Seit einigen Jahren kommen immer wieder Menschen auf mich zu, die nicht weiterwissen, obwohl sie schon viele Jahre lang psychotherapiert wurden, meditiert haben und dabei den einen oder anderen Schwarzgürtel in irgendeiner der spirituellen oder religiösen Disziplinen erworben haben – und bitten mich um Austausch. Manche kommen heimlich auf mich zu, denn sie haben Anhänger, von denen einige irritiert wären, zu erfahren, dass »ihr Guru« selbst Hilfe sucht. Andere trauen sich offen um Rat zu bitten, weil sie wissen, dass das zeitlich Entstandene nie endgültig irgendwo ankommt. Sie wissen, dass der Weg das Ziel ist und Veränderung das einzig Bleibende. Pantha rei, alles fließt, das ist seit altersher bekannt, und doch wollen sie (auch ich) endlich irgendwo ankommen und Ruhe finden. Die gibt es aber nur im Verweilen inmitten der Bewegung, denn alles bewegt sich, immer.
Oben angekommen und doch noch gefangen
Ich habe mich deshalb entschlossen, ein neues Angebot zu schaffen für diejenigen, die auf einem der spirituellen, therapeutischen oder religiösen Wege schon angekommen sind, sei es am Gipfel oder auf einem sehr hohen Niveau. Sie haben einen Fahrstuhl zum Himmel gefunden, aber dann, dort oben, geht die Tür des Fahrstuhls nicht auf. Sie haben den Code vergessen; und dort, auf diesem hohen Niveau, gibt es keinen funktionierenden Alarmknopf mehr. Es ist ja nicht so, dass der Fahrstuhl stecken geblieben wäre, dann könnte man einen Ingenieur rufen, der das wieder in Ordnung bringt. Nein, du bist oben angekommen, dort, wo du hin wolltest. Aber dann geht die Tür nicht auf. Nun hält dich die Methode, die dich nach oben gebracht hat, gefangen.
Die Fähre als Hausboot einrichten
Unter Buddhisten gibt es noch eine andere Metapher hierfür: die Fähre zum Hausboot machen. Du hast eine Methode gefunden, mit der du hinüber gelangst, auf die andere Seite. Weg vom Weltlichen, hin zum Spirituellen, Geistigen, Zeitlosen, oder wie auch immer du das nennen willst. Aber der Weg war so schön, und du bist dem Boot so dankbar, das dich hinüber gebracht hat; so sehr, dass du dann dort sitzen bleibst, in diesem Boot, und dich dort einrichtest. Eigentlich ganz schön so, jedenfalls gemütlich, wir lieben ja unsere Komfortzonen – aber das gelobte Land hast du auf diese Weise noch nicht betreten, obwohl es doch genau das war, was du wolltest.
Gipfel und Alltag
Es gibt ein »Gefangensein auf hohem Niveau«. Da weißt du »eigentlich« worum es geht, und doch ist dein Alltag voller Hindernisse, die aussehen, als hättest du noch kaum etwas kapiert. Ken Wilber nennt das den Unterschied zwischen states und stages: Du kennst die states (Zustände) vollkommener Einsicht, bist aber (noch?) nicht angekommen auf der stage (Stufe), wo du in dieser Einsicht ruhst. Von dort aus kannst du auch das anscheinend Widrige als passend erkennen, ohne es gleich weghaben zu wollen. Vielleicht ist es ein Ausgangspunkt für das, was verändert werden muss.
Oder aber dir ist das Nichts, die Leere oder offene Weite aus der Meditation vertraut, insofern bist du angekommen. Im Alltag aber vergisst deine Persönlichkeit das, sie agiert noch mit dem Impakt des Alten, Bisherigen und klammert sich an Formen und Ereignisse, die scheinbar nicht da sein sollten (Ablehnung) – oder andererseits da sein sollten (Wünsche, Gier).
Das Leiden auf dem Gipfel
Ich habe dreißig Jahre lang eine Zeitschrift herausgegeben, die sich mit dem Suchen und dem Ankommen beschäftigte. Meine Zielgruppe waren Suchende, und dann immer mehr auch Angekommene, vermeintlich Angekommene. Das Leiden allerdings war auch bei den Angekommenen noch groß. Von wenigen Ausnahmen abgesehen war es kaum geringer als bei den Suchenden. Manchmal war es sogar noch größer, denn nun glaubten die vermeintlich Angekommenen gewisse Formen aufrecht erhalten zu müssen, umso mehr, wenn sie selbst Schüler hatten, die noch suchten. Das psychische Leiden unter einer solchen inneren Spaltung ist immens.
Der Kaiser ist nackt
Manchmal wundere ich mich, warum die religiösen und spirituellen Führer dieser Welt nicht zusammenkommen. Sie sind doch an der Spitze ihres jeweiligen Weges, ihrer jeweiligen Karriere angekommen, sei es durch die Stufen vorhandener Institutionen, sei es, wie in Hesses Gedicht »Stufen«, weil sie in ihrer spirituellen Praxis immer weiter voran gegangen sind.
Stellvertreter Jesu auf Erden zu sein, ein Roshi oder Rinpoche in einer der buddhistischen Linien, oder auch ein Schamane, der alle Initiationen bestanden hat, das müsste doch reichen, um den Himmel nicht nur zu berühren, sondern darin aufzugehen. Die Frauen und Männer (leider immer noch überwiegend Männer) dort auf den Gipfeln der religiösen, sprituellen, therapeutischen oder sonstigen geistigen Wege müssten sich doch alle einig sein. Nun nochmal die x-te Konferenz über die große Ökumene oder ein Weltparlament der Religionen abzuhalten, wozu? Dort oben, auf den Gipfeln, müsste doch ein Leben ohne Masken und Schablonen möglich sein, denn dort im Himmel, auf eurem Niveau, in der offenen, grenzenlosen Weite, dort ist doch alles eins! Dort müsste jeder wissen, dass der Kaiser nackt ist, auch wenn gerade mal kein Kind lacht. Warum passiert das nicht? Seid ihr vielleicht doch nicht wirklich angekommen?
Himmel und Erde
Ich selbst habe die Zuweisung eines Erleuchteten-Status immer abgelehnt. Als Spaziergänger zwischen den Welten fühle ich mich viel wohler. Auf einer Konferenz von Erwachten durfte ich unter dem Beifall der anwesenden spirituellen Lehrer, bei einigen war es auch ein skeptisches Stirnrunzeln, als Abschluss-Performance alle Identitäten durch den Kakao ziehen. Alle! Auch die der Angekommenen. Solch göttliches Lachen darfst du Mensch dir aber auch schon vorher erlauben, ehe du auf diesem Niveau angekommen bist oder dich dort oben angekommen wähnst. Wir können unsere Identität auch schon jetzt in Frage stellen, da wir noch ganz im Irdischen verhaftet sind – wir sollten es, wir müssen es. In gewisser Weise bleiben wir ja immer irdisch Begrenzte, in unseren menschlichen Identitäten mehr oder weniger transparent Beheimatete. Der Himmel ist ja nicht heiliger als die Erde. Beim Gedanken an Gott nach oben zu deuten, das ist nur so eine Geste, die wir uns im Patriarchat angewöhnt haben. Die Erde ist es doch, woher wir kommen, sie ist es, was uns beheimatet und trägt.
Das Angebot
Wenn du Bedarf an einem Gespräch hierüber hast, schick mir eine Mail an schneider@connection.de. Dann können wir uns in einer Praxis im Zentrum von Kassel treffen, oder online über Zoom. Ich berechne 120 € für eine volle Stunde. 60 Minuten, das ist ganz schön lang. Wenn du das, was du auf dem Herzen hast, was dich vielleicht quält, in dir auf den Punkt gebracht hast, genügt eine Stunde vollauf. Der Inhalt unseres Gesprächs bleibt vertraulich.