Heute will ich mich mal der, äh …. Weltrettung widmen. Da werden jetzt einige schreiend davonlaufen. Na gut, ein paar Leser weniger. Allerdings finde auch ich es oft ziemlich komisch, wie wir Menschen die Welt retten wollen in unserem je eigenen Größenwahn.

Aber es ist auch tragisch, weil die Weltretter oft genug die Situation noch schlimmer machen als sie eh schon ist. In meinen Humorworkshops empfehle ich deshalb gerne eine Übung, die ich den »überschnappenden Missionar« nenne. Dort treiben wir unser eigenes Weltrettungspathos auf die Spitze, indem wir einem Gegenüber mit unserer Methode der Weltrettung auf invasive, aggressive, übergriffige Weise eins überbraten – wehe, wenn er/sie sich nicht überzeugen lässt und bei der Weltrettung nicht mitmacht! 

Gaia weint 

Doch es stimmt: Gaia weint, weil wir es nicht schaffen, unseren Biotop zu hüten, der uns Menschen seit Jahrtausenden auf wunderbare Weise trägt. Möglicherweise sind die Veränderungen, die das Antropozän bewirkt hat, irreversibel, und die Wunden, die wir Menschen Gaia zugefügt haben, nicht mehr heilbar. Oder doch? Gerade bin ich einem Heilungsprojekt beigetreten, dass eben dies mit gemeinsamer Kraft und Vernetzung versucht.

Vielen Menschen ist die seit Jahrzehnten weithin bekannte prekäre Lage unseres Biotops jetzt – in Zeiten, da Ökogegner wie Donald Trump an der Macht sind – bewusster denn je. Die politischen Ereignisse haben die Hoffnungen sinken lassen, dass unsere menschliche Zivilisation es schaffen wird, die Kurve zu kriegen, ehe die Titanic den Eisberg rammt. 

Ich will deshalb hier zwei Aspekte von Vordenkern einbringen, die mich in den vergangen Wochen trotz alledem ermutigt und mir Hoffnung gemacht haben: Daniel Pinchbeck, dessen Buch »How soon is now – wie lange wollen wir noch warten« ich in den vergangenen Monaten übersetzt habe. Und Ken Wilber, mit dem ich mich schon viel länger beschäftige; ihm habe ich als Connection-Macher 2013 ein ganzes Jahr gewidmet. Ken Wilber hat kürzlich in einem leidenschaftlichen Essay mit der Überschrift »Trump and a Post-Truth World« aus der Sicht seiner Philosophie die aktuelle poltische Lage kommentiert. 

Eine Landkarte »von allem«

Ken Wilbers Weltbild bzw. Entwurf einer Landkarte (»Eine Theorie von allem«) ist genial und weitreichend, aber für Outsider nicht auf Anhieb zu verstehen. Ich greife hier jetzt mal nur einen Teil heraus, den er in seiner Urfassung von Beck und Rowan übernommen hat, die »Spiral Dynamics« oder spiralische Entwicklung des Menschen und seiner Gesellschaft, angefangen von der gröbsten Urform des Fressen-oder-gefressen-Werden bis zu den höchsten Formen der Weisheit und Liebe. Beck, Rowan und Wilber geben den einzelnen Stufen Farben, von denen etwa Blau (neuerdings von Wilber als »amber« neu koloriert) dem Nationalismus und Ethnizismus entspricht, dem Bedürfnis Grenzen zu ziehen und sie zu verteidigen; Orange dem Weltbild z.B. der kosmopolitischen, liberalen Sozialdemokraten; das in der Entwicklung darauf folgende Grün entspricht dem heute unter Intellektuellen, Künstlern, Ökos und Spiris vorherrschenden Weltbild der Egalitären, die Bewertungen und Hierarchien verabscheuen, obwohl sie selbst ausgiebig bewerten und es auch unter ihnen Gurus gibt. Danach kommen auf dem nächsthöheren Level, dem »second tier«, die Farben Gelb, Türkis und Koralle, wo ich selbst mich verorte und wohl auch Ken Wilber und mein Mitblogger Torsten Brügge. 

Historisches Signal

Eine so »hohe« Selbstbewertung von mir wird schon mal einigen meiner Leser aufstoßen, denn: Sind wir nicht alle gleich? Ja und Nein. Menschen, die im grünen Mem beheimatet sind, mögen Wartehierarchien nicht, sondern versuchen, alle Menschen und sozialen Strukturen als irgendwie gleichwertig zu betrachten. Wer das nicht tut, wird von ihnen gerne als eingebildet betrachtet und oft genug bekämpft. Für Grüne muss alles auf Augenhöhe abgehandelt werden. Wehe, einer hält sich für weiter entwickelt als jemand anders! Ken Wilber nennt das die »aperspektivische Verrücktheit« der Grünen mit ihrer Neigung zu Nihilismus (»Alle Werte sind gleich« was ja bedeutet, dass kein Wert gilt) und Narzissmus (Wenn nichts einen Wert hat, dann bin ich der Wert). Das aktuell Interessante an Wilbers Analyse ist nun, dass er den Auftstieg von Trump und dem Rechtspopulismus als krudes, historisch überfälliges Signal bewertet, dass Grün sich weiterentwickeln muss, hin zu Gelb, Türkis und Koralle. Und dass Grün, wie alle Meme, »abwärtskompatibel« sein muss, sonst rächen sich die abgewerteten unteren Meme, wie eben jetzt in den diversen Aufständen der Wutbürger. Niedere Stufen rächen sich an den höheren, wenn diese die niederen auf ihrem Weg ablehnen, sie also nicht wirklich integriert und damit nicht wirklich überwunden haben.

»Abwärtskompatibel« bleiben

Vereinfacht und reduziert auf das Thema der Grenzen: Grün liebt die Grenzenlosigkeit, Blau die Grenzen. Folglich befeinden sich beide. Es sei denn, Grün hat Blau wirklich integriert, was bedeuten würde, dass das Setzen und Verteidigen von Grenzen von den Grünen als wichtiger Teil des Menschseins bewertet würde, sowohl im Individuellen wie im Kollektiven. Die Mauer, mit der Trump sein Land nun von Mexiko abgrenzen will, ebenso wie der Fremdenhass in Europa, beide Reaktionen sind für das Grüne Mem schockierend und unverständlich. Wilber nennt die Revolte des Ego (»Hier komme ich«), des Nationalismus (»Amerika first!«) und Ethnizismus ein Signal, dass die Grünen die niederen Meme nicht wirklich integriert haben. Sie sind insofern nicht »abwärtskompatibel«, mit diesem Begriff aus der Computersprache möchte ich hier die Eigenschaft benennen, die bereits transzendierten Stufen weiterhin in sich zu tragen und zu würdigen. So wie bei einem Betriebssystem oder Pogramm sich die Dateien nur bis zu einer gewissen früheren Stufe noch öffnen und lesen lassen, bei sehr frühen Stufen geht das nicht mehr. Die fötale Entwicklung des Menschen ist in der Hinsicht vollständiger (die biologische Ontogenese also ‚abwärtskompatibel‘): Kurz nach der Zeugung hatten wir, du und ich, noch keine Wirbelsäule, irgendwann dann kam der Fischschwanz, und nach neun Monaten begann mit der Atmung und dem Schnitt durch die Nabelschnur unser Landleben.

Erleuchtung oder Ernüchterung?

Obwohl ich mich seit Jahren in spirituellen Kreisen eher für Ernüchterung als für Erleuchtung einsetze, so auch in dem RTL-Film über Esoterik von Anfang Februar, in dem ich der bestellte »Faktenchecker« bin, der den Leuten sagt, was von dem Hokuspokus (das Wort kommt übrigens von »hoc est corpus meum« aus der katholischen Liturgie) zu halten ist, wurde ich kürzlich eingelanden, den Erleuchtungskongress in Nürnberg zu moderieren. Da ich mich jedoch nicht als spiritueller Lehrer verstehe, sondern als Autor, Redakteur, Moderator und gelegentlicher Kabarettist, ich muss also von meinen Honoraren leben, nicht von den Spenden oder Seminargebühren meiner Schüler, wurden wir uns bezüglich der Konditionen für die Moderation nicht einig. Trotzdem bedanke ich mich hiermit für die Ehre, dass ich dort hätte Moderator sein dürfen und bewerbe den Kongress hiermit, obwohl ich nicht daran teilnehme. Das Thema dort ist »Erwachen & Erleuchtung – MenschSein und Alltag«. 

Hier noch mal der Link zu der von Raphael Bolius (und mir) initiierten Seite zur Erdheilung, die eine Drehscheibe für ähnliche Heilungs- und Vernetzungs-Projekte sein will: Gemeinsam meditieren, beten, gute Gedanken schicken für den Frieden und die Heilung der Erde. 

Und hier nochmal die RTL-Seite mit dem Faktenchecker-Film über Esoterik

Termine

Anlässlich des Erscheinens seines Buchs auf Deutsch ist Daniel Pinchbeck aktuell auf Deutschlandtour, auf die ich schon im vorigen Newsletter hinwies. Er war damit gerade in Hamburg sein, ist heute in Berlin, am 16. 2. in München und am 18. 2. in Basel. Thomas Schmelzer von Mystica-TV hat mich aus Anlass dieser Tour zum Thema von Pinchbecks Buch interviewt.

Das BecomeLove Festival, das vom 7. bis 9. April in Berlin stattfindet, beschäftigt sich mit der Kokreativität der Liebe. Ich gebe dort einen Kurzworkshop über das Thema meines Buchs »Ohne dich wäre ich ein anderer«: Wie wir in der Liebesbeziehung nicht nur eine Wir-Identität kreieren, sondern dabei auf der Heldenreise unseres Lebens auch gegenseitig kokreativ einander unsere Ichs mitgestalten. 

Auf dem Osterfestival des BeFree Instituts (13. bis 18. 4. auf Gut Frohberg bei Meißen) gebe ich einen Humorworkshop über die »Kreuzigungen und Wiederauferstehungen« in der Liebe, außerdem voraussichtlich noch einen Kommunikationsworkshop (»Schweigen kann das Problem sein, aber auch die Lösung«) und etwas zum Thema des Spiels (»Leela«) oder der Spiele, der Wandlungen unserer Identität, die wir auf den Brettern aufführen, die die Welt bedeuten.

Wie werde ich glücklich? Das ist der Artikel von mir im aktuellen KGS-Berlin, einem der beiden spirituellen Stadtmagazine dort, für das ich seit fünf Jahren eine Art Einleitung zum jeweils aktuellen Schwerpunkt schreibe.

Weitere Termine im nächsten Newsletter.

Mit herzlichem Gruß

Wolf

schneider@connection.de