(Das Foto von Antje Vollmer ist von 2013)
Die große Grünen-Politikerin Antje Vollmer, ehemalige Vizepräsidentin des deutschen Bundestages, liegt im Sterben. Der Berliner Zeitung hat sie einen Essay hinterlassen, der leidenschaftlich, geschichtskundig und kompetent für den Frieden wirbt. Er wurde am 23.2.23 veröffentlicht, einen Tag bevor sich Russlands Angriff auf die Ukraine jährte.
Das Manifest von Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer, zu deren Erstunterzeichnern auch Antje Vollmer gehört, wurde von den Medien überwiegend höhnisch und wenig kenntnisreich auseinander genommen wurde, mit vielen persönlichen Angriffen gegen diese beiden Frauen. Antje Vollmers Essay »Was ich noch zu sagen hätte« hingegen bezeichnen nun auch viele bürgerliche Medien respektvoll als »ihr Vermächtnis«. Vielleicht kann es einige der Putinhasser zu Einsicht bringen, dass mit dem Schüren von Feinbildern kein Frieden geschaffen wird, und dass man Frieden, »nicht herbeibomben« kann.
Frieden kann man nicht herbeibomben
Unter den standfesten Pazifisten mitten im Lager der Bürgerlichen ist auch Heribert Prantl von der Süddeutschen. Seine Kolumne vom 26. Februar beschäftigt sich mit der »großen politischen Vermittlerin und Versöhnerin« Antje Volmer und ihrem Vermächtnis. »Wie würde die deutsche Außenpolitik aussehen, wenn nicht Annalena Baerbock, sondern ihre grüne Parteifreundin Antje Vollmer Außenministerin wäre?«, fragt Prantl dort. Und wendet sich am Ende seines Textes an die Fraktion derer, die sich das Mantra »Mit Putin kann man nicht verhandeln« eingeredet haben und die stur dabei bleiben, dass das wahr sein muss: »Man kann Verhandlungsbereitschaft auch herbeiverhandeln. Das ist erfolgversprechender als der Plan, Frieden herbeizubomben.«
Buckeln, um mitreden zu dürfen
Doch nun zwei Zitate aus Antje Vollmehrs Vermächtnis. Es beginnt mit ihrer Klage über das Ritual, mit dem wir in Deutschland dieser Tage jegliche Worte über den Ukraine-Krieg beginnen müssen, um überhaupt weiter mitreden zu dürfen: »Es ist üblich geworden, zu Beginn jeder Erwähnung der ungeheuren Tragödie um den Ukraine-Krieg wie eine Schwurformel von der „Zeitenwende“, vom völkerrechtswidrigen brutalen Angriffskrieg Putins bei feststehender Alleinschuld der russischen Seite zu reden und demütig zu bekennen, wie sehr man sich geirrt habe im Vertrauen auf eine Phase der Entspannung und der Versöhnung mit Russland nach der großen Wende 1989/90.
Diese Schwurformel wird wie ein Ritual eingefordert, wie ein Kotau, um überhaupt weiter mitreden zu dürfen.«
Hass und Feindbildproduktion
Antjes Essay endet mit den Worten: »Was hat die heutigen Grünen verführt, all das aufzugeben für das bloße Ziel, mitzuspielen beim großen geopolitischen Machtpoker, und dabei ihre wertvollsten Wurzeln als lautstarke Antipazifisten verächtlich zu machen? Ich erinnere mich an meine großen Vorbilder: Die härtesten Bewährungsproben hatten die großen Repräsentanten gewaltfreier Strategien immer in den eigenen Reihen zu bestehen. Gandhi hat mit zwei Hungerstreiks versucht, den Rückfall der Hindus und Moslems in die nationalen Chauvinismen zu stoppen, Nelson Mandela hatte äußerste Mühe, die Gewaltbereitschaft seiner jungen Mitstreiter zu brechen, Martin Luther King musste sich von den Black Panthers als zahnloser Onkel Tom verhöhnen lassen. Ihnen wurde nichts geschenkt. Und das gilt auch heute für uns letzte Pazifisten.
Der Hass und die Bereitschaft zum Krieg und zur Feindbildproduktion sind tief verwurzelt in der Menschheit, gerade in Zeiten großer Krisen und existentieller Ängste. Heute aber gilt: Wer die Welt wirklich retten will, diesen kostbaren einzigartigen wunderbaren Planenten, der muss den Hass und den Krieg gründlich verlernen. Wir haben nur diese eine Zukunftsoption.«
Ein wichtiger Text! Vielen Dank dafür.