Das Gute ist in uns, um uns und unter uns, und das gilt auch für das Böse. Bruno Ganz’ Vermenschlichung von Hitler in dem Film Der Untergang hat den als Dämon von uns dissoziierten Hitler uns wieder nahe gebracht: Ja, auch in mir steckt das Böse. Wer wäre ich geworden mit den Genen und der Biografie von Hitler? Auch das bin ich.
Nun hat nach Steven Spielbergs Schindlers Liste mit Jonathan Glazers The Zone of Interest (Interessengebiet) ein weiterer genialer Filmemacher einen Film über den Holocaust veröffentlicht. Am 29. Februar kam er in die deutschen Kinos und erhielt am 10. März in Los Angeles den Oscar für den besten internationalen Film und den für den besten Ton.
Bei der Preisverleihung hielt der Regisseur Jonathan Glazer eine Rede, die der kanadischen Journalistin Naomi Klein Anlass zu einem Kommentar gab, den ich hier im Folgenden in der Übersetzung von Bobby Langer veröffentliche. Naomi Klein wurde vor allem durch ihr Buch No Logo im Jahr 2000 als Globalisierungskritikerin bekannt. Sie ist eine säkulare Jüdin, die auch in anderen Bereichen das die Welt beherrschende Wirtschafts- und Bewusstseinssystem kritisch kommentiert, so etwa in Bezug auf den Irakkrieg und seit 2002 auch das Vorgehen Israels in Palästina.
Ihr Kommentar zum Film von Glazer und seiner Rede bei der Oscar-Verleihung bezieht sich nicht nur auf das Werk von Glazer und seinem Team sowie die Erinnerungskultur in Bezug auf den Holocaust, sondern geht viel weiter. In einem weiten Bogen bezieht er auch uns als Zuschauer dessen ein, was wir über die Medien von Iraels brutalem Vorgehen in Gaza erfahren und erreicht dabei eine philosophische Tiefe wie der von Hannah Arendt eingeführte Begriff der Banalität des Bösen.
Im Folgenden nun der Text von Naomi Klein.
Können wir Gräueltaten einfach ignorieren?
Wenn Jonathan Glazers mutige Oscar-Annahme-Rede Ihnen Unbehagen bereitet hat, dann war das der Punkt.
Es ist eine Oscar-Tradition: Eine ernsthafte politische Rede durchstößt die Blase von Glamour und Selbstbeweihräucherung. Die Reaktionen darauf sind heftig. Die einen erklären die Rede zu einem Beispiel für Künstler in ihrer kulturverändernden Bestform, die anderen zu einer egoistischen Usurpation eines ansonsten feierlichen Abends. Dann ziehen alle weiter.
Ich vermute jedoch, dass die Wirkung von Jonathan Glazers Rede, mit der er bei der Oscar-Verleihung am vergangenen Sonntag die Zeit angehalten hat, wesentlich nachhaltiger sein wird und ihre Bedeutung und Wichtigkeit noch viele Jahre lang analysiert werden wird.
Glazer nahm den Preis für den besten internationalen Film für The Zone of Interest entgegen, der vom wahren Leben von Rudolf Höss, dem Kommandanten des Konzentrationslagers Auschwitz, inspiriert ist. Der Film folgt Höss‘ idyllischem Leben mit seiner Frau und seinen Kindern, das sich in einem herrschaftlichen Haus mit Garten in unmittelbarer Nähe des Konzentrationslagers abspielt. Glazer beschreibt seine Figuren nicht als Monster, sondern als „nicht denkende, bürgerliche, aufstrebende Karrieristen“, Menschen, denen es gelingt, das abgrundtief Böse in weißes Rauschen zu verwandeln.
Vor der Verleihung am Sonntag wurde „Zone“ bereits von mehreren Gottheiten der Filmwelt angekündigt. Alfonso Cuarón, der Oscar-prämierte Regisseur von Roma, nannte ihn „den wahrscheinlich wichtigsten Film dieses Jahrhunderts“. Steven Spielberg erklärte ihn zum „besten Holocaust-Film, den ich seit meinem eigenen gesehen habe“ – eine Anspielung auf Schindlers Liste, der vor 30 Jahren die Oscars eroberte.
Was heißt da »nie wieder«?
Doch während der Triumph von Schindlers Liste einen Moment tiefgreifender Bestätigung und Einheit für die jüdische Gemeinschaft darstellte, kommt „Zone“ an einem ganz anderen Punkt an. Es wird darüber diskutiert, wie man sich an die Gräueltaten der Nazis erinnern sollte: Sollte der Holocaust ausschließlich als jüdische Katastrophe oder als etwas Universelleres betrachtet werden, mit einer größeren Anerkennung für alle Gruppen, die der Ausrottung zum Opfer fielen? War der Holocaust ein einzigartiger Bruch in der europäischen Geschichte oder eine Wiederkehr früherer kolonialer Völkermorde, verbunden mit einer Wiederkehr der von ihnen entwickelten und angewandten Techniken, Logiken und falschen Rassentheorien? Bedeutet „nie wieder“ nie wieder für irgendjemanden, oder nie wieder für die Juden, ein Versprechen, für das Israel als eine Art unantastbare Garantie vorgestellt wird?
Diese Kriege um Universalismus, eigene Traumata, Exzeptionalismus und Vergleiche stehen im Mittelpunkt der bahnbrechenden Völkermordklage Südafrikas gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof, und sie erschüttern auch jüdische Gemeinschaften, Gemeinden und Familien in aller Welt. In einer actiongeladenen Minute und in unserer Zeit der erdrückenden Selbstzensur bezog Glazer furchtlos klare Positionen zu jeder dieser Kontroversen.
„Alle unsere Entscheidungen wurden getroffen, um uns in der Gegenwart zu reflektieren und zu konfrontieren – nicht um zu sagen: ‚Seht, was sie damals getan haben‘, sondern: ‚Seht, was wir heute tun‘“, sagte Glazer und räumte schnell mit der Vorstellung auf, dass der Vergleich heutiger Schrecken mit den Verbrechen der Nazis von Natur aus verharmlosend oder relativierend sei. Er ließ keinen Zweifel daran, dass es seine ausdrückliche Absicht war, Kontinuitäten zwischen der monströsen Vergangenheit und unserer monströsen Gegenwart aufzuzeigen.
Und er ging noch weiter: „Wir stehen hier als Männer, die ihr Judentum und den Holocaust ablehnen, der von einer Besatzung gekapert wurde, die zu Konflikten für so viele unschuldige Menschen geführt hat, seien es die Opfer des 7. Oktobers in Israel oder der andauernde Angriff auf Gaza.“ Für Glazer bekommt Israel keinen Freifahrtschein, und es ist auch nicht ethisch, das Generationen übergreifende jüdische Trauma des Holocausts als Rechtfertigung oder Deckmantel für die Gräueltaten des israelischen Staates von heute zu benutzen.
Die Opferrolle als Waffe
Andere haben diese Argumente natürlich schon früher vorgebracht, und viele haben dafür teuer bezahlt, insbesondere wenn sie Palästinenser, Araber oder Muslime sind. Interessanterweise ließ Glazer seine rhetorischen Bomben im Schutz des identitären Äquivalents einer Rüstung fallen. Er stand vor der glitzernden Menge als erfolgreicher weißer jüdischer Mann – flankiert von zwei anderen erfolgreichen weißen jüdischen Männern -, die gemeinsam gerade einen Film über den Holocaust gedreht hatten. Und diese Phalanx von Privilegien rettete ihn trotzdem nicht vor der Flut von Verleumdungen und Verzerrungen, die seine Worte entstellten und fälschlicherweise behaupteten, er habe sein Jüdischsein verleugnet, was Glazers Aussage über diejenigen, die ihre Opferrolle in eine Waffe verwandeln, nur noch unterstrich.
Ebenso bedeutsam war das, was man als Meta-Kontext der Rede bezeichnen könnte: das, was ihr vorausging und unmittelbar folgte. Diejenigen, die sich nur Clips online angeschaut haben, haben diesen Teil des Erlebnisses verpasst, und das ist schade. Denn sobald Glazer seine Rede beendet hatte – er widmete den Preis Aleksandra Bystroń-Kołodziejczyk, einer polnischen Frau, die heimlich Auschwitz-Häftlinge fütterte und als Mitglied der polnischen Untergrundarmee gegen die Nazis kämpfte – kamen die Schauspieler Ryan Gosling und Emily Blunt heraus. Ohne auch nur eine Werbepause, in der wir uns emotional erholen konnten, wurden wir sofort in eine „Barbenheimer“-Rede verwickelt, in der Gosling Blunt erzählte, dass ihr Film über die Erfindung einer Massenvernichtungswaffe mit Barbies rosafarbenem Frack zu einem Kassenschlager geworden war, und Blunt Gosling vorwarf, sich die Bauchmuskeln anzumalen.
Zuerst befürchtete ich, dass diese unmögliche Gegenüberstellung Glazers Intervention untergraben würde: Wie könnten die traurigen und erschütternden Realitäten, die er gerade beschworen hatte, mit dieser Art von kalifornischer High-School-Ball-Energie koexistieren? Dann wurde es mir klar: Wie die wütenden Verteidiger von Israels „Recht auf Selbstverteidigung“ trug auch der glitzernde Kunstgriff, der die Rede umhüllte, dazu bei, seinen Standpunkt deutlich zu machen.
Der Völkermord als Umgebung
„Der Völkermord wird zur Umgebung ihres Lebens“: So hat Glazer die Atmosphäre beschrieben, die er in seinem Film einzufangen versucht, in der seine Figuren ihre täglichen Dramen – schlaflose Kinder, eine schwer zu bändigende Mutter, gelegentliche Untreue – im Schatten von Schornsteinen, die menschliche Überreste ausstoßen, bewältigen. Es ist nicht so, dass diese Menschen nicht wüssten, dass gleich hinter ihrer Gartenmauer eine industrielle Tötungsmaschine wütet. Sie haben einfach gelernt, mit dem Völkermord in ihrer Umgebung ein zufriedenes Leben zu führen.
Das ist es, was an Glazers erschütterndem Film am Zeitgenössischsten wirkt, am meisten von diesem schrecklichen Moment. Mehr als fünf Monate nach dem täglichen Gemetzel in Gaza und angesichts der Tatsache, dass Israel die Anordnungen des Internationalen Gerichtshofs schamlos ignoriert und westliche Regierungen Israel sanft schelten, während sie ihm weitere Waffen liefern, wird der Völkermord wieder zur Normalität – zumindest für diejenigen unter uns, die das Glück haben, auf den sicheren Seiten der vielen Mauern zu leben, die unsere Welt zerschneiden. Wir laufen Gefahr, dass er weitergeht und zum Soundtrack des modernen Lebens wird. Und nicht einmal das Hauptereignis.
Glazer hat wiederholt betont, dass es in seinem Film nicht um den Holocaust mit seinen bekannten Schrecken und historischen Besonderheiten geht, sondern um etwas Dauerhafteres und Allgegenwärtiges: die menschliche Fähigkeit, mit Holocausts und anderen Gräueltaten zu leben, Frieden mit ihnen zu schließen und aus ihnen Nutzen zu ziehen.
Als der Film im Mai letzten Jahres uraufgeführt wurde, vor dem Angriff der Hamas am 7. Oktober und vor Israels nicht enden wollenden Angriffen auf den Gazastreifen, war dies ein Gedankenexperiment, das mit einem gewissen intellektuellen Abstand betrachtet werden konnte. Die Zuschauer des Filmfestivals in Cannes, die The Zone of Interest mit sechsminütigen stehenden Ovationen bedachten, fühlten sich wahrscheinlich sicher, mit Glazers Herausforderung zu spielen. Vielleicht blickten einige von ihnen auf das azurblaue Mittelmeer und dachten darüber nach, wie sie sich selbst mit den Nachrichten über Boote voller verzweifelter Menschen, die an der Küste ertrinken, abgefunden hatten, ja sogar daran nicht interessiert waren. Oder vielleicht dachten sie an die Privatjets, mit denen sie nach Frankreich geflogen waren, und an die Art und Weise, wie Flugemissionen mit dem Verschwinden von Nahrungsquellen für weit entfernte verarmte Menschen, dem Aussterben von Arten oder dem potenziellen Verschwinden ganzer Nationen verbunden sind.
Unsere Ähnlichkeit mit den Tätern
Glazer wollte, dass sein Film diese Art von unangenehmen Gedanken auslöst. Er sagte, dass er „die sich verdunkelnde Welt um uns herum sah, und ich hatte das Gefühl, dass ich etwas gegen unsere Ähnlichkeit mit den Tätern statt mit den Opfern tun musste.“ Er wollte uns daran erinnern, dass die Vernichtung nie so weit weg ist, wie wir vielleicht denken.
Doch als Zone im Dezember in die Kinos kam, war Glazers subtile Aufforderung an die Zuschauer, sich auf ihre „inneren Hösses“ zu besinnen, schon viel näher am Geschehen. Die meisten Künstler versuchen verzweifelt, den Zeitgeist anzuzapfen, aber Zone, dessen Kinostart angesichts der ersten Reaktionen gedämpft war, litt vielleicht an etwas, das in der Geschichte des Kinos selten ist: an einem Überschuss an Relevanz, an einem Überangebot an Aktualität.
Eine der einprägsamsten Szenen des Films ist die, als ein Paket mit gestohlenen Kleidungsstücken und Unterwäsche der Häftlinge im Hause Höss eintrifft. Die Frau des Kommandanten, Hedwig (fast zu überzeugend gespielt von Sandra Hüller), ordnet an, dass jeder, auch die Bediensteten, sich ein Stück aussuchen darf. Sie behält einen Pelzmantel für sich und probiert sogar den Lippenstift an, den sie in einer Tasche findet.
Intime Verstrickungen
Es ist die Intimität der Verstrickungen mit den Toten, die so abschreckend ist. Und ich habe keine Ahnung, wie jemand diese Szene sehen kann, ohne an die israelischen Soldaten zu denken, die sich dabei gefilmt haben, wie sie die Unterwäsche von Palästinensern durchwühlen, deren Häuser sie in Gaza besetzen, oder sich damit brüsten, Schuhe und Schmuck für ihre Verlobten und Freundinnen zu stehlen, oder Gruppen-Selfies mit den Trümmern von Gaza als Hintergrund machen. (Ein solches Foto ging viral, nachdem der Schriftsteller Benjamin Kunkel die Bildunterschrift „The Zone of Pinterest“ hinzugefügt hatte).
Es gibt so viele solcher Anklänge, dass Glazers Meisterwerk heute eher wie ein Dokumentarfilm als eine Metapher wirkt. Es ist fast so, als ob der Film, indem er „Zone“ im Stil einer Reality-Show mit versteckten Kameras im ganzen Haus und Garten drehte (Glazer bezeichnete ihn als „Big Brother im Nazi-Haus“), den ersten live gestreamten Völkermord vorwegnahm, die Version, die von den Tätern gefilmt wurde.
Zone bietet ein extremes Porträt einer Familie, deren ruhiges und schönes Leben direkt von der Maschinerie abhängt, die nebenan Menschenleben verschlingt. Es handelt sich keineswegs um ein Porträt von Menschen, die sich verleugnen: Sie wissen, was auf der anderen Seite der Mauer geschieht, und selbst die Kinder spielen mit ausgehöhlten menschlichen Zähnen. Das Konzentrationslager und das Haus der Familie sind keine getrennten Einheiten, sondern miteinander verbunden. Die Mauer des Gartens der Familie, die den Kindern einen geschlossenen Raum zum Spielen und dem Pool Schatten spendet, ist dieselbe Mauer, die auf der anderen Seite das Lager umschließt.
Muster erkennen, damit sie sich nicht wiederholen
Jeder, den ich kenne, der den Film gesehen hat, kann sich nur an Gaza erinnern. Damit will ich nicht behaupten, dass es eine Eins-zu-Eins-Gleichung oder einen Vergleich mit Auschwitz gibt. Keine zwei Völkermorde sind identisch: Gaza ist keine Fabrik, die absichtlich für den Massenmord errichtet wurde, und wir kommen auch nicht an das Ausmaß der Todesopfer der Nazis heran. Aber das humanitäre Völkerrecht wurde in der Nachkriegszeit vor allem deshalb geschaffen, damit wir in der Lage sind, gemeinsam Muster zu erkennen, bevor sich die Geschichte in großem Maßstab wiederholt. Und einige dieser Muster – die Mauer, das Ghetto, die Massentötungen, die wiederholt bekundete Absicht der Eliminierung, der Massenhunger, die Plünderungen, die freudige Entmenschlichung und die absichtliche Demütigung – wiederholen sich.
Das Gleiche gilt für die Art und Weise, wie der Völkermord zur Umgebung wird, die Art und Weise, wie diejenigen von uns, die etwas weiter von den Mauern entfernt sind, die Bilder blockieren, die Schreie ausblenden und einfach … weitermachen können. Deshalb hat die Academy Glazer Recht gegeben, als sie ohne Umschweife zu Barbenheimer überleitete – selbst eine Trivialisierung des Massenmordes. Die Grausamkeit wird wieder einmal zum Ambiente. (Man könnte das gesamte Oscar-Spektakel als eine Art Live-Action-Erweiterung von The Zone of Interest sehen, eine Art Verleugnung auf Eis.)
Was würde ich tun, wenn mein Land einen Völkermord beginge?
Was können wir tun, um die Eigendynamik der Trivialisierung und Normalisierung zu unterbrechen? Das ist die Frage, mit der so viele von uns im Moment kämpfen. Meine Schüler fragen mich. Ich frage meine Freunde und Kameraden. So viele geben ihre Antworten in Form von unermüdlichen Protesten, zivilem Ungehorsam, „unengagierten“ Abstimmungen, Unterbrechungen von Veranstaltungen, Hilfskonvois nach Gaza, Spendensammlungen für Flüchtlinge, Werken radikaler Kunst. Aber das ist nicht genug.
Und je mehr der Völkermord in den Hintergrund unserer Kultur rückt, desto verzweifelter werden manche Menschen an all diesen Bemühungen. Als ich am Sonntag die Oscar-Verleihung verfolgte, bei der Glazer als einziger der vielen wohlhabenden und mächtigen Redner auf dem Podium Gaza auch nur erwähnte, erinnerte ich mich daran, dass es genau zwei Wochen her ist, dass sich Aaron Bushnell, ein 25-jähriger Angehöriger der US-Luftwaffe, vor der israelischen Botschaft in Washington selbst verbrannte.
Ich möchte nicht, dass noch jemand diese entsetzliche Protesttaktik anwendet; es hat schon viel zu viele Tote gegeben. Aber wir sollten uns einige Zeit mit der Aussage von Bushnell beschäftigen, die ich als eindringliche, zeitgenössische Zusammenfassung von Glazers Film betrachte:
„Viele von uns fragen sich gerne: ‚Was würde ich tun, wenn ich zur Zeit der Sklaverei leben würde? Oder im Jim-Crow-Süden? Oder zur Zeit der Apartheid? Was würde ich tun, wenn mein Land einen Völkermord begehen würde?‘ Die Antwort ist: Du tust es. Genau jetzt.“
P.S. Heute, am 9. April, gerade erreicht mich der Kommentar von Jürgen Brecht, den er bei mir unter dem Blogeintrag machen wollte, aber mein WordPress-Programm erlaubte das leider nicht. Deshalb füge ich ihn jetzt hier an:
Dieser Kommentar macht bestimmt nicht nur mich nachdenklich, schrieb mir Jürgen Brecht aus Füssen, von der Adresse teamwork22@hotmail.com aus.
Ich habe diesen Kommentar gelesen und …. ja, er macht mich nachdenklich. Die Kollegen von der WELT haben für diesen Kommentar des freien Autors Alan Posener eine ‚geile Überschrift‘ gefunden; einen Satz, der auch bei Posner im Text schon vorkommt: »Elend ist nur sexy, wenn man Juden dafür verantwortlich machen kann«. Wow! Alarmstufe rot! Wenn es denn wahr wäre. Das ist es aber nicht. Der Kommentar von Posener ist eine bunte Mischung von Wahrem, Halbwahren und faktisch Falschem. Zugleich ist er Wasser auf die Mühlen der moralischen Überheblichkeit des Westens und Islam-Bashing vom Feinsten. Kurioserweise bedeutet Anti-Semitismus vom Wortursprung her eine Anti-Haltung gegen die Semiten. Dazu gehören zahlenmäßig vor allem die arabischen Völker. In dieser Hinsicht ist der Kommentar von Alan Posener in der WELT antisemitisch und zugleich auf eine für Deutschland typische Weise Israel in Schutz nehmend für den Völkermord in Gaza. Ein fairer Kommentar müsste sagen, dass die aktuelle Regierung Israels unter der Führung von Netanyahu inzwischen nicht mehr von einer Mehrheit der Israelis unterstützt wird. Immer mehr Israelis dämmert es allmählich, dass sie durch das grausame Vorgehen ihrer Streitkräfte (IDF) ihr eigenes Land so sehr gefährden, dass ein Überfall der Nachbarn zur Rettung der im KZ Gaza Gefangenen von der politischen Logik her fast schon unvermeidlich ist. Wie fast alle ‚Streitkräfte‘ heißen auch die Israels (IDF) beschönigend „defence forces“; auch dann, wenn sie angreifen.
Großen Dank für den Kommentar von Naomi Klein zu der Rede von Glazer. Es tut gut, etwas so Klares und Unverstelltes zu lesen. Die Frage wird drängend: Was kann ich tun? Kann ich etwas tun, was mehr ist als eine hilflose Geste angesichts des Geschehens? (zum Beispiel ein Lie-In auf dem Bremer Marktplatz). Vielleicht wäre diese Geste auch gar nicht so hilflos? Und was ist überhaupt gegen so eine Geste einzuwenden, selbst wenn sie hilflos, das heißt, folgenlos erscheint? Mache ich das vielleicht vor allem für mich, um meine Würde nicht zu verlieren? Ich habe feststellen müssen, dass Protest und… Weiterlesen »