptimismus nicht gedacht. Da es kaum noch Pazifisten im Bundestag gibt, und schon gar nicht in der Regierung, meine ich, dass wir wieder eine Counterculture brauchen, wie es sie in den 70er Jahren mal gab. Eine Gegenkultur, die einen ganz anderen Gesellschaftsentwurf hat und ihn auch vorlebt. Mehr dazu in meinen nächsten Blogeinträgen.
P.P.S. vom 15.4., ein Jahr nach dem Tod und Vermächtnis von Antje Vollmer, der ehemaligen Vizepräsidentin des Bundestag und Mitgründerin der GRÜNEN, einer der wenigen noch standfesten Pazifisten in diesen Zeiten der verbalen und medialen Aufrüstung.
Veranstaltungen mit mir
Am 23. März 2024 leite ich den schon oben angekündigten Reconnecting-Tag an, beim Draußenzeit e.V. Das ist Nähe Greven im Münsterland. An dem Tag geht es um die Wiederverbindung mit der Natur und mit sich selbst nach der Methode von Joanna Macy, die ich hier im Blog schon mehrfach beschrieben habe. Von 10 h bis 17 h in der Jurte auf dem Geländer von Draußenzeit. Kosten: 90 €. Mittagssnack mit selbst mitbringen. Buchempfehlung hierzu: Active Hope, von Joanna Macy und Chris Johnstone.
Beim BeFree Osterseminar bin ich wieder dabei. Außerdem im BeFree Pfingstseminar, BeFree Sommerfestival und BeFree Herbstseminar 2024, vermutlich jeweils wieder mit »Ekstatisch leben« Kurzworkshops und dem Kussritual.
Im Upleven Kloster-Hotel auf dem Deich bin ich wieder an folgenden Terminen: 19.-21. April, 23.-25. August, 12.-15. Sept und 29. Nov bis 1. Dez. Für die Werktätigen habe ich dort jeweils ein WE gewählt, beginnend am Freitagabend. Ich bin dann immer auch noch die zwei Tage (Mo, Di) danach dort, zum Vertiefen, was ich sehr empfehle. Anreise per Bahn bis Wremen ist gut möglich. Bei allein diesen Seminaren im Upleven geht es um Neuorientierung, vor allem an einem Wendepunkt im Leben auf der Basis der Einsicht in: Was will ich wirklich?
Das Seminar vom 19.-21. April im Upleven hat vermutlich den Schwerpunkt »Humorvoll altern« – tabulos fröhlich, frech und weise ab ins letzte Lebensviertel (oder Drittel oder Fünftel? Wer weiß das schon).
Anfang Juni bin ich in der Abtei Münsterschwarzach, dem Wirkungsort von Anselm Grün. Sowohl die Kursgebühr wie U/V sind hier besonders günstig: Ich bin angekommen heißt das Seminar. Bei sich selbst ankommen & Heimat finden, darum geht es in diesem 3-Tage-Seminar vom 3. bis 6. Juni 2024 im Gästehaus der Abtei Münsterschwarzach. Es kostet 140 € + 210 € für U&V. Beginn am Mo um 18 h, Ende am Do um 14 h.
Sehr gut Ihre Aussagen, gibt es ein Buch oder ein Seminar in Muenchen? LG
Liebe Elfriede,
ich habe zwar eine starke Beziehung zu München, hab viele Jahre dort verbracht (auch als Taxifahrer, haha), ich hab aber zur Zeit keine Seminare für dort in Planung. Ab 8-10 Leuten, die mich dort haben wollen, würde ich jedoch kommen und dann die Ankündigung in meinen Rundbrief nehmen, sodass noch mehr kommen und die Veranstalter/in dort auch gut was verdienen kann.
😇
Zum Text Reconnect with the web of life : Denn ich und du sind dasselbe, auch das ist Joanna Macys Botschaft, die sie lehrt und lebt: die Selbstausdehnung. Wenn das um mich herum auch ich selbst bin, dann bin ich nicht mehr getrennt. Bin dem Schlimmsten ausgesetzt und zugleich auch mit dem Schönsten verbunden und eins damit, denn »auch das bin ich« (tat twam asi). Ein paar Gedanken: Das „um mich herum“ ist dasselbe wie „ich“ dann, wenn ich unter mich und ich das Ich verstehe als Bewusst-Sein. Das, was ich wirklich bin ist Reines Sein (und nicht die Person/persona),… Weiterlesen »
Danke Wolf, Du triffst die wirklichen Fragen der Zeit