Wenn eine Regenhaut durchlässig ist, dann ist das nicht willkommen. Sie soll dicht sein. Ich selbst aber möchte durchlässig sein. Durchlässig für das, was von außen auf mich einwirkt, von anderen Menschen und von meiner natürlichen und gesellschaftlichen Umwelt. Durchlässig auch in der anderen Richtung, von innen nach außen, für meinen Ausdruck, meine Kreativität.
Wahrhaftigkeit und Ausdrücklichkeit ist die Richtung von innen nach außen. Empfänglichkeit ist die Richtung von außen nach innen. Beides kann zu viel sein oder zu wenig. Bei Introvertierten bewegt sich von innen nach außen eher zu wenig, bei Quasselstrippen zu viel. Auch das, was von außen nach innen strömt, kann zu viel sein. Nicht nur die Hypersensiblen unter uns sind zurzeit oft infogeflutet. Bei alledem, was Offenheit und Durchlässigkeit an Vorteilen bietet, sollten wir nicht »so offen sein, dass es reinregnet« (Graf Dürckheim), oder, noch flapsiger: Wer zu offen ist, ist nicht ganz dicht.
Mystik
Die maximale Durchlässigkeit ist die mystische Erfahrung. Da ist die Grenze zwischen mir und der Welt, innen und außen aufgehoben. Ich bin eins mit allem. Möge das Ich danach aber bitte wieder zurückkehren, mein hoffentlich dann noch intaktes Alltags-Ich. Die Psychiatrie beschäftigt sich mit den Fällen, in denen das nicht gelingt. Doch das sind Ausnahmen. Uns normalneurotischen Erwachsenen ist die mystische Erfahrung möglich, wir brauchen keine Angst davor zu haben.
Die relevanten Fakten
Wichtig für unser Mindset und die Rückkehr ins Alltags-Ich nach zu hoher Durchlässigkeit ist nicht nur, was wahr ist (True news statt fake news), sondern unter den vielen wahren Fakten das Herausfinden der wesentlichen und dann deren meinungsbildende, das Ich gestaltende Aufbereitung.
Zu den Quellen, die ich für mein Mindset zurzeit am liebsten nutze, gehört die Washington Post (WP). Ausgerechnet aus ‚der Hauptstadt des Imperiums‘ kommt dieses Medium. (Mehr zu diesem nun im Niedergang befindlichen Imperium in einem künftigen Blogeintrag.) Ich schätze die WP wegen ihrer ausgewogenen Darstellung aktueller Konflikte in der Welt. Beispiel: Am 23. Oktober schrieb sie über Israels Bombardierung des Gazastreifens, wie diese die Nahost-Gewaltspirale weiter eskalieren lässt. Ähnlich der US-Reaktion auf 9/11 führte die Reaktion Israels auf das sie auslösende brutale Vorgehen der Hamas am 7. Oktober zu noch mehr Opfern als dieses: mehr als 4.000 Tote. Inzwischen sind es durch die Bodenoffensive mehr als 8.000 Opfer geworden, fast alles Zivilisten, darunter mehr als 3.000 getötete Kinder. Und es sieht ganz danach aus, als ob dieser Rachefeldzug, ähnlich der US-Reaktion auf 9/11, noch weiter eskaliert.
Der Israel/Palästina-Konflikt
Meine politische Haltung zu diesem Konflikt ist in etwa so wie die der »Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden«. Seit ich einigermaßen denken kann, bin ich ein Fan des säkularen Judentums v.a. deutscher Sprache. Kaum jemand hat mich lebenslang so beeinflusst wie Kurt Tucholsky. Aber auch Uri Avnery schätze ich sehr, und natürlich Einstein. Die aktuelle faschistoide Regierung in Israel jedoch ist ein Monster, welches die Konflikte im ‚Heiligen Land‘ noch verschlimmert. Zu den Ursachen gehören die Rechthaberei der rechten Flügel aller drei abrahamitischen Religionen, aber auch der allzu menschliche »mein Land, dein Land« Besitz-Fanatismus, der seit der Entstehung der Landwirtschaft die Gesellschaften des Homo sapiens plagt und bis zum Ethnozid führen kann (Was heute »Genozid« genannt wird, ist meist ein Ethnozid).
Palästina und die Levante sind seit Jahrtausenden ein Hotspot diverser Kulturen, zwischen denen sich Konflikt und Kooperation abwechseln und vermischen. Gutmöglich, dass das damit zusammenhängt, dass »wir« (homo sapiens) an der Landenge von Sinai unseren Urkontinent Afrika wiederholt verlassen haben und dann in die Levante einströmten.
Viktimisierungen und …
In den menschlichen Gesellschaften geht die größte und schlimmste Gewalt in der Regel von Menschen aus, die sich als Opfer fühlen. Der Nazi-Faschismus fühlte sich als Opfer einer jüdischen Weltherrschaft (und hatte kaum Grund dazu). Die Kommunisten fühl(t)en sich als Opfer des Weltkapitalismus (und hatten etwas mehr Grund dazu). Die Bewohner des heutigen Israel sind massiv traumatisiert vom Holocaust und haben eine Menge reale Gründe sich bedroht zu fühlen. Auch wenn diese Traumatisierung nun kaum mehr eine von Individuen ist, sondern mehr eine familiäre, tribale, historisch-ethnische. Überlebende Personen des Holocaust gibt es ja kaum mehr, jedoch eine überlebende Ethnie, die Angst vor Vernichtung hat.
Charles Eisenstein hat an einem Komitee des US-amerikanischen Kongresses teilgenommen und schreibt daraufhin in diesem Bericht aus einem Haifisch-Becken (auf Englisch) über die Moral des Mob, Schuldzuweisungen durch Assoziation, unreflektiertes Schubladendenken und sozialen Druck: Wer in einem sozialen Konflikt nicht mit den Wölfen heult gegen die Ausgegrenzten, dem geht es bald selbst an den Kragen. Im Ukrainekrieg ebenso wie im Israel/Palästina-Konflkt grölen beide Seiten den noch Unschlüssigen zu: Wenn du dich nicht mit unser Seite und denen, die wir als Opfer definieren »solidarisierst«, dann gehörst du zu unseren Feinden.
… Wiederschlechtmachungen
Wer an Frieden und einem Ende der Brutalitäten interessiert ist, sollte sich deshalb die Viktimisierungen ansehen. Wer sich jeweils, sei es ethnisch, sozial oder persönlich, gerade als Opfer fühlt, ist eine Gefahrenquelle. Wobei es selbstverständlich eine Ebene gibt, auf der die Opfer/Täter-Schablonen passen, Wiedergutmachung verlangen und Sühne, Strafe, Buße angemessen sein können. Leider sind aufgrund der Tendenz zur autosuggestiven Erhöhung des eigenen Leidens die meisten Wiedergutmachungsaktionen de facto eskalierende Wiederschlechtmachungen. Der aktuelle Versuch Israels die Hamas zu vernichten ist eine solche Wiederschlechtmachungsaktion, welche die Gefährdung Israels perpetuiert.
Sogar der von mir als Historiker so geschätzte Yuval Harari schafft es kaum aus seiner Haut zu kommen und mit versöhnlichen Worten die Viktimisierungsspirale zu beenden. Es berührt mich und erschreckt mich zugleich, wie sehr die Zugehörigkeit zu einem Land, einer Kultur und Ethnie den selektiven Blick von uns Menschen auf die vorhandenen Fakten bestimmt. Könnte ich selbst bei einer solchen persönlichen Bedrohung auch noch »meine Feinde lieben«? Ich weiß es nicht. Ich weiß jedoch, dass diese Größe nötig ist, um Frieden zu schaffen.
Charles Eisenstein veröffentlich hier den Bericht der Mutter eines bei der Attacke der Hamas am 7. Oktober getöteten Kindes, die nicht möchte, dass irgendwer den Tod ihres ermordeten Kindes rächt.
Rüstung lohnt sich wieder
Auch Deutschland macht bei diversen Kriegen mit. Afghanistan, Jemen, Ukraine, nun der erneute Nahost-Krieg in Israel/Palästina, Deutschland ist mit seiner Waffenindustrie dabei und macht satte Gewinne. Vom Buhmann zum Beschützer, die NDR-Reportage über den größten deutschen Rüstungskonzern: Rheinmetall. Zusammengefasst im RND. Rheinmetall ist mit 44% Steigerung des Gewinns gegenüber dem Vorjahr der größte Gewinner, der Börsenwert dieser Waffenschmiede hat sich verdreifacht. Das fühlt sich nun auch für die Belegschaft besser an, »man ist wieder wer« in Deutschland, denn man baut »Verteidigungsmaschinen«, nicht »Tötungsmaschinen«, wie der Chef von Rheinmetall betont. Bald wird sein Unternehmen in Serie den neuen Panzer Panther bauen. Das russlandfreundliche Ungarn freut sich schon darauf, es ist für diese begehrte Waffe aus Deutschland der erste Kunde. Ungarn? Was, wenn sie die Panzer dann an Russland weitergeben?
Für die Waffenindustrie ist es generell am besten, bei aktuellen Konflikten beide Seiten beliefern zu können; so profitiert man von der Eskalation am besten. Ethische Fragen? Armin Pappenberger, der Chef von Rheinmetall, fühlt sich, was die Ethik seines Unternehmens anbelangt, den Aktionären und Mitarbeitern verpflichtet, für sie will er das Beste tun. Wohin seine Produkte geliefert werden, ist aus seiner Sicht Sache der Politik.
Leben gerettet? Rückblick auf die Pandemie
Und nochmal zurück zur Pandemie, die für die meisten von uns schon weit zurückliegt. Sie hat jedoch Spuren nicht nur im Gesundheitszustand vieler hinterlassen, sondern mehr noch in unserem Bewusstsein, das Politik und Gesellschaft prägt. Die ZEIT hat nun einen wissenschaftlich einigermaßen glaubhaften Rückblick auf die Pandemie veröffentlicht, in den jede/r reinlesen kann, er steht nicht hinter einer Paywall. Für Impfgegner zeigt er ein durch Fakten leicht verklärtes Zurückrudern der damals sehr mainstream-konformen Haltung der ZEIT, jedoch mit erfreulich tiefen Blicken in den recall bias (verzerrte Erinnerung) auf beiden Seiten der großen Kluft. Erfreulich finde ich dort auch die Beleuchtung der Identitätsfragen (»Auf welcher Seite stehst du?«) und die Zahlen aus den Befragungen. Was ich dort vermisse, ist das Einordnen von Aufwand und Ergebnis bei lebensverlängernden Maßnahmen von Todkranken, die unter anderem auch das Corona-Virus im Blut hatten; diese werden in diesem ZEIT-Artikel pauschal als »Leben gerettet« eingeordnet, was deren wertende Bilanz zugunsten der Corona-Maßnahmen verbessert.
Die Ware Ich
Nach all dem politischen Zeugs noch ein Poetry Slam über den Weg zum Glück. Sieben Minuten mit Jean Philippe Kindler über »Die Ware Ich« statt »Das wahre Ich« können uns vor woanders (z.B. bei Laura Malina Seiler) verschwendeten Beratungskosten bewahren.
Die Wolf Schneider KI
Ich gebe ja zu, dass dieser Blog klasse ist und dieser Wolf Schneider erste Sahne, einfach unvergleichlich. Aber muss man ihn deshalb gleich klonen? Doch, das muss man offenbar, denn kaum gedacht, schon geschehen: Es gibt nun eine Wolf Schneider KI. Ernst gemeint oder nicht, das ist hier wohl eine Sache der Perspektive, wie Wolf Schneider ja schon 2022 in seinem Buch »Sei dir selbst ein Witz« überzeugend darlegte.
Hat Nachhaltigkeit im aktuellen System eine Chance?
Noch mehr Wolf Schneider findet ihr auf kgs-berlin.de, spuren.de, zeitpunkt.ch, bewusstseinserheiterung.info und in meinen Youtube-Kanälen. Dort möchte ich jetzt nur auf das Interview hinweisen, das ich am 23. Oktober mit Stefan Brunnhuber geführt habe, einem Finanzexperten der FDP, anlässlich seines neuen Buchs »Freiheit oder Zwang – Wer kann Nachhaltigkeit besser, offene Gesellschaften oder Autokratien?«. Trotz m.E. naiv neoliberaler Positionen darin ist »Freiheit oder Zwang« im Oekom-Verlag erschienen, der ansonsten sehr gute Bücher publiziert. Brunnhuber glaubt im Gegensatz zu mir, dass die Agenten des Weltkapitalismus sich durch Nachhaltigkeitsargumente beeinflussen lassen.
Veranstaltungen mit mir
Am 3. November bin ich mal wieder in Berlin, im Quadriga-Forum. Dort will ich auf einer Veranstaltung von Steady zusammen mit 150 Medienmachern herausfinden, was ich aus meinem Blog und Newsletter in Sachen ‚Community building‘ (sonst noch) machen kann.
Am 1. Dezember halte ich bei Draußenzeit e.V. einen Vortrag über »Spirituelle Ökologie«, mit spezieller Betonung von Joanna Macys Methode der Wiederverbindung mit der Natur durch Dankbarkeit und Akzeptieren des Schmerzes, den wir angesichts der Naturzerstörung empfinden. Beginn: 19 h in der Jurte, wo wir uns um das Feuer scharen. Auf dem traumhaften 15 ha großen Gelände des Draußenzeit-Vereins. Kosten: eine von dir gewählte Spende an mich und den Platz.
Neuausrichtung an Wendepunkten im Leben heißt mein meditatives Reorientierungs-Seminar im Upleven am WE 9./10. Dezember (Beginn Fr Abend, 8.12). Auch da geht es wieder um Neuorientierung an einem Wendepunkt im Leben. Auch diesmal wieder auf Kostenbasis einer freiwilligen Spende an mich + U/V ans Hotel. Und auch wieder mit der Option von Einzelcoachings in den Tagen danach bis zum 13. Dezember. Mit oder ohne Einzelcoachings, es ist allemal lohnend, mehr als nur ein WE an diesem stillen Ort zu verbringen, zumal in der geschäftigen Weihnachtszeit. Wenn du dich innerlich auf dieses WE im Upleven vorbereiten willst, schreib mir dazu eine Mail, in der du so genau wie möglich die Wende beschreibst, die in deinem Leben ansteht.
Am 23. März 2024 gibt es einen Reconnecting-Tag beim Draußenzeit e.V. Nähe Greven im Münsterland. Da geht es um die Wiederverbindung mit der Natur und mit sich selbst nach der Methode von Joanna Macy, die ich hier im Blog schon mehrfach beschrieben habe. Von 10 h bis 17 h in der Jurte auf dem Draußenzeitgelände. Kosten: 90 €. Buchempfehlung hierzu: Active Hope, von Joanna Macy und Chris Johnstone.
Ich bin angekommen. Bei sich selbst ankommen & Heimat finden, heißt das 3-Tage-Seminar vom 3. bis 6. Juni 2024 im Gästehaus der Abtei Münsterschwarzach. Es kostet 140 € + U&V.
ENDE
Echt wohltuend, lieber Sugata, dieser Blog!