Am 5. November wurde in den USA Donald Trump als Präsident wiedergewählt. Ist das schon »die neue Machtergreifung«? Viele in Deutschland und in anderen westeuropäischen Ländern versetzte die Wiederwahl von Trump erstmal in Schockstarre. Obwohl doch auch in Europa die Rechtspopulisten schon längst nach der Macht greifen oder dort schon sind. In Italien und Ungarn sind sie bereits an der Macht, in Frankreich und den Niederlanden die stärkste Kraft. In Deutschland wird das Regieren in Zukunft ohne sie kaum möglich sein.

Das erinnert an 1933, das Jahr der Machtergreifung der NSDAP mit Hitler als Reichskanzler. So wie damals in Deutschland beziehen sich auch heute die Rechtsnationalen und Rechtspopulisten auf den »Willen des Volkes« und legitimieren sich durch Wahlen, die ganz oder überwiegend gesetzeskonform verlaufen. 

Ist das gut so oder immerhin unausweichlich? Mitnichten. Auch Rassismus, Antisemitismus, Homophobie und Frauenverachtung wurden Jahrhunderte lang von den jeweiligen Mehrheiten getragen, oft sogar von ihnen erzeugt. Die Deutschen wählten mit Hitler nicht etwa ihre Wiederauferstehung nach der Schmach von Versailles, sondern ihr Desaster. So wie auch die USA mit ihren völkerrechtswidrigen Angriffen auf Vietnam 1964, Afghanistan 2001 und den Irak 2003 ihrem eigenen Land horrenden Schaden zufügten, vom Schaden für die angegriffenen Länder und den Weltfrieden ganz zu schweigen.

Ausgehend von einem Zenit an Macht zwischen den Jahren 1989 und 2001 erfolgt der Niedergang der USA allerdings langsamer als der Untergang Deutschlands in den Jahren zwischen 1941 und 1945. Nichtsdestotrotz befindet sich die Weltmacht USA nun, im ersten Quartal des neuen Jahrhunderts, im freien Fall.

Verteidigung oder Angriff?

Wer sich mit der Berechtigung von Kriegen befassen will – was ist ein guter Krieg, was ein schlechter, und welcher ist eine Verteidigung, welcher ein Angriff – fand auf Telepolis Anfang November eine völkerrechtliche Beurteilung des Ukraine-Kriegs und des Gaza-Kriegs, von David Goeßmann. Handeln Russland und Israel defensiv? Im Westen schien die Sache bisher klar: Russland nein, Israel ja. Goeßmann kam jedoch zu anderen Antworten.

Nun noch ein paar kundige Worte von Horst M. Teltschik, einem engen Vertrauten Helmut Kohls, der von 1999 bis 2008 die Münchner Sicherheitskonferenz leitete. Über den deutschen Kriegsminister Boris Pistorius, der nach dem Scheitern von Scholz mit der Ampel dieser Tage sogar als Kanzlerkandidat der SPD gehandelt wird.

Und noch ein Mythos, dessen Aufdeckung die deutschen ‚Qualitätsmedien‘ nicht gerne zugeben: Russland ist noch immer verhandlungsbereit. Die dominanten Kräfte im Westen waren und sind es nicht. Das schreibt der Moskau-Korrespondent von Globalbridge und nennt die Gründe. Wie viele Menschen müssen in der Ukraine noch sterben, bis ihre Waffenlieferanten zugeben können, dass Russland nicht besiegt werden kann? 

Die Opfer-Täter Polarität

In allen aktuellen und vergangenen Kriegen bewegt uns die Frage, wer dabei jeweils das Opfer ist und wer der Täter. Auch die spannendsten unserer erzählten Geschichten, seien es Romane, Spielfilme oder religiöse Mythen, brauchen immer einen Gegner, Herausforderer oder Feind. Wer ist der Bösewicht, und wer sind die Helden? Mit diesen Bewertungen wird politisch und sozial Geschichte geschrieben und Geschichte gemacht. Und wer nach einem Konflikt die Geschichte schreibt, das ist der Sieger. 

Die Wirklichkeit lässt sich jedoch nicht in Schablonen wie Opfer/Täter, richtig/falsch, Verteidigung/Angriff pressen. Unter und über der Ebene dieser wertenden Polaritäten gibt es andere Ebenen mit größerem Wahrheitsgehalt. Genau genommen sind diese Bewertungen nicht Fakten, sondern Interpretationen von Fakten, die wir je nach weltanschaulich-ethischem Frame und biografischem Hintergrund den Fakten überstülpen.

»Seit 5.45 Uhr wird jetzt zurückgeschossen!«, verkündete Hitler am 1. September 1939 im deutschen Reichstag, obwohl da doch Polen das Opfer war. Der Angriff ging von der deutschen Wehrmacht aus. Wehrmacht? So hieß sie, obwohl sie viel mehr eine Angriffsmacht war.

Auch die Kriege in Vietnam und im Irak begannen mit einer Lüge, mit der sich der Angreifer als Angegriffener (Vietnam) oder Bedrohter (Irak) darstellte. Das Wort von Russlands »Angriffskrieg« gegen die Ukraine im Februar 22 wird von den führenden deutschen Medien papageienhaft wiederholt. Sie tun das, ums sich damit gegenseitig und vor sich selbst als mainstream-konform und im richtigen Lager befindlich zu beweisen. Dass dieser Angriff – ja, es war ein Angriff – eine Vorgeschichte hatte, darf in diesem Kontext nicht gesagt werden, sonst erhält man den Vorwurf, von Russland bezahlt und ein langer Arm Putins zu sein. Russland hingegen fühlte sich von der NATO bedroht, die de facto viel stärker ist als Russland, also ebenfalls als Opfer und insofern im Verteidigungsfall. Ohne die Gefahr, dass die Ukraine der NATO beitreten könnte, hätte Russland nicht angegriffen. Dass Russland nach Zentraleuropa hin expandieren wolle, ist ein Mythos, der Angstmachern in der Politik nützt. Auch in der Wirtschaft, siehe die Bonanza von Rheinmetall.

Krieg gegen Menschen und das Klima

Der krasse menschengemachte Klimawandel müsse reduziert werden, mahnte Greta Thunberg ein paar Jahre lang überzeugend an. Jetzt hört man kaum mehr was von ihr. Gehört der Klimawandel überhaupt noch zu den Topthemen unserer Politik? Für die inzwischen Olivgrünen anscheinend nicht. 

Unter den vielen Gründen nicht Krieg zu führen ist der erste, das Töten von Menschen nicht zuzulassen. Der zweite betrifft das Vermeiden der Zerstörung lebenswichtiger Infrastruktur. Aber auch das Klima ist vom Krieg betroffen, nicht nur das psychische, denn die Klimafolgen Dürren und Flutkatastrophen zerstören Menschen und ihre Infrastruktur. Das Conflict and Environment Observatory geht davon aus, dass der militärische Sektor für 5,5 % der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist (Quelle: sonnenseite.com). Im Tausch für ein bisschen weniger Aufrüstung könnten wir also locker weiter nach Mallorca fliegen und sogar bis Bali und Neuseeland.