Rückkehr des Feudalismus?

Am 1. Dezember hat Mark Zuckerberg, der Facebook-Gründer, in einem offenen Brief an seine neugeborene Tochter verkündet, dass er im Lauf seines Lebens, er ist jetzt 31, fünfundvierzig Milliarden Dollar (in  Zahlen: 45.000.000.000$ ) für  wohltätige Zwecke spenden will.

DAS IST SCHÖN.

Er möchte, dass seine Tochter und die anderen Kinder dieser Generation besser leben können als Angehörige früherer Generationen. Wunderbar! Und er ist damit nicht allein, auch andere Milliardäre gründen Stiftungen und spenden viel Geld. Freuen wir uns darüber im Namen der Notleidenden und Benachteiligten!

Andererseits, Zuckerberg und seinesgleichen sparen dadurch hohe Steuern, die der Allgemeinheit zugute kämen und demokratisch kontrolliert eingesetzt würden, jedenfalls in der Theorie. Sie entscheiden nach Gutsherrenart, wen und was sie fördern.

Woran erinnert mich das? An die absoluten Fürsten vor der Französischen Revolution und den Stein’schen Reformen in Preußen. (Ende 18., Anfang 19. Jahrhundert)  Diese weltlichen und geistlichen Adligen, über dem Gesetz stehend, taten sich oft als Mäzene hervor, statteten Wissenschaft und Künste großzügig mit finanziellen Mitteln aus. So wurden Akademien gegründet, Theater gebaut, Barock-Kirchen mit Stuck und Malereien ausgestattet, Spitäler gestiftet. Alles aus willkürlicher Gnade und zum eigenen Ruhm. An der Verelendung der unteren Schichten änderte das nichts. Diese Herren wurden gepriesen und verehrt, sie waren stilbildend und wurden untertänigst gegrüßt. Ihre Privilegien waren ererbt, ihre Macht konnten sie durch eigene Tätigkeit, z.B. Krieg führen, ausweiten. Bis sie es übertrieben und die Ausgebeuteten und Unterdrückten eine Revolution anzettelten, nachdem sie den Mut aufgebracht hatten, aus der selbverschuldeten Unmündigkeit herauszutreten und sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit schrieben sie sich auf ihre Fahnen. Die Idee des Gemeinwohls wurde geboren.

Die Geschichte wiederholt sich nicht. Absolutismus und der darin begründete Kolonialismus sind abgeschafft. Aber die zugrunde liegenden Mechanismen erleben schon seit einiger Zeit eine Auferstehung und breiten sich aus. Die neuen Feudalherren sind die Konzerne, Finanzhaie, Superreichen. Abhängigkeit und Ausbeutung regieren immer noch in den meisten ehemaligen Kolonien.

Die mündigen Bürger sollten die huldvollen Almosen der Stiftungen auch kritisch sehen und sich für Gerechtigkeit in der Entlohnung und den wirtschaftlichen Beziehungen einsetzen, ausgehandelt durch demokratische Selbstbestimmung und flankiert von einer durch Steuern finanzierten verantwortungsvollen Sozialpolitik.

Aber das wäre unamerikanisch. Die Benachteiligten sind selber Schuld. Das Recht des Stärkeren hat immer noch Vorrang. Und wer es zu etwas bringt, der spendet dann nach Gutdünken. Nach dem Motto: Tue Gutes und rede darüber. Wer das NICHT SCHÖN findet, wird als Neidhammel hingestellt. 

Ich denke: Wer nach Reichtum strebt und ihn legal erlangt, soll ihn ruhig genießen, auch wenn es Milliarden sind, aber er soll der Gesellschaft, die ihm seine Geschäfte durch ihre Infrastruktur und Rechtsordnung ermöglicht hat, mit seinen Steuern das zurückgeben, was er ihr schuldet. Stiftungen in Maßen sind immer noch schön. Wer sich als Menschenfreund hinstellt, dem müsste vor allem an Gerechtigkeit, Selbstbestimmung und Fairness gelegen sein. Für jeden und überall.