Lucky       Kinostart: 8. März 2018

Am Morgen zündet sich der hagere alte Mann als erstes eine Zigarette an. Aus dem Radio klingt ein mexikanisches Lied. Er macht ein paar Yoga-Übungen, wäscht und rasiert sich, trinkt ein Glas kalten Milchkaffee, zieht ein kariertes Hemd, Jeans, Cowboy-Stiefel an, setzt einen ausgefransten Hut auf und geht aus der Tür seines abseits gelegenen, einfachen Hauses. So beginnt der 90jährige Lucky (Harry Dean Stenton) jeden Tag. Er macht sich auf den Weg in ein namenloses kleines Städtchen in der Nähe. Die wüstenartige Landschaft ringsum ist geprägt von Riesen-Kakteen und und einem eindrucksvollen Bergpanorama. Dazu erklingt eine Country-Melodie auf der Mundharmonika.

Lucky ist ein in Maßen geselliger Einzelgänger, Atheist und Philosoph. Kreuzworträtsel, kleine Begegnungen, Spielsendungen im Fernsehen, Anrufe bei einem Freund regen ihn zu allerlei tief gehenden Überlegungen an. Teils freundlich, teils kritisch oder ironisch, aber immer lakonisch geht er mit den Leuten um, die er regelmäßig oder auch zufällig trifft.

Eines Morgens kippt er einfach um. Zwar kommt er schnell wieder zu sich und auf die Beine, doch sicherheitshalber geht er zum Arzt. Der kann keine Krankheit feststellen, meint aber , dass Lucky sich in seinem Alter auf die Endlichkeit des Lebens einstellen müsse. Kurz gerät er aus dem Tritt, weicht von seiner Routine ab und gesteht einer besorgten Besucherin, dass ihn das ängstigt. Dann macht er bewusst weiter, raucht, trinkt abends in der Bar seine „Bloody Mary“, freut sich über neue Kontakte und die Einladung zu einer Familien-Fiesta.

Neben der Hauptfigur gibt es in dem Film von John Carroll Lynch eine Fülle von skurrilen und liebenswerten Nebenfiguren, die dem Film ihre Würze geben. Da ist Howard (David Lynch), dessen hundertjährige Schildkröte, „President Roosevelt“, zu seinem großen Kummer entlaufen ist, was Anlass zu Gesprächen darüber gibt, welche Bedeutung Tiere für Menschen haben können. Mit einem durchreisenden Marine- Veteranen tauscht sich Lucky über den Krieg im Pazifik aus. Mit einem Anwalt, der Versicherungen empfiehlt, gerät er aneinander, bis er dessen tiefere Motive versteht. Die kokette Barbesitzerin Elaine und ihr Lebensgefährte erzählen von der Macht der Liebe. Ein Auftritt von Liberace im TV provoziert Überlegungen zur Toleranz. Bei der Fiesta der Supermarkt-Kassiererin wird die Bedeutung der Familie und des gemeinsamen Feierns deutlich, und so weiter. Das alles entwickelt sich mit großer Natürlichkeit und Gelassenheit. Jede Szene atmet Melancholie, Weisheit und Humor, alles ist originell, menschlich, nie sentimental.

„Lucky“ ist eine Hommage an den Schauspieler Harry Dean Stanton, der kurz nach den Dreharbeiten mit 91 Jahren gestorben ist. Er hat im Lauf seiner Karriere meist Nebenrollen gespielt, außer in „Paris,Texas“ von Wim Wenders. Ein alter Mann mit einem traurigen Gesicht, er hat so viel zu sagen. Für mich ist das der schönste Film des vergangenen Jahres.