Etwas innerlich spüren und dann dem, was wir empfinden einen Ausdruck verleihen, ist ein Vorgang, der viele Male am Tag geschieht, ohne dass wir ihn bemerken. Wir können es bewusst oder unbewusst tun, oder vielleicht sogar wahrnehmen, wie genau das vor sich geht.    

Im Focusing dreht sich alles um dieses Spürbewusstsein, es wird hier »felt sense« genannt. Ich übersetze das am liebsten mit »körperlich fühlbare Bedeutungswirklichkeit«: Im Hin-Spüren kreiert und erlebt jede(r) von uns eine ganz eigene, subjektive Erfahrungs-Welt. Meist halten wir sie für wahr und glauben dem, was sie uns vermittelt.

Die Bewertungen, die wir da noch hinzufügen, bleiben oft unbemerkt. Sie kommen uns allerdings fast immer als erstes in den Sinn, wenn wir gefragt werden, wie wir uns gerade fühlen: gut, schlecht, miserabel, mittelprächtig, oder gar ausgezeichnet?

Im Vipassana (Einsichts-Meditation) gibt es eine einfache Achtsamkeitsübung: »Bemerke, welche Ereignisse in deinem Bewusstsein auftauchen und wie sie dir erscheinen – positiv, negativ oder neutral«. So kann man viele Stunden auf dem Meditationskissen zubringen und den absichtslosen »inneren Zeugen« schulen, der nicht mehr ins Geschehen eingreifen will.

Das Neue im Spüren

Focusing ist aus der Frage entstanden: »Was erleben Menschen, die sich verändern«? Oder anders: »Was spüren wir, wenn wir inneren und äußeren Wandel zulassen können«? Dieses Anliegen ist in jeder Psychotherapie von Bedeutung und auch in allen Lebenssituationen, wo wir Neues (er)finden und kreativ sein wollen. 

Wohin genau spüren wir, um eine innere, sich stimmig anfühlende Antwort auf die Frage nach dem Neuen, bis-jetzt-noch-nicht Wahrgenommenen zu bekommen und was erscheint da in unserem Aufmerksamkeits-Feld? Im Focusing ist die Anleitung, mit einem offenen, breiten Wahrnehmungsschirm auf die feinen und vagen körperlichen Ereignisse im Brust- und/oder Bauchraum zu achten. Da taucht zunächst das Un-Geformte auf, das, was sich noch nicht wirklich gezeigt hat.

Wenn wir darauf neugierig sind und mit unserer Achtsamkeit dort verweilen beginnt es, sich auszuformen. Dabei wird es deutlicher. Irgendwann können wir es dann äußern. Es entsteht ein sprachliches Gebilde, ein klares Bild oder ein Gefühls-Ausdruck. Im Moment des Entstehens sind das frische und unmittelbare Neu-Schöpfungen.

Die Enge der Form

Formen erstarren schnell und werden dann unlebendig, manchmal sogar einengend und behindernd. So ist das auch mit Bedeutungen, denen wir nicht mehr nachspüren. Die »feste Meinung«, der »Tunnelblick«, die »starre Haltung«, sind Bezeichnungen für Ansichts-Perspektiven, die nicht mehr mit dem unmittelbaren Spüren des Augenblicks in Kontakt sind.

Die einfachen Fragen nach innen: »Spüre ich das wirklich so«? »Wie fühlt sich das gerade an«? bringen da Bewegung hinein: Gedanken und Sätze modifizieren sich, Blickwinkel werden weiter und Einstellungen lockerer. Achtsames Hin-Spüren sprengt jede feste Form.

Die menschliche Resonanz

Ein Mensch, der nachspürt, während er etwas sagt, spricht langsamer und besonnener. Er nimmt sich genau die Zeit, die sein Ausdruck braucht, um sich von innen heraus zu entfalten. Im Sprechen ist er auch Zeuge der Bedeutungs-Bildung, die jetzt geschieht.

Für ein menschliches Gegenüber fühlt es sich in der Resonanz ganz anders an, ob jemand beim Erzählen und Sprechen in Kontakt mit seinem gegenwärtigen Erleben ist, oder nicht. Die Unmittelbarkeit, das Neue und Frische des Gesagten lassen einen Funken überspringen.

Spürst Du’s?