Ich möchte hier gerne auf ein im Themenfeld „Spiritualität/Politik“ außergewöhnlich gutes Buch hinweisen: „Die Seele der Nationen: Evolution und Heilung“ von Wolfgang Aurose. Meiner Ansicht nach kann man Auroses Buch als Standardwerk in diesem Bereich ansehen. Es macht deutlich, dass individuelle und kollektive Strukturen Ausdruck eines gemeinsames Bewusstseinsfeldes sind, das sich in beiden Teilaspekten mit ähnlichen Dynamiken hin zu der gelebten Erkenntnis von spirituellem Einssein entfaltet. Aurose zeigt auf, wie man das auch global betrachten kann.

Bevor ich mehr zu Auroses spannenden Sichtweisen schreibe, möchte ich kurz in meinen Worten etwas zum dem im Buch zentralen Begriff „Seele“ erläutern. Das eröffnet vielleicht ein besseres Verständnis für dann weitere Erläuterungen zu Auroses Buch.

Für Leser, die noch mehr über die Hintergründe von Auroses und meiner „spirituellen Inspiration“ erfahren möchten, habe ich am Ende einen kurzen Email-Dialog zwischen uns angehängt. Hier erfährt der Leser etwas über unterschiedliche Gewichtungen der Lehren der beiden indischen Weisen und Philosophen Sri Aurobindo und Sri Ramana Maharshi aus einer integralen Perspektive.

Seele und SEELE

Das Verständnis des Begriffs „Seele“ umfasst für mich zwei Dimensionen. Aus einer absoluten Perspektive kann man SEELE als den Wesenskern alles Seienden verstehen. SEELE ist das Innerste. Jenes, das alles belebt und zugleich ungeboren ist. Jenes, das sich in jeder Erscheinung ausdrückt und in seinem tiefsten Wesen doch unangetastet bleibt. In diesem Sinne gibt es tatsächlich nichts als SEELE. Die Erscheinung vielfacher, getrennter „Seelen“ und auch die Trennung in außen und innen erscheinen aus Sicht der SEELE als bloße Illusion. Man könnte auch sagen: Die SEELE ist das ungetrennte EINE, das in allen Seelen denselben Seelenkern ausmacht.

Wir können uns dem Verständnis von „Seele“ allerdings auch von der relativen Seite her nähern. Dann erscheint es zunächst als würde es getrennte Individuen und getrennte Gruppen von Individuen geben. Von hier bedeutet spirituelle Entwicklung, die scheinbare individuelle und kollektive Getrenntheit zu transzendieren und zu einer Bewusstheit der Einheit (zurück) zu finden. Das Gespür für eine Seele oder für seelische Qualitäten versteht sich hier als die Ahnung der absoluten SEELE und die Aufnahmen deren Spur hin zu einer immer bewussteren Erkenntnis der Einheit aller Wesen und allen Seins.

Aus integraler Sicht (nach dem Integralen Modell von Ken Wilber) gibt es verschiedene Varianten, wie sich diese Erkenntnis zeigt. Ein Aspekt besteht in der unmittelbare Eröffnung einer non-dualen (ungetrennten) Wahrnehmung. Bei Wilber wird dies auch „Zustands-Erwachen“ genannt (wake up / states). Dieses Erwachen bedeutet ein Herausfallen aus allen bis dahin für wahr gehaltenen Vorstellungen, Identitäts- und Weltkonzepten. Man könnte es auch als „Ent-wicklung“, im Sinne eines sich ent-wickeln aus der Verwicklung trennender – die SEELE verschleiernder – Wahrnehmungsmuster, bezeichnen. Ein solches Erwachen kann spontan oder in Folge einer tiefgehenden Versenkungspraxis geschehen.

Ein anderer Aspekt spiritueller Erkenntnis besteht in einer zeitlichen Entwicklung des Individuums in Entwicklungsschritten von einem präpersonalen, über ein personales, hin zu einem transpersonalem Bewusstsein. Hier erweitert sich die Sichtweisen des Individuums zu einer reifen, umfassenden Sicht auf Person, Gesellschaft, Welt und Evolution. Dies bezeichnet Wilber als „Ebenen-Erwachsenwerden“ (grow up / stages ). Auf der personalen Ebene tauchen dabei spezifische wertvolle Eigenschaften und Eigenarten von Einzelwesen und Gruppen auf. Sozusagen „Einzelcharaktere“ und „Gruppencharaktere“. Auf der personalen Ebene werden diese Eigenarten oft in enger Bindung an die Identifikation mit einem Individuum oder einem Gruppenbewusstsein verstanden. Im Übergang von der personalen zur transpersonalen Ebene erweisen sich diese Eigenarten mehr und mehr als essentielle Qualitäten – man könnte auch „seelische Qualitäten“ sagen. Diese zeigen sich wie die Facetten eines Diamanten: Jede leuchtet in der ihr ganz eigenen Art. Zugleich bleibt das gesamte Strahlen des Diamanten eher unfassbar. In diesem Bild wäre die SEELE das farblose Licht, welche das innere Strahlen und die ganze Schönheit erst zum Funkeln bringt. Die schillernden Facetten stellen die Seelen und seelischen Qualitäten dar. Doch es kann auch Verdeckungen und dunkle Flecken auf den jeweiligen Facetten geben. Sie verzerren und verhüllen das klare Strahlen der SEELE.

Potentiale und Schatten – individuell und kollektiv

Auch die Betrachtung dieser Schattenbereiche gehört zu spiritueller Entwicklung dazu. Geschieht dies nicht, bleibt seelische Entwicklung (oder Entwicklung hin zum Bewusstsein der SEELE) blockiert oder unvollständig.

Im psychologisch-spirituellen Bereich wird dies in der individuellen Entwicklung schon viel thematisiert. Die Bewusstwerdung verdrängter Emotionen. Die Befreiung aus Verhaftung an verengende Glaubensmuster. Die Rücknahme von verzerrten Projektionen. Die Heilung von persönlichem Traumata. Diese und andere Themen werden unter dem Begriff „Schattenarbeit“ zusammengefasst und als wichtig anerkannt. Ähnliches gilt auch für systemische Felder, zum Beispiel das der Familie. Die Aufdeckung von Familiengeheimnissen. Die Bewusstwerdung von manchmal über Generationen weiter wirkender seelischer Konflikte, Wunden, Ausgrenzungen, Hemmungen, usw.. Das sind Themen der „systemischen Schattenarbeit“. Sie aufzudecken bringt oft ungeahnte Heilung und fördert spirituelle Öffnungen, bzw. Weiterentwicklung.

Wolfgang Auroses herausragender Beitrag besteht darin, dass er den Blick auf solche Dynamiken global erweitert – vor allem mit der Betrachtung nationaler Gefüge und deren Eigenarten. Er erläutert in wunderbarer Klarheit sowohl seelische Qualitäten und Entwicklungspotentiale von Nationen, als auch deren Herausforderungen wichtiger Schattenintegration. Die Seele eines Individuums kann sich hin zur Erkenntnis der all-einen SEELE entfalten. Damit wandeln sich egozentrische Perspektiven zu einer umfassenden Haltung des Mitgefühls, der Achtung aller Menschen und der Liebe. Aurose weist auf das Potential hin, dass diese Entwicklung auch kollektiv in nationalen Gefügen möglich ist. Er zeigt auf, wo und wie das vielleicht schon geschehen ist und geschieht. Er deutet aber auch auf die dunklen Stellen der mangelnden kollektiven Schattenintegration und wie sich das zerstörerisch auswirkt.

Mit seinen Betrachtungen schlägt er eine wertvolle Brücke von authentischer, individueller Spiritualität zu einer verantwortungsvollen und zutiefst Sinn erfüllten Ausrichtung in Gesellschaft und Politik. Dabei beleuchtet er auch den Begriff „Nation“ auf eine erfrischend neue Weise. Neben den verzerrten Auswüchsen nationalistischer Tendenzen, lädt er dazu ein, den Wert seelischer Eigenarten verschiedener Nationen anzuerkennen und zu nutzen.

Besonders schön finde ich auch, dass Auroses Texte nicht (nur) abstrakte Reflektionen darstellen. Zwischen den Zeilen spürt man die lebendige Erfahrung, die dahinter steckt. Das liegt vermutlich auch daran, dass er und seine Lebenspartnerin in Seminaren, den Teilnehmern die Erfahrung der „Seele der Nationen“ erfahrungsorientiert nahe bringen. Ich würde mir wünschen, dass viele politisch-spirituell interessierte Menschen sich mit den Sichtweisen Auroses vertraut machen und sie in ihre Gesamtschau einbeziehen.

Vor ca. zwei Jahren schrieb ich einen Artikel mit dem Titel „Für mehr Innerlichkeit in der Weltpolitik“. Wolfgang Auroses Anschauungen eröffnen Wege zu wichtigen Teilen dieser Innerlichkeit.

„Die Seele der Nationen“ – Buch bei Amazon

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Sichtweisen Sri Ramana Maharshis und Sri Aurobindos – ein Email-Austausch

Wie oben angekündigt folgt noch ein kurzer Email-Austausch zwischen Wolfgang Aurose und mir. Initiiert wurde er dadurch, dass ich Wolfgang über die von mir gegründete Facebook-Gruppe „Spiritualität und Politik“ kennen lernte. Dort erfuhr ich von seinem Buch. Ich las es und schickte daraufhin ein Feedback an Wolfgang, auf das er dann wiederum antwortete:

Es mag sein, dass einige Stellen in diesem Austausch für Menschen, die das Integrale Modell nach Ken Wilber nicht kennen, etwas schwer zu verstehen sind. Wer sich näher damit beschäftigen möchte kann sich auf der Website des Integralen Forums informieren.

Email an Wolfgang Aurose von Torsten Brügge:

Lieber Wolfgang,

jetzt habe ich Dein Buch durch und bin wirklich begeistert über die integrale Beleuchtung auf die „Seele der Nationen“. Für mich ist das noch mal Augen öffnend in Bezug auf die Ebenen-Entwicklung, Schattenarbeit und die Integration sowohl der essentiellen Aspekte, als auch der dunklen Verzerrungen nationalen Strömungen. So habe ich es vorher noch nie gehört.

Vieles, was ich als Ahnung gespürt und innerlich – glaube ich sagen zu dürfen – auch weitestgehend „durchfühlt“ habe, zum Beispiel durch die die Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit über die Faktenkonfrontation in den Medien, Berichten von Zeitzeugen usw. , wird jetzt auch auf einer begrifflichen Ebene viel besser nachvollziehbar. Und gerade die Wertschätzung für die nationalen positiven Wesenszüge tut unnötig gedrückten deutschen Identitätsgefühlen auch gut. Besonders passend finde ich dann auch, dass Du sagst, es geht nicht darum „stolz“ auf eine nationale Identität zu sein, sondern eher darum, die Dankbarkeit für die Einzigartigkeit der Seelenqualitäten der eigenen Nation – und der anderer Nationen – zu entdecken. Die spirituelle Dankbarkeit, die bei mir oft vollkommen formlos ist, aber auch auf Konkretes ausstrahlen kann, darf auch dahin leuchten. Das ist durch Dein Buch noch Mal befreiender geworden.

Zugleich finde ich es auch sehr spannend eine „Meta-Meta-Integrale-Perspektive“ auf Dein Buch zu werfen. Es scheint mir, dass Du von den vielleicht sechs Hauptelemente von Wilbers Modell (Quadranten, Ebenen, Entwicklungslinien, Bewusstseinszustände, Typologien, Schatten) Deinen Schwerpunkt vor allem auf die Ebenen, Quadranten und Schatten legst. Und dort eröffnest Du brillante Sichtweisen.

Ich selbst sehe meinen „Vermittlungsschwerpunkt“ – in der Rolle eines spirituellen Lehrers/Begleiters – eher auf den Elementen der Bewusstseinszustände und eben dort auf der Einladung zur Entdeckung der kausalen und nondualen Bewusstseinsebenen (im Sinne von Zustandsebenen).

Auch Wilber betont ja die Wichtigkeit von meditativer Versenkung, im Sinne einer Kontaktaufnahme und ein Sich-Vertiefen oder Sich-Gründen in kausalen und nondualen Zuständen (bzw. benenne ich das lieber als „Ebenen“ oder „Seinsgrund““, das sie für mich eher den Urgrund oder de Raum darstellen, auf oder in dem alle anderen Bewusstseinsinhalte und -zustände kommen und gehen). Ich glaube Wilber argumentiert so, dass das Eintauchen in den kausalen Urgrund (den man auch als unpersönliches Zeugenbewusstsein beschreiben kann) eine starke befreiende De-Identifikation von Bewusstseinsinhalten des Denkens, Fühlens und Empfindens bewirkt. Zugleich – oder als darauf folgender „Schritt“ – kommt es zu einem Erspüren des Einsseins von Erscheinungswelt und Urgrund.

Diese mystische Schau fördert dann auch die Entwicklung durch die Bewusstseinsebenen (im Sinne der Strukturebenen von archaisch, zu magisch , zu mythisch , zu rational, zu pluralistisch, zu integral und höher). Vermutlich gerade dadurch, dass das Bewusstsein durch das Sich-Vertrautmachen mit radikaler Leerheits-Erfahrungen und allumfassendem, nondualem Einssein lernt, rückhaltlos loszulassen und zugleich die Stabilität im bleibenden Urgrund gefestigt wird (das ist zumindest meine Deutung). Dadurch kann es die Ebenenentwicklung, die ja auch immer etwas mit dem „Sterben des Alten“ und dem „Öffnen für das unbekannte Neue“ erfordert, geschmeidiger und effektiver durchlaufen.

Insofern ist für die Strukturebenen-Entwicklung eine Ent-Wicklung aus den gewohnten dualen und trennenden Wahrnehmungsstrukturen hin zu nondualer Erkenntnis wichtig. Ich glaube das spielt noch Mal eine besondere Rolle bei der Entwicklung von der rationalen und pluralistischen Ebene hin zu integralen, da es hier ja um eine De-Identifkation von der Ratio hin ins Transrationale geht und Gedanken somit klar als Objekte erkannt werden müssen. Natürlich hat die Betonung der Erfahrung des Kausalen und Nondualen seine eigenen Gefahren (Leerhheitswahn, Neo-Advaita-Dissoziierung, Anti-Intellektualismus, subtiler Dualismus, siehe dazu vielleicht unser Vortrag auf Kongress „Forum Erleuchtung“ 2012 ). Dennoch erachte ich diese Aspekte der nondualen direkten Erfahrung als sehr wichtig.

Ich habe ihn in Deinem Buch nicht wirklich vermisst, weil allein die Strukturebenen- uns Schattenbetrachtungen schon so spannend sind, glaube aber, für eine umfassende integrale Sichtweise sollte auch das in einem Gesamtrahmen miteinbezogen werden. Auch wenn dass dann vielleicht ein neues Buchprojekt werden würde, hätte ich mir -merke ich gerade – vielleicht einige deutlichere Hinweise darauf gewünscht. (Aber das auch erst nach dieser ausführlichen Reflektion) Vermutlich tut sich hier auch eine Betonung der unterschiedlichen Traditionen auf, aus der „wir beide kommen“: Sri Ramana Maharshi (dessen Vermittlung mich so stark berührt) und Sri Aurobindo (auf den Du Dich viel beziehst) waren ja Zeitgenossen und haben in Indien sogar regional auch recht nah beieinander gelebt. Beide hatten aber durchaus andere Gewichtungen in ihrem Lebenswerk. Bei Wilber drückt sich das – so sehe ich es – in den unterschiedlichen Aspekten von „wake up“ (Erwachen bezogen auf die nonduale Durchdringung von Bewusstseinszuständen) auf der einen Seite und „grow up“ (Erwachsen-Werden in Bezug auf die Weitung der Perspektiven auf den Entwicklungsebenen) aus. Sri Ramama Maharhsi ist als Advaita-Meister bekannt, der mit großer Radikalität auf den illusionären Charakter der Erscheinungswelt hingewiesen und stark zu nondualer Erkenntnis eingeladen hat. Sri Aurobindo war philosophischer veranlagt und betonte wohl mehr die integrale Erforschung der Erscheinungswelt. Könnte das sein oder hast Du da eine andere Sicht? Ich glaube jedenfalls, das beide Aspekte wichtig sind und Wilber vereint sie ja mit seinem „wake up and grow up“.

Ein weitere spannender, ergänzender integraler Aspekt wurde mir bewusst, als ich meiner Partnerin Padma über die Inhalte Deines Buches etwas berichtete. Das stieß bei ihr gleich auf viel Resonanz. Als Enneagramm-Leherrin – und ich würde sagen mittlerweile ist sie eine wirklich Enneagramm-Expertin – wie sie darauf hin, dass man sowohl die essentiellen Qualitäten, als auch die Schattenproblematiken von Nationen samt Analyse von Leidenschaften, Idealisierungen, Abwehrmechanismen usw. …auch aus Sicht des Enneagramms beleuchten kann. Das bringt oft noch Mal spannende Perspektiven. Zum Beispiel auf die soziale 6er-Kultur Deutschlands mit seiner Verhaftung in Pflicht und Schuld. Oder auf die 3er-Kultur der USA mit ihrer Neigung zu kaltblütiger Überheblichkeit. Ich hoffe sehr, Du hast nicht das Gefühl, dass ich Dein Buch durch diese Ergänzungen irgendwie abwerten will. Noch Mal: Ich schätze es sehr, sehr! Zugleich ist mir aber auch wichtig, mit diesen ergänzenden Perspektiven nicht hinter dem Berg zu bleiben. Die Erfahrung nondualer Tiefe ist mir auch deshalb wichtig, weil sich für mich hier erst die wahrhaftige Liebe zu Allem offenbart hat, die über jede Identifikation mit einer Person und auch einer nationalen Identität hinausgeht und tatsächlich alle menschlichen, fühlenden und nicht-fühlenden Wesen einschließt. Und meine Intuition sagt mir, dass erst in der lebendigen Erfahrung dieser allumfassenden Liebe das Potential für eine Weltgemeinschaft aufleuchtet, die dann über ein gesundes, authentisches Nationalgefühl hinausgeht und gleichzeitig die unterschiedlichen Geschmäcker nationaler Einzigartigkeit in Dankbarkeit integriert.

ganz herzlich

Torsten

 

Email: Antwort von Wolfgang Aurose an Torsten Brügge

Lieber Torsten,

zurück in den USA finde ich die Zeit, dir meine Gedanken zu deinen sehr guten und verständlichen Anmerkungen zu schicken.
Man kann Sri Aurobindo so verstehen, dass er, wie Ramana und die große Mehrheit indischer und mystischer Tradition, von der nondualen Oneness-Erfahrung als zentralen Schritt und Ziel ausgeht. Der Unterschied zu Ramana und der Tradition liegt darin, dass Sri Aurobindo einen evolutionär angelegten,  zweiten zentralen Schritt sieht, nämlich die stufenweise Realisierung dieses auch im Innersten der Materie und unseres Körpers als göttlicher Keim verborgenen Oneness-Bewusstseins. Dieses sich erst im Laufe der Evolution offenbarende Potential ist der Grund dafür, dass auch die manifeste Welt eine tiefste Realität aufweist. Das der Materie zugrunde liegende, höchste/tiefste Sein und Bewusstsein  durchläuft also im Gegensatz zu seinem transzendenten Urgrund eine Evolution, die dem Oneness-Bewusstsein eine „Individualisierungserfahrung“ hinzufügt. Sie steht in ihrer primären „Ego-Phase“ im scheinbaren Gegensatz zum Oneness-Bewusstsein, später offenbart sie ihre wahre Natur. Oneness und höchste Individualität zugleich…
In meinem vorliegenden Buch gehe ich in der Tat vor allem von der (kollektiven) Evolution  dieses integralen Bewusstseins aus. In meiner Originalfassung, die doppelt so umfangreich ist, gehe ich auch auf die transzendente Erfahrung des neuen Bewussteins ein (Sri Aurobindo und andere). Mein Verleger fand aber, ich sollte das Buch sozusagen auf seine „seelische Botschaft“ konzentrieren, vor allem hinsichtlich Deutschlands. Deshalb bleibt es in der Herleitung des integralen Bewusstseins unvollständig. Wie fast jede Dokumentation.

Herzlichen Gruss

Wolfgang