Seit ich im Jahr 2003 im Connection-Haus in Niedertaufkirchen an einem Drehbuchworkshop mit C.P. Hant und Wolf Schneider teilnahm, wo wir in den Pausen dauernd über Filme redeten, schreibe ich regelmäßig Filmrezensionen für Connection – erst für das gedruckte Magazin, jetzt für connection.de.

Ich suche mir Filme aus, die mich künstlerisch überzeugen und deren Inhalte ich des Nachdenkens wert finde. Das sind meist solche, die in der Fülle der wöchentlichen Neuerscheinungen eher untergehen und die außerhalb großer Städte nicht im Kino laufen.

4 Könige
Kinostart:
  3.12.

Bewertung: 4 Sternesehr gut

Der Film 4 Könige kommt am 3. Dezember in die Kinos, rechtzeitig zu den Weihnachtsfeiertagen, die im Film den zeitlichen Rahmen für die Handlung abgeben.

Es hat sich ja herumgesprochen, dass Weihnachten nicht in jeder Familie das Fest der Liebe und Harmonie ist. Wenn man nicht selbst betroffen ist, möchte man lieber nicht so genau wissen, was sich da abspielt.

Die Autorin Esther Bernstorff, deren Drehbuch für den Deutschen Drehbuchpreis 2014 nominiert war, kam auf die Idee dazu, als sie vom Chef einer Jugendpsychiatrie hörte, dass viele Familien ihre „schwierigen“ Sprösslinge über die Feiertage in der Psychiatrie „abgeben“. Daraus entwickelte sie die Geschichte von vier Jugendlichen und ihrem Arzt, die unter solchen Umständen miteinander klar kommen müssen. In enger Zusammenarbeit mit der Regisseurin Theresa von Eltz wurde das Buch fertig gestellt. Die Figuren und Dialoge sind äußerst präzise gezeichnet, und die filmische Umsetzung kann nur als gelungen bezeichnet werden. Dazu tragen nicht nur die Schauspieler auf der Höhe ihres Könnens bei, sondern auch der Umstand, dass dank eines kleinen Budgets auf Ausstattungs-Firlefanz verzichtet wurde. Da gibt es nur die zu den Feiertagen fast leere psychiatrische Anstalt, die Isolation und wissenschaftliche Nüchternheit, aber auch einen Schutzraum darstellt, und den angrenzenden Wald, die Verheißung von märchenhafter Tiefe, Freiheit, Geheimnis und Winter-Weihnacht.

Die vier eingelieferten Jugendlichen haben das Pech, zu sensibel für die banal unguten Verhältnisse zu sein, in denen sie leben müssen.

Alex (Paula Beer) steht unter der Fuchtel einer launischen, übergriffigen Mutter, die es nicht zulässt, dass die Tochter ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse wahrnimmt, geschweige denn umsetzt. Alex ist unendlich verständnisvoll anderen gegenüber, weiß aber nicht, wer und wie sie selbst ist. So leidet sie und weiß nicht woran.

Lara (Jella Haase, die „Chantal“ aus Fack Ju Göthe) fühlt sich von den Eltern unverstanden und eingeengt. Sie hat ein äußerst sprunghaftes Temperament. Fröhlichkeit und Herzlichkeit wechseln mit Arroganz und Kälte. Sie ist versessen auf Drogen und Konsum, die ihre tiefe Traurigkeit doch nicht heilen können.

Fedja (Moritz Leu) ist gefangen in seiner Angst, hervorgerufen durch brutales Mobbing in der Schule. Als gebürtiger Georgier fühlt er sich fremd zwischen zwei Kulturen, auch sich selbst entfremdet. Was ihn ausmacht, Intelligenz, Humor, Musikalität, darauf hat er keinen Zugriff mehr. Er verschließt sich total. Am liebsten wäre er unsichtbar.

Timo (Jannis Niewöhner) tritt als durchtrainierter Krieger auf, ständig bereit loszuschlagen, wenn er sich respektlos behandelt fühlt. Er kommt als einziger aus einer geschlossenen Anstalt. Autoritäten bekämpft er, und von Frauen lässt er sich schon gar nichts sagen. Er ist mit Entwertung und Gewalt aufgewachsen, jetzt ist er derjenige, der ohne Warnung zuerst zuschlägt.

Mit diesen gegensätzlichen „Elementen“ hat es der unkonventionelle Psychiater Dr. Wolf (Clemens Schick) zu tun. Skepsis schlägt ihm von seinen renitenten Patienten entgegen, ebenso wie von seinem konservativen Chef und dem misstrauischen Pflegepersonal. Indem der Arzt auf gleicher Augenhöhe mit den Jugendlichen umgeht, sie ohne Anbiederung in ihrer Individualität sieht und ernst nimmt, verweist er sie auf ihre Eigenverantwortung. Dadurch werden spannende Gruppenprozesse in Gang gesetzt, komische und dramatische mit Rückschlägen und unvorhergesehehen Wendungen. Am Ende ist keiner „geheilt“, aber alle sind um wichtige Erfahrungen und ein unvergessliches Weihnachten reicher.