Im materiellen Bereich gibt es den GAU, das ist die Abkürzung für den Größten Anzunehmenden Unfall, und seine Steigerung, den Super-GAU. Nun gibt es im geistigen Bereich endlich auch einen entsprechenden Begriff für etwas, das ist nicht weniger gefährlich ist: der GIN – the Greatest Imaginable Nonsense. 

Was ist ein GIN, und was soll daran so gefährlich sein? Der GIN ist der größte anzunehmende Unsinn, die Mutter von allem Unsinn, die Urquelle von all den Irrtümern, die Menschen im Verständnis von sich selbst und der Welt haben. Und daraus hervorgehend die Geschichte von dem bösen Ego und dem guten Selbst.

Schon damals, vor 2500 Jahren …

Eigentich hatte Gautama Buddha den Unsinn dieser Geschichte schon damals durchschaut, vor mehr als 2.500 Jahren. Mit seiner Lehre des Anatta (Sanskrit: Anatman), des Nicht-Selbst, spießte er den Kern all der Irrtümer auf, die ein Mensch auf dem Weg der Selbsterkenntnis haben kann, und war deshalb unter seinen Zeitgenossen als Anattavadin bekannt, als Lehrer (vadin) des Nicht-Selbst. Wie man sieht, hat das uns Menschen jedoch nicht davon abgehalten, weiterhin an die Festigkeit und Echtheit eines Ich und all der anderen sozial konstruierten menschlichen und kulturellen Identitäten zu glauben – an die faktische Wirklichkeit von des Kaisers neuen Kleidern.

Das böse Ego und das gute Selbst

In spirituellen Kreisen erzählt man sich seit Jahren nun die Geschichte vom bösen Ego und dem guten, »höheren« Selbst. Im Umgang mit »sich« (was ja nur ein zur Personifizierung einladendes Reflexivpronomen ist) finden diese Sucher nach dem Ewigen und Wahren das Selbst hui, das Ego aber pfui – und glauben währenddessen, sie seien nondual und nicht urteilend, verstehe das einer. Dabei sind das Ego und das Selbst nur andere Worte für das Ich, also das – immer fiktive, weil faktisch nicht erkennbare – Subjekt des jeweils Sprechenden oder die Welt Betrachtenden. Faktisch nicht erkennbar? Ja, denn dort, wo man steht, kann man nicht hinschauen.

Wie lösen wir das Problem? Mit einem Schluck GIN. Denn in diesem Drink haben wir das Ich und das Selbst, das höhere ebenso wie das niedere, das Ego, den Charakter und die Persönlichkeit, vom inneren Schweinehund bis zum inneren Heiligen alles mit drin. Ob der Charakter dann einen Panzer hat oder sich charakterlich ungepanzert in die soziale wirkichkeit hinaustraut, who cares. Der GIN spült das alles hinunter. 

Der Super-GIN

Gibt es dem Super-GAU entsprechend im geistigen auch eine solche Steigerung, einen Super-GIN? 

Leider gibt es das. Es ist der Glaube, dass die Wahrheit sagbar sei, dass Sprache Wirklichkeit abbilden könne und dass wir als sinnsuchende Menschen irgendwo hin müssten auf unserem Lebensweg, wo wir nicht schon wären. Mit all den daraus sich ergebenden Philosophien, Religionen und anderen Gedankengebäuden, die uns von der gegenwärigen sinnlichen Wirklichkeit abhalten.